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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

gehorchten. Deshalb haben sich die Polen in einer Weise organisieren können,
die jetzt vollständig die Bildung eines Staats im Staate bedeutet. Während die
Polen schon seit dem Jahre 1831 zielbewußt daran gearbeitet haben, sich diese
nationale Sonderorgcmisatton zu schaffen, mit der sie allen Möglichkeiten der Zu¬
kunft gerüstet gegcnüberzustehn hoffen, hat der preußische Staat erst im Jahre 1886
angefangen, die bis dahin nur privatim und inoffiziell bestehende Kenntnis der
wirklichen Lage öffentlich zu vertreten und aus dieser Kenntnis praktische Folgerungen
zu ziehen. Daß die ersten Versuche nach dieser Richtung hin den von der pol¬
nischen Organisation erlangten, ungeheuern Vorsprung nicht sogleich einholen konnten,
versteht sich eigentlich von selbst, ebenso, daß die Polen zunächst mit Hilfe ihrer
bis dahin ganz in der Stille gehegten Organisation ganz neue und bedeutende
Kraftanstrengungen machen konnten, die den zum größten Teil ahnungslosen Deutschen
völlig überraschend kamen, während die Deutschen selbst der neuen Lage und den
daraus erwachsenden Aufgaben noch unsicher tastend gegenüberstanden. Wenn aber
jetzt von oberflächlich Urteilenden so getan wird, als seien diese unbequemen Fort¬
schritte des Polentums die Folge von ungeschickten und verkehrten Maßnahmen der
preußischen Politik, als hätten sich die bis dahin harmlos als gute preußische Unter¬
tanen hindämmernden Polen, die nur ihre Sprache und Sitte sowie als wehmütigen
Traum ihre nationalen Erinnerungen bewahren wollten, erst infolge der "Verfolgung"
und "Bedrückung" zu verzweifelter Gegenwehr aufgerafft und nun erst mit der Kraft
des unschuldig Leidenden ihre Organisation geschaffen, so ist das eine Ansicht, die
dem Wissenden als der Gipfel der Lächerlichkeit und Torheit erscheinen muß.

Aber es bleibt natürlich der Einwand, daß die tatsächliche Enttäuschung, die
die bisherige Arbeit der Ansiedlungskommission gebracht hat, es zweifelhaft er¬
scheinen läßt, ob man gut tut, durch gewaltsame Mittel den Fortgang dieser Arbeit
weiter zu erzwingen, nachdem die wirtschaftliche Erstarkung der Polen die Hoffnung,
sie gutwillig auf dem Wege des einfachen Kaufgeschäfts von allen gefährlichen
Punkten zu verdrängen, als trügerisch erwiesen hat. Die Sache ist jedoch so ernst
und bedeutsam, berührt so sehr Existenzfragen des Staates, daß man sich vor einem
allzu eilfertigen Pessimismus ebenso sehr hüten muß wie vor einem unüberlegten
Optimismus. Die Frage, ob die bisherige Ansiedlungspolitik wirksam gewesen ist,
läßt sich nicht aus oberflächlichen Eindrücken und vorgefaßten Parteimeinungen be¬
antworten. Daß die preußische Ostmarkenpolitik bisher nicht die vollen Wirkungen
gehabt hat, die sich der ungeduldige Patriot zu erwarten berechtigt glaubt, ist gar
nicht zu leugnen. Wir wollen dabei noch gar nicht einmal in Rechnung stellen,
daß sich der Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts einbildet, wenn er selbst mit
Dampf und Elektrizität fährt statt -- wie zu der Väter Zeiten -- mit der Post¬
kutsche, so müsse nun auch das Getreide schneller wachsen und jede Kulturentwicklung
im Blitzzugtempo vor sich gehn. Aber es ist richtig, daß jede Ostmarkenpolitik,
das heißt jede Gegenwirkung des Staats gegen die mit den Interessen Preußens
schlechterdings unvereinbarer Bestrebungen der Polen, immer hinter den wünschens¬
werten Wirkungen zurückbleiben muß, aus dem einfachen Grunde, weil die Gegen¬
wehr des preußischen Staats gegen das aggressive Polentum überhaupt verspätet
eingesetzt hat. Solche Versäumnisse im Leben der Staaten sind schwer gut zu
machen. Aber ungenügende oder verspätete Wirkung ist nicht Wirkungslosigkeit,
und ein notwendiges Tun darf nicht unterbleiben, weil sein verspäteter Beginn
größre Anstrengungen und besondre Maßregeln fordert.

