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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Betrachtungen zu den Raisermanövern von ^90?

Nadfahrerabteilungen im Kriege zu improvisieren. Unser Standpunkt ist der,
daß eine bestimmte Entscheidung nach der einen oder der andern Richtung
schon jetzt gefaßt werden sollte. Die oft besprochnen Vor- und Nachteile einer
Radfahrertruppe müssen an sach- und sachkundiger Stelle gegeneinander ab¬
gewogen und zu einem abschließenden Urteil gefördert werden können. Nad¬
fahrerkompagnien erst im Mobilmachungsfall zu organisieren, erscheint uns aber
keinesfalls als der gangbarste Weg, ganz abgesehn davon, daß wir etatsmäßig
insgesamt nnr 110 Radfahrer bei jeder Division haben, und daß mindestens
ein Teil dieser Leute für den Dienst unmittelbar bei der Truppe unentbehrlich
ist. Selbst für den Fall, daß das Motorrad mehr noch als gegenwärtig zum
Gebrauch beider Truppe herangezogen werden sollte, wird der einzelne Truppenteil
auf den Radfahrer mit der jetzt gebräuchlichen Maschine nicht verzichten können.
Vielfach wird ja auch bei uns von feiten der Anhänger geschlossener Radfahrer-
formationen auf das von der belgischen, italienischen und französischen Armee
gegebne Beispiel hingewiesen. Die hier vorhandnen Radfahrerkompagnien sind
schon wiederholt als ideale Vorbilder bezeichnet worden. notorisch aber ist,
daß man zum Beispiel in hohen militärischen Kreisen Frankreichs heute durchaus
nicht nur des Lobes voll ist vou dieser Organisation, trotz der vorübergehend
guten Leistungen, die in den Manövern von 1905 mit dem Radfahrerbataillon
des Majors Gerard erreicht worden sind. Es hat deshalb bis jetzt nicht nur
keine Neuaufstellung von Radfahrerbataillonen stattgefunden, sondern auch die
beabsichtigte Vermehrung von Nadfahrerkompagnien, die von 6 bis auf 22
gebracht werden sollten, ist bis zur Stunde noch unterblieben.

Während also über die Geeignetheit von Radfahrerabteilungen bei uns auch
nach den diesjährigen großen Herbstübungen die Meinungen noch auseinander
gehn, was die Maschinengewehrabteilungen anlangt, stimmt das Urteil
dahin überein, daß sie von größtem Nutzen sind und sich bei jeder Gelegenheit
sowohl zur Unterstützung des Jnfanteriegefechts als auch bei den Kavallerie¬
divisionen bewährt haben. Es wäre darum nur freudig zu begrüßen, wenn es
sich bestätigen sollte, daß die bis jetzt bei den preußischen Truppenteilen vor¬
handnen 13 Maschinengewehrabteilungen sämtlich der Kavallerie überwiesen
werden sollen, während für die Infanterie neue Abteilungen dieser Art auf¬
gestellt würden. Vorderhand haben wir ja in dieser Bewaffnung vor unsern
beiden Verbündeten noch einen ziemlichen Vorsprung voraus, und auch die
französische Armee hat uns darin noch nicht erreicht. In Frankreich ist man
aber mit allem Nachdruck an der Arbeit, das Versäumte nachzuholen. Die zu
Beginn des Jahres der Waffenfabrik Se. Etienne in Auftrag gegebnen
500 Maschinengewehre sind soeben abgeliefert worden, und weitere 800 Stück
sollen demnächst bestellt und teils ebenfalls in Se. Etienne, teils in der
eigens für diese Zwecke hergestellten Werkstatt im Arsenal von Toulouse an¬
gefertigt werden. Noch vor Ablauf dieses Jahres will die französische Heeres¬
leitung 3 Maschinengcwehrabteilungeu für die Infanterie aufstellen und zugleich


Betrachtungen zu den Raisermanövern von ^90?

Nadfahrerabteilungen im Kriege zu improvisieren. Unser Standpunkt ist der,
daß eine bestimmte Entscheidung nach der einen oder der andern Richtung
schon jetzt gefaßt werden sollte. Die oft besprochnen Vor- und Nachteile einer
Radfahrertruppe müssen an sach- und sachkundiger Stelle gegeneinander ab¬
gewogen und zu einem abschließenden Urteil gefördert werden können. Nad¬
fahrerkompagnien erst im Mobilmachungsfall zu organisieren, erscheint uns aber
keinesfalls als der gangbarste Weg, ganz abgesehn davon, daß wir etatsmäßig
insgesamt nnr 110 Radfahrer bei jeder Division haben, und daß mindestens
ein Teil dieser Leute für den Dienst unmittelbar bei der Truppe unentbehrlich
ist. Selbst für den Fall, daß das Motorrad mehr noch als gegenwärtig zum
Gebrauch beider Truppe herangezogen werden sollte, wird der einzelne Truppenteil
auf den Radfahrer mit der jetzt gebräuchlichen Maschine nicht verzichten können.
Vielfach wird ja auch bei uns von feiten der Anhänger geschlossener Radfahrer-
formationen auf das von der belgischen, italienischen und französischen Armee
gegebne Beispiel hingewiesen. Die hier vorhandnen Radfahrerkompagnien sind
schon wiederholt als ideale Vorbilder bezeichnet worden. notorisch aber ist,
daß man zum Beispiel in hohen militärischen Kreisen Frankreichs heute durchaus
nicht nur des Lobes voll ist vou dieser Organisation, trotz der vorübergehend
guten Leistungen, die in den Manövern von 1905 mit dem Radfahrerbataillon
des Majors Gerard erreicht worden sind. Es hat deshalb bis jetzt nicht nur
keine Neuaufstellung von Radfahrerbataillonen stattgefunden, sondern auch die
beabsichtigte Vermehrung von Nadfahrerkompagnien, die von 6 bis auf 22
gebracht werden sollten, ist bis zur Stunde noch unterblieben.

