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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Das Recht am Titel, Orden und Ehrenzeichen

der bürgerlichen Rechtsordnung bezweckt. Doch das kann auf sich beruhen, da
wenigstens der Sprachgebrauch nicht entgegensteht, und zum Beispiel auch nach
dem preußischen Gesetz vom 18. Januar 1810 der König mit dem Verlust der
Orden und Ehrenzeichen alle dem Begriff der Ehre zuwiderlaufenden Hand¬
lungen "bestrafen" will und dieser Verlust der "gewöhnlichen Strafe des Gesetzes"
hinzutreten soll.

Fehlt es auch sonst im gemeinen öffentlichen Recht an gesetzlichen, auf
Beseitigung der landesherrlichen Entziehungsbefugnis abzielenden Bestimmungen,
so handelt es sich nur noch um die Rechtslage in Preußen. In dieser Be¬
ziehung würde Anlaß zu Zweifeln gegeben sein, wenn mit der Einführung der
Verfassung vom 31. Januar 1850 ohne Rücksicht auf den geschichtlichen Zu¬
sammenhang der frühere Rechtszustand ins Nichts versenkt und ein völlig neuer
ins Leben gerufen worden wäre. Bei dieser Annahme möchte es fraglich er¬
scheinen, ob dem Könige neben dem Recht zur Verleihung (Art. 50) zugleich
das zur Entziehung von Orden und andern Auszeichnungen zugestanden werde,
ferner ob die letzte Befugnis mit der Vorschrift des Art. 8 in Übereinstimmung
zu bringen sei, wonach "Strafen nur in Gemäßheit des Gesetzes angedroht
oder verhängt werden können". Hält man hingegen an dem Grundsatz fest, daß
dem Monarchen alle Rechte verblieben sind, die er vor der Einführung der
Verfassung gehabt hat, und daß diese ihm nicht entzogen worden sind,
und erwägt, daß sich die dem König unstreitig vorher zustehende Eutziehungs-
befugnis -- wäre sie auch als Recht zur Verhängung von Strafen zu ver¬
stehen -- auf eine staatsrechtliche Norm, nach Reichsrecht (Z 376 der Strafproze߬
ordnung) ein Gesetz, zurückführt, so erweisen sich die Zweifel als unbegründet.

Abzuweisen ist auch die Folgerung aus dem Stillschweigen der Verfassungs¬
urkunde, und nicht minder bedenklich erscheint die zu demselben Ergebnis führende
Auslegung des Staatsgrundgesetzes. In bezug auf den ersten Punkt wäre es
kaum verständlich, daß hier die Entziehung eines wichtigen Hoheitsrechts nicht
ausdrücklich erwähnt sein sollte, während Art. 50 selbst eine Einschränkung hin¬
sichtlich der mit Vorrechten verbundnen Auszeichnungen getroffen und Art. 49
neben der Anerkennung des Rechts der Begnadigung und Strafmilderung das
der Abolition der Regel nach ausgeschlossen hat. So ist denn auch, und hieran
scheitert der Versuch einer abweichenden Auslegung, bei den Vorarbeiten zu dem
dem Reichsstrafgesetzbuch zugrunde liegenden, erst nach der Verfassung ein¬
geführten preußischen Strafgesetzbuch vom 14. April 1851 mit Nachdruck fest¬
gestellt worden, es solle durch Aufnahme der den ZK 33 und 34 entsprechenden
Bestimmungen zwar die der Krone bis dahin ausschließlich zustehende Befugnis
insoweit den Strafgerichten übertragen, nicht aber darüber hinaus das
Entziehnngsrecht des Königs geschmälert werden.