Es gibt deutliche Anzeichen dafür, daß die Ansiedlungspolitik in den Ostmarken
sehr wohl zu dem gewünschten Ziel führt, wenn sie ihrem Sinn und Zweck gemäß
weiter fortgeführt werden kann. In den Bezirken, in denen sie bis jetzt durch¬
geführt werden konnte, ist die Abwanderung der deutschen Bevölkerung zum Still-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

gehorchten. Deshalb haben sich die Polen in einer Weise organisieren können,
die jetzt vollständig die Bildung eines Staats im Staate bedeutet. Während die
Polen schon seit dem Jahre 1831 zielbewußt daran gearbeitet haben, sich diese
nationale Sonderorgcmisatton zu schaffen, mit der sie allen Möglichkeiten der Zu¬
kunft gerüstet gegcnüberzustehn hoffen, hat der preußische Staat erst im Jahre 1886
angefangen, die bis dahin nur privatim und inoffiziell bestehende Kenntnis der
wirklichen Lage öffentlich zu vertreten und aus dieser Kenntnis praktische Folgerungen
zu ziehen. Daß die ersten Versuche nach dieser Richtung hin den von der pol¬
nischen Organisation erlangten, ungeheuern Vorsprung nicht sogleich einholen konnten,
versteht sich eigentlich von selbst, ebenso, daß die Polen zunächst mit Hilfe ihrer
bis dahin ganz in der Stille gehegten Organisation ganz neue und bedeutende
Kraftanstrengungen machen konnten, die den zum größten Teil ahnungslosen Deutschen
völlig überraschend kamen, während die Deutschen selbst der neuen Lage und den
daraus erwachsenden Aufgaben noch unsicher tastend gegenüberstanden. Wenn aber
jetzt von oberflächlich Urteilenden so getan wird, als seien diese unbequemen Fort¬
schritte des Polentums die Folge von ungeschickten und verkehrten Maßnahmen der
preußischen Politik, als hätten sich die bis dahin harmlos als gute preußische Unter¬
tanen hindämmernden Polen, die nur ihre Sprache und Sitte sowie als wehmütigen
Traum ihre nationalen Erinnerungen bewahren wollten, erst infolge der „Verfolgung"
und „Bedrückung" zu verzweifelter Gegenwehr aufgerafft und nun erst mit der Kraft
des unschuldig Leidenden ihre Organisation geschaffen, so ist das eine Ansicht, die
dem Wissenden als der Gipfel der Lächerlichkeit und Torheit erscheinen muß.

Aber es bleibt natürlich der Einwand, daß die tatsächliche Enttäuschung, die
die bisherige Arbeit der Ansiedlungskommission gebracht hat, es zweifelhaft er¬
scheinen läßt, ob man gut tut, durch gewaltsame Mittel den Fortgang dieser Arbeit
weiter zu erzwingen, nachdem die wirtschaftliche Erstarkung der Polen die Hoffnung,
sie gutwillig auf dem Wege des einfachen Kaufgeschäfts von allen gefährlichen
Punkten zu verdrängen, als trügerisch erwiesen hat. Die Sache ist jedoch so ernst
und bedeutsam, berührt so sehr Existenzfragen des Staates, daß man sich vor einem
allzu eilfertigen Pessimismus ebenso sehr hüten muß wie vor einem unüberlegten
Optimismus. Die Frage, ob die bisherige Ansiedlungspolitik wirksam gewesen ist,
läßt sich nicht aus oberflächlichen Eindrücken und vorgefaßten Parteimeinungen be¬
antworten. Daß die preußische Ostmarkenpolitik bisher nicht die vollen Wirkungen
gehabt hat, die sich der ungeduldige Patriot zu erwarten berechtigt glaubt, ist gar
nicht zu leugnen. Wir wollen dabei noch gar nicht einmal in Rechnung stellen,
daß sich der Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts einbildet, wenn er selbst mit
Dampf und Elektrizität fährt statt — wie zu der Väter Zeiten — mit der Post¬
kutsche, so müsse nun auch das Getreide schneller wachsen und jede Kulturentwicklung
im Blitzzugtempo vor sich gehn. Aber es ist richtig, daß jede Ostmarkenpolitik,
das heißt jede Gegenwirkung des Staats gegen die mit den Interessen Preußens
schlechterdings unvereinbarer Bestrebungen der Polen, immer hinter den wünschens¬
werten Wirkungen zurückbleiben muß, aus dem einfachen Grunde, weil die Gegen¬
wehr des preußischen Staats gegen das aggressive Polentum überhaupt verspätet
eingesetzt hat. Solche Versäumnisse im Leben der Staaten sind schwer gut zu
machen. Aber ungenügende oder verspätete Wirkung ist nicht Wirkungslosigkeit,
und ein notwendiges Tun darf nicht unterbleiben, weil sein verspäteter Beginn
größre Anstrengungen und besondre Maßregeln fordert.

