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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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August Apel, eine Studie aus dem alten Leipzig

aller Leipziger Gärten gemacht. Heute ist er längst von der Dorotheenstrnße
und ihren Nachbarstraßen überbaut, und nur die von Balthasar Permoser einst
kunstreich gemeißelten vier Götterstatuen erinnern noch an die alte Pracht: aber
August der Starke, den nicht nur die Wasserbahnen und Bosketts, nicht nur
die künstlichen Terrassen und der steinerne Olymp, sondern auch die Drap-
und Seidenfärbereien seines Gastgebers interessierten, besuchte ihn regelmäßig,
und noch Goethe nannte "die Entree des Apelschen Garten königlich" und
glaubte dort in die elysüischen Gefilde versetzt zu sein.

Ein Urenkel jenes Dietrich Andreas Apel (gestorben 1718) war Johann
August Apel. Geboren am 17. September 1771 als Sohn eines Leipziger
Bürgermeisters, erst im häuslichen Unterricht, dann auf der Thomasschule
gründlich gebildet, hatte er auf den Universitäten seiner Vaterstadt und Witten-
bergs die Rechtswissenschaft studiert, sich aber dabei der Tradition seiner
Familie und der eignen Neigung gemäß auch eine sehr sorgfältige und um¬
fassende allgemeine Bildung angeeignet. Durch seinen Reichtum ein durchaus
unabhängiger Mann eröffnete er doch als Hofgerichts-Konsistorialadvokat eine
Anwaltspraxis und nahm 1801 auch das Amt eines Leipziger Ratsherrn auf
sich. Von seinem äußern Leben ist nicht allzuviel bekannt. In der kältern
Jahreszeit wohnte er meist in seinem Hause auf dem "Neuen Neumarkt" (Ur. 18),
im Sommer dagegen auf dem schon vom Vater ererbten Rittergute Ermlitz
bei Schkeuditz. Dieses Rittergut, noch heute im Besitze der Familie Apel, strahlt
die Reize, die es zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts zu einem bevor¬
zugten Sitz eines Leipziger Patriziers machten, fast unverändert wieder. Ein
behaglicher, zweistöckiger schloßähnlicher Bau mit hohem Mansardendach, das
in sich ein sehr geräumiges drittes Stockwerk enthält, kehrt es die eine Lang¬
seite dem geräumigen Wirtschaftshof, die andre schönere dem herrlichen, von
uralten Kastanien beschatteten Garten zu, der sich in Terrassen zur grünen
Elsteraue hinuntersenkt und dort in den natürlichen, den Fluß begleitenden
hochwipfligen Laubwald übergeht. Noch heute zeigen mehrere Zimmer des
obern Stockwerks und der Mansarde die alte Rokokoeinrichtung, die Bibliothek
aber und das Archiv enthalten zahlreiche wertvolle Familienbilder, seltne In¬
kunabeln und reiche handschriftliche Schätze an Briefen, Tagebüchern, Konzepten
und dergleichen aus allen den Zeiten, in denen die Familie Apel eine Rolle
spielte, darunter auch eine Anzahl noch unveröffentlichter Briefe Richard
Wagners.

Von dem Leben und Treiben in Ermlitz zu August Apels Zeit hat uns
einer seiner literarischen Freunde, Friedrich Laun, im zweiten Teile seiner
"Memoiren" (Bunzlau, 1837, S. 6 f.) ein anschauliches Bild überliefert: "Ich
verlebte dort mit ihr ^Apels Mutter^, ihrem Sohne und einem vorzüglich aus
ältern, jüngern und ganz jungen Personen weiblichen Geschlechts bestehenden
Kreise eine überaus angenehme Woche. Die Tage verflogen unter den mancherlei
Beschäftigungen eines angenehmen Müßiggangs. Aus dem schönen Schloß-


August Apel, eine Studie aus dem alten Leipzig

aller Leipziger Gärten gemacht. Heute ist er längst von der Dorotheenstrnße
und ihren Nachbarstraßen überbaut, und nur die von Balthasar Permoser einst
kunstreich gemeißelten vier Götterstatuen erinnern noch an die alte Pracht: aber
August der Starke, den nicht nur die Wasserbahnen und Bosketts, nicht nur
die künstlichen Terrassen und der steinerne Olymp, sondern auch die Drap-
und Seidenfärbereien seines Gastgebers interessierten, besuchte ihn regelmäßig,
und noch Goethe nannte „die Entree des Apelschen Garten königlich" und
glaubte dort in die elysüischen Gefilde versetzt zu sein.