Wenn hier dem Entziehuugsrecht des Landesherrn als einem einstweiligen
Notbehelf das Wort geredet wird, so bedeutet dieser kleine Überrest von Kabiuetts-
justiz keine dringende Gefahr für das Rechtsleben. Von "Willkür" auf der einen,


Das Recht am Titel, Orden und Ehrenzeichen

der bürgerlichen Rechtsordnung bezweckt. Doch das kann auf sich beruhen, da
wenigstens der Sprachgebrauch nicht entgegensteht, und zum Beispiel auch nach
dem preußischen Gesetz vom 18. Januar 1810 der König mit dem Verlust der
Orden und Ehrenzeichen alle dem Begriff der Ehre zuwiderlaufenden Hand¬
lungen „bestrafen" will und dieser Verlust der „gewöhnlichen Strafe des Gesetzes"
hinzutreten soll.

Fehlt es auch sonst im gemeinen öffentlichen Recht an gesetzlichen, auf
Beseitigung der landesherrlichen Entziehungsbefugnis abzielenden Bestimmungen,
so handelt es sich nur noch um die Rechtslage in Preußen. In dieser Be¬
ziehung würde Anlaß zu Zweifeln gegeben sein, wenn mit der Einführung der
Verfassung vom 31. Januar 1850 ohne Rücksicht auf den geschichtlichen Zu¬
sammenhang der frühere Rechtszustand ins Nichts versenkt und ein völlig neuer
ins Leben gerufen worden wäre. Bei dieser Annahme möchte es fraglich er¬
scheinen, ob dem Könige neben dem Recht zur Verleihung (Art. 50) zugleich
das zur Entziehung von Orden und andern Auszeichnungen zugestanden werde,
ferner ob die letzte Befugnis mit der Vorschrift des Art. 8 in Übereinstimmung
zu bringen sei, wonach „Strafen nur in Gemäßheit des Gesetzes angedroht
oder verhängt werden können". Hält man hingegen an dem Grundsatz fest, daß
dem Monarchen alle Rechte verblieben sind, die er vor der Einführung der
Verfassung gehabt hat, und daß diese ihm nicht entzogen worden sind,
und erwägt, daß sich die dem König unstreitig vorher zustehende Eutziehungs-
befugnis — wäre sie auch als Recht zur Verhängung von Strafen zu ver¬
stehen — auf eine staatsrechtliche Norm, nach Reichsrecht (Z 376 der Strafproze߬
ordnung) ein Gesetz, zurückführt, so erweisen sich die Zweifel als unbegründet.

Abzuweisen ist auch die Folgerung aus dem Stillschweigen der Verfassungs¬
urkunde, und nicht minder bedenklich erscheint die zu demselben Ergebnis führende
Auslegung des Staatsgrundgesetzes. In bezug auf den ersten Punkt wäre es
kaum verständlich, daß hier die Entziehung eines wichtigen Hoheitsrechts nicht
ausdrücklich erwähnt sein sollte, während Art. 50 selbst eine Einschränkung hin¬
sichtlich der mit Vorrechten verbundnen Auszeichnungen getroffen und Art. 49
neben der Anerkennung des Rechts der Begnadigung und Strafmilderung das
der Abolition der Regel nach ausgeschlossen hat. So ist denn auch, und hieran
scheitert der Versuch einer abweichenden Auslegung, bei den Vorarbeiten zu dem
dem Reichsstrafgesetzbuch zugrunde liegenden, erst nach der Verfassung ein¬
geführten preußischen Strafgesetzbuch vom 14. April 1851 mit Nachdruck fest¬
gestellt worden, es solle durch Aufnahme der den ZK 33 und 34 entsprechenden
Bestimmungen zwar die der Krone bis dahin ausschließlich zustehende Befugnis
insoweit den Strafgerichten übertragen, nicht aber darüber hinaus das
Entziehnngsrecht des Königs geschmälert werden.

