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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Meldung auf einer Täuschung oder einem Mißverständnis beruhte. Nun kam aber
in der Abgeordnetenkammer der Führer der Liberalen, Abgeordneter Casselmann,
darauf zurück und behauptete, daß es Zeugen dafür gebe, daß der Bischof ähnliche
Äußerungen getan habe. So kam es zu einem heftigen Konflikt, der beinahe zu
einer Krisis im Präsidium der Kammer geführt hätte. Die Sache selbst ist noch
nicht ganz aufgeklärt. Es scheint, daß der Bischof im Privatgespräch mit Geistlichen
bedauernd auf einzelne Auswüchse der politischen Tätigkeit des Klerus hingewiesen
hat, was dann sehr leicht so aufgefaßt werden konnte, wie es die Zeitungsmeldung
darstellte. Denn die politische Tätigkeit der Geistlichen, die sie in Konflikte mit
ihren seelsorgerischen Pflichten bringt, kann nur eine solche sein, die im Dienste der
Zentrumspartei ausgeübt wird. Einen katholischen Geistlichen vor allzu eifriger
politischer Tätigkeit warnen, heißt soviel als ihn vor dem Zentrum warnen. Das
ist inhaltlich unbestreitbar richtig, weil keine andre Partei in Frage kommt. In
der Form kommt es natürlich nicht ganz auf dasselbe hinaus, und es ist begreiflich,
daß sich der Bischof sehr energisch dagegen verwahrt, so etwas gesagt zu haben.
Denn das Zentrum würde sich die Gelegenheit nicht entgehn lassen, einem Bischof,
der sich in solchem Sinne äußert, das Leben ganz gehörig sauer zu machen.

Bei der Besprechung der allgemeinen politischen Lage, die die ersten Ver¬
handlungstage der bayrischen Kammer ausfüllte, spielten selbstverständlich auch die
Finanzfragen eine große Rolle, und es zeigte sich dabei, wie dringlich die Frage
der Reichsfinanzreform geworden ist. Fast noch mehr trat dies in der Thronrede
hervor, mit der der sächsische Landtag eröffnet wurde. Es wurde zwar nicht direkt
darin gesagt, wohl aber angedeutet, wie schwierig für die meisten deutscheu Bundes-
staaten eine geordnete Finanzwirtschaft unter den gegenwärtigen Finanzverhältnissen
des Reichs geworden ist. Das ist eine alte Klage, und es gäbe wohl Mittel genug,
ihr abzuhelfen, aber jedes dieser Mittel verstößt gegen irgendein Prinzip, das
teils aus staatsrechtlichen, teils aus parteipolitischer Gründen nicht so leicht um¬
gestoßen werden kann. staatsrechtliche Gründe fordern die Aufrechterhaltung der
Finanzhoheit der Einzelstaaten; man will den bundesstaatlichen Charakter des Reichs
nicht antasten. Die Einrichtung direkter Reichssteuern aber würde allerdings einen
sehr fühlbaren Eingriff in die einzelstaatliche Finanzhoheit bedeuten. So muß vor¬
läufig an dem verfassungsmäßigen Grundsatze festgehalten werden, daß dem Reiche
nur indirekte Steuern als Finanzquellen zur Verfügung stehn. Aber gerade gegen
die ergiebigsten und gerechtesten dieser Steuerquellen sträubt sich die Tradition der
Parteien, die angeblich die Interessen der breiten Volksmassen vertreten. Das volks¬
tümlich wirksame Schlagwort verbündet sich hier mit den Sonderinteressen großer
wirtschaftlicher Erwerbszweige. Solange die nicht notwendig zum Leben gehörenden
und doch für viele fast unentbehrlichen Massenkonsumartikel wie Bier und Tabak
einer vernünftigen und keineswegs störend wirkenden Besteuerung entzogen bleiben
-- denn die bisherige Art der Besteuerung genügt nicht --, wird den Reichsfinanzen
kaum aufzuhelfen sein.

Es war vorhin von dem politischen Druck die Rede, den das Zentrum, wo
es dies für nötig hält, ungescheut auf die Würdenträger der katholischen Kirche
auszuüben pflegt. In noch viel stärkeren Maße wird dieser Druck von polnischer
Seite im nationalen Interesse geübt. Am schärfsten ist dies in der Diözese Kulm
in Westpreußen zum Ausdruck gekommen, wo die polnischen Geistlichen ganz offen
gegen ihren Bischof aufgetreten sind, weil er sich den polnischen Forderungen nicht
gefügig genug gezeigt hat. Eingeweihte wissen, wie schwer schon der verstorbne
Erzbischof von Posen und Gnesen, Florian von Stablewski, der doch im Herzen
gewiß ein guter Pole war, unter dem Trotz und Fanatismus seiner Geistlichkeit
zu leiden hatte. Dem todkranken, nicht mehr widerstandsfähigen Manne wurde
noch zuletzt jener bekannte Erlaß abgepreßt, worin sich der Erzbischof gegen seine