Während also über die Geeignetheit von Radfahrerabteilungen bei uns auch
nach den diesjährigen großen Herbstübungen die Meinungen noch auseinander
gehn, was die Maschinengewehrabteilungen anlangt, stimmt das Urteil
dahin überein, daß sie von größtem Nutzen sind und sich bei jeder Gelegenheit
sowohl zur Unterstützung des Jnfanteriegefechts als auch bei den Kavallerie¬
divisionen bewährt haben. Es wäre darum nur freudig zu begrüßen, wenn es
sich bestätigen sollte, daß die bis jetzt bei den preußischen Truppenteilen vor¬
handnen 13 Maschinengewehrabteilungen sämtlich der Kavallerie überwiesen
werden sollen, während für die Infanterie neue Abteilungen dieser Art auf¬
gestellt würden. Vorderhand haben wir ja in dieser Bewaffnung vor unsern
beiden Verbündeten noch einen ziemlichen Vorsprung voraus, und auch die
französische Armee hat uns darin noch nicht erreicht. In Frankreich ist man
aber mit allem Nachdruck an der Arbeit, das Versäumte nachzuholen. Die zu
Beginn des Jahres der Waffenfabrik Se. Etienne in Auftrag gegebnen
500 Maschinengewehre sind soeben abgeliefert worden, und weitere 800 Stück
sollen demnächst bestellt und teils ebenfalls in Se. Etienne, teils in der
eigens für diese Zwecke hergestellten Werkstatt im Arsenal von Toulouse an¬
gefertigt werden. Noch vor Ablauf dieses Jahres will die französische Heeres¬
leitung 3 Maschinengcwehrabteilungeu für die Infanterie aufstellen und zugleich


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[0230] Betrachtungen zu den Raisermanövern von ^90? Nadfahrerabteilungen im Kriege zu improvisieren. Unser Standpunkt ist der, daß eine bestimmte Entscheidung nach der einen oder der andern Richtung schon jetzt gefaßt werden sollte. Die oft besprochnen Vor- und Nachteile einer Radfahrertruppe müssen an sach- und sachkundiger Stelle gegeneinander ab¬ gewogen und zu einem abschließenden Urteil gefördert werden können. Nad¬ fahrerkompagnien erst im Mobilmachungsfall zu organisieren, erscheint uns aber keinesfalls als der gangbarste Weg, ganz abgesehn davon, daß wir etatsmäßig insgesamt nnr 110 Radfahrer bei jeder Division haben, und daß mindestens ein Teil dieser Leute für den Dienst unmittelbar bei der Truppe unentbehrlich ist. Selbst für den Fall, daß das Motorrad mehr noch als gegenwärtig zum Gebrauch beider Truppe herangezogen werden sollte, wird der einzelne Truppenteil auf den Radfahrer mit der jetzt gebräuchlichen Maschine nicht verzichten können. Vielfach wird ja auch bei uns von feiten der Anhänger geschlossener Radfahrer- formationen auf das von der belgischen, italienischen und französischen Armee gegebne Beispiel hingewiesen. Die hier vorhandnen Radfahrerkompagnien sind schon wiederholt als ideale Vorbilder bezeichnet worden. notorisch aber ist, daß man zum Beispiel in hohen militärischen Kreisen Frankreichs heute durchaus nicht nur des Lobes voll ist vou dieser Organisation, trotz der vorübergehend guten Leistungen, die in den Manövern von 1905 mit dem Radfahrerbataillon des Majors Gerard erreicht worden sind. Es hat deshalb bis jetzt nicht nur keine Neuaufstellung von Radfahrerbataillonen stattgefunden, sondern auch die beabsichtigte Vermehrung von Nadfahrerkompagnien, die von 6 bis auf 22 gebracht werden sollten, ist bis zur Stunde noch unterblieben. Während also über die Geeignetheit von Radfahrerabteilungen bei uns auch nach den diesjährigen großen Herbstübungen die Meinungen noch auseinander gehn, was die Maschinengewehrabteilungen anlangt, stimmt das Urteil dahin überein, daß sie von größtem Nutzen sind und sich bei jeder Gelegenheit sowohl zur Unterstützung des Jnfanteriegefechts als auch bei den Kavallerie¬ divisionen bewährt haben. Es wäre darum nur freudig zu begrüßen, wenn es sich bestätigen sollte, daß die bis jetzt bei den preußischen Truppenteilen vor¬ handnen 13 Maschinengewehrabteilungen sämtlich der Kavallerie überwiesen werden sollen, während für die Infanterie neue Abteilungen dieser Art auf¬ gestellt würden. Vorderhand haben wir ja in dieser Bewaffnung vor unsern beiden Verbündeten noch einen ziemlichen Vorsprung voraus, und auch die französische Armee hat uns darin noch nicht erreicht. In Frankreich ist man aber mit allem Nachdruck an der Arbeit, das Versäumte nachzuholen. Die zu Beginn des Jahres der Waffenfabrik Se. Etienne in Auftrag gegebnen 500 Maschinengewehre sind soeben abgeliefert worden, und weitere 800 Stück sollen demnächst bestellt und teils ebenfalls in Se. Etienne, teils in der eigens für diese Zwecke hergestellten Werkstatt im Arsenal von Toulouse an¬ gefertigt werden. Noch vor Ablauf dieses Jahres will die französische Heeres¬ leitung 3 Maschinengcwehrabteilungeu für die Infanterie aufstellen und zugleich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/230>, abgerufen am 17.06.2024.