Wenn hier dem Entziehuugsrecht des Landesherrn als einem einstweiligen
Notbehelf das Wort geredet wird, so bedeutet dieser kleine Überrest von Kabiuetts-
justiz keine dringende Gefahr für das Rechtsleben. Von „Willkür" auf der einen,


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[0414] Das Recht am Titel, Orden und Ehrenzeichen der bürgerlichen Rechtsordnung bezweckt. Doch das kann auf sich beruhen, da wenigstens der Sprachgebrauch nicht entgegensteht, und zum Beispiel auch nach dem preußischen Gesetz vom 18. Januar 1810 der König mit dem Verlust der Orden und Ehrenzeichen alle dem Begriff der Ehre zuwiderlaufenden Hand¬ lungen „bestrafen" will und dieser Verlust der „gewöhnlichen Strafe des Gesetzes" hinzutreten soll. Fehlt es auch sonst im gemeinen öffentlichen Recht an gesetzlichen, auf Beseitigung der landesherrlichen Entziehungsbefugnis abzielenden Bestimmungen, so handelt es sich nur noch um die Rechtslage in Preußen. In dieser Be¬ ziehung würde Anlaß zu Zweifeln gegeben sein, wenn mit der Einführung der Verfassung vom 31. Januar 1850 ohne Rücksicht auf den geschichtlichen Zu¬ sammenhang der frühere Rechtszustand ins Nichts versenkt und ein völlig neuer ins Leben gerufen worden wäre. Bei dieser Annahme möchte es fraglich er¬ scheinen, ob dem Könige neben dem Recht zur Verleihung (Art. 50) zugleich das zur Entziehung von Orden und andern Auszeichnungen zugestanden werde, ferner ob die letzte Befugnis mit der Vorschrift des Art. 8 in Übereinstimmung zu bringen sei, wonach „Strafen nur in Gemäßheit des Gesetzes angedroht oder verhängt werden können". Hält man hingegen an dem Grundsatz fest, daß dem Monarchen alle Rechte verblieben sind, die er vor der Einführung der Verfassung gehabt hat, und daß diese ihm nicht entzogen worden sind, und erwägt, daß sich die dem König unstreitig vorher zustehende Eutziehungs- befugnis — wäre sie auch als Recht zur Verhängung von Strafen zu ver¬ stehen — auf eine staatsrechtliche Norm, nach Reichsrecht (Z 376 der Strafproze߬ ordnung) ein Gesetz, zurückführt, so erweisen sich die Zweifel als unbegründet. Abzuweisen ist auch die Folgerung aus dem Stillschweigen der Verfassungs¬ urkunde, und nicht minder bedenklich erscheint die zu demselben Ergebnis führende Auslegung des Staatsgrundgesetzes. In bezug auf den ersten Punkt wäre es kaum verständlich, daß hier die Entziehung eines wichtigen Hoheitsrechts nicht ausdrücklich erwähnt sein sollte, während Art. 50 selbst eine Einschränkung hin¬ sichtlich der mit Vorrechten verbundnen Auszeichnungen getroffen und Art. 49 neben der Anerkennung des Rechts der Begnadigung und Strafmilderung das der Abolition der Regel nach ausgeschlossen hat. So ist denn auch, und hieran scheitert der Versuch einer abweichenden Auslegung, bei den Vorarbeiten zu dem dem Reichsstrafgesetzbuch zugrunde liegenden, erst nach der Verfassung ein¬ geführten preußischen Strafgesetzbuch vom 14. April 1851 mit Nachdruck fest¬ gestellt worden, es solle durch Aufnahme der den ZK 33 und 34 entsprechenden Bestimmungen zwar die der Krone bis dahin ausschließlich zustehende Befugnis insoweit den Strafgerichten übertragen, nicht aber darüber hinaus das Entziehnngsrecht des Königs geschmälert werden. Wenn hier dem Entziehuugsrecht des Landesherrn als einem einstweiligen Notbehelf das Wort geredet wird, so bedeutet dieser kleine Überrest von Kabiuetts- justiz keine dringende Gefahr für das Rechtsleben. Von „Willkür" auf der einen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/414>, abgerufen am 09.06.2024.