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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Der Aufstand der deutschen Staatsanleihen, Scheckverkehr

kurzer Zeit dafür angelegt hat. Dennoch ist ihm gesagt worden, daß er etwas
besseres gar nicht kaufen kann. Das ist allerdings richtig, doch muß man sich
um so mehr wundern, daß ein so sicheres Papier einen so empfindlichen Verlust
bringen kann. Deshalb wäre es für jeden Laien eine große Beruhigung, wenn
er imstande wäre, die Ursachen des Kursrückgangs selbst zu beurteilen.

Auch die Änderung, die in den letzten zehn Jahren in der Organisation
des Bankwesens eingetreten ist, sollte allein schon jeden Kapitalbesitzer veran¬
lassen, sich eingehendere Kenntnisse der Verhältnisse auf dem Wertpapiermarkt
zu verschaffen. Die Bildung der Riesenbauten ist mit dadurch erfolgt, daß das
Provinzbankgeschäft in großem Maße den Großbanken angegliedert worden ist.
Vielfach besteht zwar noch die alte Bankfirma weiter, aber in ihr stehn die
Angestellten der Großbanken. Damit ist ein gewaltiger Umschwung zuun¬
gunsten des Privatpublikums eingetreten. Der selbständige Provinzbankier
brachte dem kleinsten Sparer, und wenn er nur hundert Mark anlegen wollte,
dasselbe Interesse entgegen wie dem Begüterten, der über Tausende verfügen
wollte. Denn der ganze Verdienst floß in seine Tasche, und er wußte es zu
schätzen, daß auch die Pfennige Provision aus kleinen Geschäften bis zum
Jahresschluß zu großen Summen anwuchsen. Ganz anders der viel weniger
interessierte Angestellte der Großbank, der in dem Besuche des kleinen Sparers,
des Privatkunden im Gegensatz zum Kaufmann, häufig nur eine unliebsame
Störung sieht. Der Kaufmann erteilt seine Auftrüge kurz und bestimmt,
während der kleine Privatkuude zahlreiche Fragen zu seiner Beruhigung zu
stellen hat, denn ihm ist sein kleines Kapital viel mehr wert als dem Be¬
güterten sein nach Tausenden zählendes. Dazu kommt, daß der Angestellte
oft nicht in der Lage sein wird, die erhellte Auskunft zu erteilen, ihm fehlen
außer dem Interesse vielfach auch die Kenntnisse. Zu seiner Entschuldigung
wird er anführen, daß allein an der Berliner Börse mehr als zweitausend
Wertpapiere gehandelt werden, sodaß es unmöglich sei. über alle unterrichtet
zu sein. Er beschafft also von der Berliner Hauptbank eine schriftliche Aus¬
kunft, die in der bekannten vorsichtigen Weise abgefaßt, in den meisten Fällen
nur sehr wenige Angaben enthält, sodaß auch der Fachmann nicht viel aus
ihr herauslesen kann, geschweige denn der Laie.

Natürlich gibt es Ausnahmen, überwiegend aber haben sich die Verhältnisse
in der geschilderten Weise zuungunsten des Laien verschoben. Ist es also
zunächst das Interesse des eignen Geldbeutels und der Wunsch, sich Beruhigung
zu verschaffen, die den Laien veranlassen sollten, sich nach Möglichkeit von
dem Rat des Bankiers unabhängig zu machen, so kommt noch als zweites in
Betracht, daß die Kurse der Wertpapiere und der Zinssatz der Reichsbank der
Gradmesser für unser gesamtes Wirtschaftsleben sind. Richtet also der Laie
in stcirkerm Maße als bisher sein Augenmerk auf Kursstand und Zinssatz, so
wird auch das bis jetzt nur geringe Interesse des Publikums an unserm
Wirtschaftsleben zunehmen. Das deutsche Publikum sollte sich hier das englische


Der Aufstand der deutschen Staatsanleihen, Scheckverkehr

kurzer Zeit dafür angelegt hat. Dennoch ist ihm gesagt worden, daß er etwas
besseres gar nicht kaufen kann. Das ist allerdings richtig, doch muß man sich
um so mehr wundern, daß ein so sicheres Papier einen so empfindlichen Verlust
bringen kann. Deshalb wäre es für jeden Laien eine große Beruhigung, wenn
er imstande wäre, die Ursachen des Kursrückgangs selbst zu beurteilen.

Auch die Änderung, die in den letzten zehn Jahren in der Organisation
des Bankwesens eingetreten ist, sollte allein schon jeden Kapitalbesitzer veran¬
lassen, sich eingehendere Kenntnisse der Verhältnisse auf dem Wertpapiermarkt
zu verschaffen. Die Bildung der Riesenbauten ist mit dadurch erfolgt, daß das
Provinzbankgeschäft in großem Maße den Großbanken angegliedert worden ist.
Vielfach besteht zwar noch die alte Bankfirma weiter, aber in ihr stehn die
Angestellten der Großbanken. Damit ist ein gewaltiger Umschwung zuun¬
gunsten des Privatpublikums eingetreten. Der selbständige Provinzbankier
brachte dem kleinsten Sparer, und wenn er nur hundert Mark anlegen wollte,
dasselbe Interesse entgegen wie dem Begüterten, der über Tausende verfügen
wollte. Denn der ganze Verdienst floß in seine Tasche, und er wußte es zu
schätzen, daß auch die Pfennige Provision aus kleinen Geschäften bis zum
Jahresschluß zu großen Summen anwuchsen. Ganz anders der viel weniger
interessierte Angestellte der Großbank, der in dem Besuche des kleinen Sparers,
des Privatkunden im Gegensatz zum Kaufmann, häufig nur eine unliebsame
Störung sieht. Der Kaufmann erteilt seine Auftrüge kurz und bestimmt,
während der kleine Privatkuude zahlreiche Fragen zu seiner Beruhigung zu
stellen hat, denn ihm ist sein kleines Kapital viel mehr wert als dem Be¬
güterten sein nach Tausenden zählendes. Dazu kommt, daß der Angestellte
oft nicht in der Lage sein wird, die erhellte Auskunft zu erteilen, ihm fehlen
außer dem Interesse vielfach auch die Kenntnisse. Zu seiner Entschuldigung
wird er anführen, daß allein an der Berliner Börse mehr als zweitausend
Wertpapiere gehandelt werden, sodaß es unmöglich sei. über alle unterrichtet
zu sein. Er beschafft also von der Berliner Hauptbank eine schriftliche Aus¬
kunft, die in der bekannten vorsichtigen Weise abgefaßt, in den meisten Fällen
nur sehr wenige Angaben enthält, sodaß auch der Fachmann nicht viel aus
ihr herauslesen kann, geschweige denn der Laie.

Natürlich gibt es Ausnahmen, überwiegend aber haben sich die Verhältnisse
in der geschilderten Weise zuungunsten des Laien verschoben. Ist es also
zunächst das Interesse des eignen Geldbeutels und der Wunsch, sich Beruhigung
zu verschaffen, die den Laien veranlassen sollten, sich nach Möglichkeit von
dem Rat des Bankiers unabhängig zu machen, so kommt noch als zweites in
Betracht, daß die Kurse der Wertpapiere und der Zinssatz der Reichsbank der
Gradmesser für unser gesamtes Wirtschaftsleben sind. Richtet also der Laie
in stcirkerm Maße als bisher sein Augenmerk auf Kursstand und Zinssatz, so
wird auch das bis jetzt nur geringe Interesse des Publikums an unserm
Wirtschaftsleben zunehmen. Das deutsche Publikum sollte sich hier das englische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/30>, abgerufen am 10.06.2024.