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Meldung auf einer Täuschung oder einem Mißverständnis beruhte. Nun kam aber
in der Abgeordnetenkammer der Führer der Liberalen, Abgeordneter Casselmann,
darauf zurück und behauptete, daß es Zeugen dafür gebe, daß der Bischof ähnliche
Äußerungen getan habe. So kam es zu einem heftigen Konflikt, der beinahe zu
einer Krisis im Präsidium der Kammer geführt hätte. Die Sache selbst ist noch
nicht ganz aufgeklärt. Es scheint, daß der Bischof im Privatgespräch mit Geistlichen
bedauernd auf einzelne Auswüchse der politischen Tätigkeit des Klerus hingewiesen
hat, was dann sehr leicht so aufgefaßt werden konnte, wie es die Zeitungsmeldung
darstellte. Denn die politische Tätigkeit der Geistlichen, die sie in Konflikte mit
ihren seelsorgerischen Pflichten bringt, kann nur eine solche sein, die im Dienste der
Zentrumspartei ausgeübt wird. Einen katholischen Geistlichen vor allzu eifriger
politischer Tätigkeit warnen, heißt soviel als ihn vor dem Zentrum warnen. Das
ist inhaltlich unbestreitbar richtig, weil keine andre Partei in Frage kommt. In
der Form kommt es natürlich nicht ganz auf dasselbe hinaus, und es ist begreiflich,
daß sich der Bischof sehr energisch dagegen verwahrt, so etwas gesagt zu haben.
Denn das Zentrum würde sich die Gelegenheit nicht entgehn lassen, einem Bischof,
der sich in solchem Sinne äußert, das Leben ganz gehörig sauer zu machen.

Bei der Besprechung der allgemeinen politischen Lage, die die ersten Ver¬
handlungstage der bayrischen Kammer ausfüllte, spielten selbstverständlich auch die
Finanzfragen eine große Rolle, und es zeigte sich dabei, wie dringlich die Frage
der Reichsfinanzreform geworden ist. Fast noch mehr trat dies in der Thronrede
hervor, mit der der sächsische Landtag eröffnet wurde. Es wurde zwar nicht direkt
darin gesagt, wohl aber angedeutet, wie schwierig für die meisten deutscheu Bundes-
staaten eine geordnete Finanzwirtschaft unter den gegenwärtigen Finanzverhältnissen
des Reichs geworden ist. Das ist eine alte Klage, und es gäbe wohl Mittel genug,
ihr abzuhelfen, aber jedes dieser Mittel verstößt gegen irgendein Prinzip, das
teils aus staatsrechtlichen, teils aus parteipolitischer Gründen nicht so leicht um¬
gestoßen werden kann. staatsrechtliche Gründe fordern die Aufrechterhaltung der
Finanzhoheit der Einzelstaaten; man will den bundesstaatlichen Charakter des Reichs
nicht antasten. Die Einrichtung direkter Reichssteuern aber würde allerdings einen
sehr fühlbaren Eingriff in die einzelstaatliche Finanzhoheit bedeuten. So muß vor¬
läufig an dem verfassungsmäßigen Grundsatze festgehalten werden, daß dem Reiche
nur indirekte Steuern als Finanzquellen zur Verfügung stehn. Aber gerade gegen
die ergiebigsten und gerechtesten dieser Steuerquellen sträubt sich die Tradition der
Parteien, die angeblich die Interessen der breiten Volksmassen vertreten. Das volks¬
tümlich wirksame Schlagwort verbündet sich hier mit den Sonderinteressen großer
wirtschaftlicher Erwerbszweige. Solange die nicht notwendig zum Leben gehörenden
und doch für viele fast unentbehrlichen Massenkonsumartikel wie Bier und Tabak
einer vernünftigen und keineswegs störend wirkenden Besteuerung entzogen bleiben
— denn die bisherige Art der Besteuerung genügt nicht —, wird den Reichsfinanzen
kaum aufzuhelfen sein.

Es war vorhin von dem politischen Druck die Rede, den das Zentrum, wo
es dies für nötig hält, ungescheut auf die Würdenträger der katholischen Kirche
auszuüben pflegt. In noch viel stärkeren Maße wird dieser Druck von polnischer
Seite im nationalen Interesse geübt. Am schärfsten ist dies in der Diözese Kulm
in Westpreußen zum Ausdruck gekommen, wo die polnischen Geistlichen ganz offen
gegen ihren Bischof aufgetreten sind, weil er sich den polnischen Forderungen nicht
gefügig genug gezeigt hat. Eingeweihte wissen, wie schwer schon der verstorbne
Erzbischof von Posen und Gnesen, Florian von Stablewski, der doch im Herzen
gewiß ein guter Pole war, unter dem Trotz und Fanatismus seiner Geistlichkeit
zu leiden hatte. Dem todkranken, nicht mehr widerstandsfähigen Manne wurde
noch zuletzt jener bekannte Erlaß abgepreßt, worin sich der Erzbischof gegen seine