Ein Urenkel jenes Dietrich Andreas Apel (gestorben 1718) war Johann
August Apel. Geboren am 17. September 1771 als Sohn eines Leipziger
Bürgermeisters, erst im häuslichen Unterricht, dann auf der Thomasschule
gründlich gebildet, hatte er auf den Universitäten seiner Vaterstadt und Witten-
bergs die Rechtswissenschaft studiert, sich aber dabei der Tradition seiner
Familie und der eignen Neigung gemäß auch eine sehr sorgfältige und um¬
fassende allgemeine Bildung angeeignet. Durch seinen Reichtum ein durchaus
unabhängiger Mann eröffnete er doch als Hofgerichts-Konsistorialadvokat eine
Anwaltspraxis und nahm 1801 auch das Amt eines Leipziger Ratsherrn auf
sich. Von seinem äußern Leben ist nicht allzuviel bekannt. In der kältern
Jahreszeit wohnte er meist in seinem Hause auf dem „Neuen Neumarkt" (Ur. 18),
im Sommer dagegen auf dem schon vom Vater ererbten Rittergute Ermlitz
bei Schkeuditz. Dieses Rittergut, noch heute im Besitze der Familie Apel, strahlt
die Reize, die es zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts zu einem bevor¬
zugten Sitz eines Leipziger Patriziers machten, fast unverändert wieder. Ein
behaglicher, zweistöckiger schloßähnlicher Bau mit hohem Mansardendach, das
in sich ein sehr geräumiges drittes Stockwerk enthält, kehrt es die eine Lang¬
seite dem geräumigen Wirtschaftshof, die andre schönere dem herrlichen, von
uralten Kastanien beschatteten Garten zu, der sich in Terrassen zur grünen
Elsteraue hinuntersenkt und dort in den natürlichen, den Fluß begleitenden
hochwipfligen Laubwald übergeht. Noch heute zeigen mehrere Zimmer des
obern Stockwerks und der Mansarde die alte Rokokoeinrichtung, die Bibliothek
aber und das Archiv enthalten zahlreiche wertvolle Familienbilder, seltne In¬
kunabeln und reiche handschriftliche Schätze an Briefen, Tagebüchern, Konzepten
und dergleichen aus allen den Zeiten, in denen die Familie Apel eine Rolle
spielte, darunter auch eine Anzahl noch unveröffentlichter Briefe Richard
Wagners.

Von dem Leben und Treiben in Ermlitz zu August Apels Zeit hat uns
einer seiner literarischen Freunde, Friedrich Laun, im zweiten Teile seiner
„Memoiren" (Bunzlau, 1837, S. 6 f.) ein anschauliches Bild überliefert: „Ich
verlebte dort mit ihr ^Apels Mutter^, ihrem Sohne und einem vorzüglich aus
ältern, jüngern und ganz jungen Personen weiblichen Geschlechts bestehenden
Kreise eine überaus angenehme Woche. Die Tage verflogen unter den mancherlei
Beschäftigungen eines angenehmen Müßiggangs. Aus dem schönen Schloß-


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[0416] August Apel, eine Studie aus dem alten Leipzig aller Leipziger Gärten gemacht. Heute ist er längst von der Dorotheenstrnße und ihren Nachbarstraßen überbaut, und nur die von Balthasar Permoser einst kunstreich gemeißelten vier Götterstatuen erinnern noch an die alte Pracht: aber August der Starke, den nicht nur die Wasserbahnen und Bosketts, nicht nur die künstlichen Terrassen und der steinerne Olymp, sondern auch die Drap- und Seidenfärbereien seines Gastgebers interessierten, besuchte ihn regelmäßig, und noch Goethe nannte „die Entree des Apelschen Garten königlich" und glaubte dort in die elysüischen Gefilde versetzt zu sein. Ein Urenkel jenes Dietrich Andreas Apel (gestorben 1718) war Johann August Apel. Geboren am 17. September 1771 als Sohn eines Leipziger Bürgermeisters, erst im häuslichen Unterricht, dann auf der Thomasschule gründlich gebildet, hatte er auf den Universitäten seiner Vaterstadt und Witten- bergs die Rechtswissenschaft studiert, sich aber dabei der Tradition seiner Familie und der eignen Neigung gemäß auch eine sehr sorgfältige und um¬ fassende allgemeine Bildung angeeignet. Durch seinen Reichtum ein durchaus unabhängiger Mann eröffnete er doch als Hofgerichts-Konsistorialadvokat eine Anwaltspraxis und nahm 1801 auch das Amt eines Leipziger Ratsherrn auf sich. Von seinem äußern Leben ist nicht allzuviel bekannt. In der kältern Jahreszeit wohnte er meist in seinem Hause auf dem „Neuen Neumarkt" (Ur. 18), im Sommer dagegen auf dem schon vom Vater ererbten Rittergute Ermlitz bei Schkeuditz. Dieses Rittergut, noch heute im Besitze der Familie Apel, strahlt die Reize, die es zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts zu einem bevor¬ zugten Sitz eines Leipziger Patriziers machten, fast unverändert wieder. Ein behaglicher, zweistöckiger schloßähnlicher Bau mit hohem Mansardendach, das in sich ein sehr geräumiges drittes Stockwerk enthält, kehrt es die eine Lang¬ seite dem geräumigen Wirtschaftshof, die andre schönere dem herrlichen, von uralten Kastanien beschatteten Garten zu, der sich in Terrassen zur grünen Elsteraue hinuntersenkt und dort in den natürlichen, den Fluß begleitenden hochwipfligen Laubwald übergeht. Noch heute zeigen mehrere Zimmer des obern Stockwerks und der Mansarde die alte Rokokoeinrichtung, die Bibliothek aber und das Archiv enthalten zahlreiche wertvolle Familienbilder, seltne In¬ kunabeln und reiche handschriftliche Schätze an Briefen, Tagebüchern, Konzepten und dergleichen aus allen den Zeiten, in denen die Familie Apel eine Rolle spielte, darunter auch eine Anzahl noch unveröffentlichter Briefe Richard Wagners. Von dem Leben und Treiben in Ermlitz zu August Apels Zeit hat uns einer seiner literarischen Freunde, Friedrich Laun, im zweiten Teile seiner „Memoiren" (Bunzlau, 1837, S. 6 f.) ein anschauliches Bild überliefert: „Ich verlebte dort mit ihr ^Apels Mutter^, ihrem Sohne und einem vorzüglich aus ältern, jüngern und ganz jungen Personen weiblichen Geschlechts bestehenden Kreise eine überaus angenehme Woche. Die Tage verflogen unter den mancherlei Beschäftigungen eines angenehmen Müßiggangs. Aus dem schönen Schloß-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/416>, abgerufen am 10.06.2024.