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[0224] Maßgebliches und Unmaßgebliches Meldung auf einer Täuschung oder einem Mißverständnis beruhte. Nun kam aber in der Abgeordnetenkammer der Führer der Liberalen, Abgeordneter Casselmann, darauf zurück und behauptete, daß es Zeugen dafür gebe, daß der Bischof ähnliche Äußerungen getan habe. So kam es zu einem heftigen Konflikt, der beinahe zu einer Krisis im Präsidium der Kammer geführt hätte. Die Sache selbst ist noch nicht ganz aufgeklärt. Es scheint, daß der Bischof im Privatgespräch mit Geistlichen bedauernd auf einzelne Auswüchse der politischen Tätigkeit des Klerus hingewiesen hat, was dann sehr leicht so aufgefaßt werden konnte, wie es die Zeitungsmeldung darstellte. Denn die politische Tätigkeit der Geistlichen, die sie in Konflikte mit ihren seelsorgerischen Pflichten bringt, kann nur eine solche sein, die im Dienste der Zentrumspartei ausgeübt wird. Einen katholischen Geistlichen vor allzu eifriger politischer Tätigkeit warnen, heißt soviel als ihn vor dem Zentrum warnen. Das ist inhaltlich unbestreitbar richtig, weil keine andre Partei in Frage kommt. In der Form kommt es natürlich nicht ganz auf dasselbe hinaus, und es ist begreiflich, daß sich der Bischof sehr energisch dagegen verwahrt, so etwas gesagt zu haben. Denn das Zentrum würde sich die Gelegenheit nicht entgehn lassen, einem Bischof, der sich in solchem Sinne äußert, das Leben ganz gehörig sauer zu machen. Bei der Besprechung der allgemeinen politischen Lage, die die ersten Ver¬ handlungstage der bayrischen Kammer ausfüllte, spielten selbstverständlich auch die Finanzfragen eine große Rolle, und es zeigte sich dabei, wie dringlich die Frage der Reichsfinanzreform geworden ist. Fast noch mehr trat dies in der Thronrede hervor, mit der der sächsische Landtag eröffnet wurde. Es wurde zwar nicht direkt darin gesagt, wohl aber angedeutet, wie schwierig für die meisten deutscheu Bundes- staaten eine geordnete Finanzwirtschaft unter den gegenwärtigen Finanzverhältnissen des Reichs geworden ist. Das ist eine alte Klage, und es gäbe wohl Mittel genug, ihr abzuhelfen, aber jedes dieser Mittel verstößt gegen irgendein Prinzip, das teils aus staatsrechtlichen, teils aus parteipolitischer Gründen nicht so leicht um¬ gestoßen werden kann. staatsrechtliche Gründe fordern die Aufrechterhaltung der Finanzhoheit der Einzelstaaten; man will den bundesstaatlichen Charakter des Reichs nicht antasten. Die Einrichtung direkter Reichssteuern aber würde allerdings einen sehr fühlbaren Eingriff in die einzelstaatliche Finanzhoheit bedeuten. So muß vor¬ läufig an dem verfassungsmäßigen Grundsatze festgehalten werden, daß dem Reiche nur indirekte Steuern als Finanzquellen zur Verfügung stehn. Aber gerade gegen die ergiebigsten und gerechtesten dieser Steuerquellen sträubt sich die Tradition der Parteien, die angeblich die Interessen der breiten Volksmassen vertreten. Das volks¬ tümlich wirksame Schlagwort verbündet sich hier mit den Sonderinteressen großer wirtschaftlicher Erwerbszweige. Solange die nicht notwendig zum Leben gehörenden und doch für viele fast unentbehrlichen Massenkonsumartikel wie Bier und Tabak einer vernünftigen und keineswegs störend wirkenden Besteuerung entzogen bleiben — denn die bisherige Art der Besteuerung genügt nicht —, wird den Reichsfinanzen kaum aufzuhelfen sein. Es war vorhin von dem politischen Druck die Rede, den das Zentrum, wo es dies für nötig hält, ungescheut auf die Würdenträger der katholischen Kirche auszuüben pflegt. In noch viel stärkeren Maße wird dieser Druck von polnischer Seite im nationalen Interesse geübt. Am schärfsten ist dies in der Diözese Kulm in Westpreußen zum Ausdruck gekommen, wo die polnischen Geistlichen ganz offen gegen ihren Bischof aufgetreten sind, weil er sich den polnischen Forderungen nicht gefügig genug gezeigt hat. Eingeweihte wissen, wie schwer schon der verstorbne Erzbischof von Posen und Gnesen, Florian von Stablewski, der doch im Herzen gewiß ein guter Pole war, unter dem Trotz und Fanatismus seiner Geistlichkeit zu leiden hatte. Dem todkranken, nicht mehr widerstandsfähigen Manne wurde noch zuletzt jener bekannte Erlaß abgepreßt, worin sich der Erzbischof gegen seine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/224>, abgerufen am 17.06.2024.