Es gibt deutliche Anzeichen dafür, daß die Ansiedlungspolitik in den Ostmarken
sehr wohl zu dem gewünschten Ziel führt, wenn sie ihrem Sinn und Zweck gemäß
weiter fortgeführt werden kann. In den Bezirken, in denen sie bis jetzt durch¬
geführt werden konnte, ist die Abwanderung der deutschen Bevölkerung zum Still-


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[0548] Maßgebliches und Unmaßgebliches gehorchten. Deshalb haben sich die Polen in einer Weise organisieren können, die jetzt vollständig die Bildung eines Staats im Staate bedeutet. Während die Polen schon seit dem Jahre 1831 zielbewußt daran gearbeitet haben, sich diese nationale Sonderorgcmisatton zu schaffen, mit der sie allen Möglichkeiten der Zu¬ kunft gerüstet gegcnüberzustehn hoffen, hat der preußische Staat erst im Jahre 1886 angefangen, die bis dahin nur privatim und inoffiziell bestehende Kenntnis der wirklichen Lage öffentlich zu vertreten und aus dieser Kenntnis praktische Folgerungen zu ziehen. Daß die ersten Versuche nach dieser Richtung hin den von der pol¬ nischen Organisation erlangten, ungeheuern Vorsprung nicht sogleich einholen konnten, versteht sich eigentlich von selbst, ebenso, daß die Polen zunächst mit Hilfe ihrer bis dahin ganz in der Stille gehegten Organisation ganz neue und bedeutende Kraftanstrengungen machen konnten, die den zum größten Teil ahnungslosen Deutschen völlig überraschend kamen, während die Deutschen selbst der neuen Lage und den daraus erwachsenden Aufgaben noch unsicher tastend gegenüberstanden. Wenn aber jetzt von oberflächlich Urteilenden so getan wird, als seien diese unbequemen Fort¬ schritte des Polentums die Folge von ungeschickten und verkehrten Maßnahmen der preußischen Politik, als hätten sich die bis dahin harmlos als gute preußische Unter¬ tanen hindämmernden Polen, die nur ihre Sprache und Sitte sowie als wehmütigen Traum ihre nationalen Erinnerungen bewahren wollten, erst infolge der „Verfolgung" und „Bedrückung" zu verzweifelter Gegenwehr aufgerafft und nun erst mit der Kraft des unschuldig Leidenden ihre Organisation geschaffen, so ist das eine Ansicht, die dem Wissenden als der Gipfel der Lächerlichkeit und Torheit erscheinen muß. Aber es bleibt natürlich der Einwand, daß die tatsächliche Enttäuschung, die die bisherige Arbeit der Ansiedlungskommission gebracht hat, es zweifelhaft er¬ scheinen läßt, ob man gut tut, durch gewaltsame Mittel den Fortgang dieser Arbeit weiter zu erzwingen, nachdem die wirtschaftliche Erstarkung der Polen die Hoffnung, sie gutwillig auf dem Wege des einfachen Kaufgeschäfts von allen gefährlichen Punkten zu verdrängen, als trügerisch erwiesen hat. Die Sache ist jedoch so ernst und bedeutsam, berührt so sehr Existenzfragen des Staates, daß man sich vor einem allzu eilfertigen Pessimismus ebenso sehr hüten muß wie vor einem unüberlegten Optimismus. Die Frage, ob die bisherige Ansiedlungspolitik wirksam gewesen ist, läßt sich nicht aus oberflächlichen Eindrücken und vorgefaßten Parteimeinungen be¬ antworten. Daß die preußische Ostmarkenpolitik bisher nicht die vollen Wirkungen gehabt hat, die sich der ungeduldige Patriot zu erwarten berechtigt glaubt, ist gar nicht zu leugnen. Wir wollen dabei noch gar nicht einmal in Rechnung stellen, daß sich der Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts einbildet, wenn er selbst mit Dampf und Elektrizität fährt statt — wie zu der Väter Zeiten — mit der Post¬ kutsche, so müsse nun auch das Getreide schneller wachsen und jede Kulturentwicklung im Blitzzugtempo vor sich gehn. Aber es ist richtig, daß jede Ostmarkenpolitik, das heißt jede Gegenwirkung des Staats gegen die mit den Interessen Preußens schlechterdings unvereinbarer Bestrebungen der Polen, immer hinter den wünschens¬ werten Wirkungen zurückbleiben muß, aus dem einfachen Grunde, weil die Gegen¬ wehr des preußischen Staats gegen das aggressive Polentum überhaupt verspätet eingesetzt hat. Solche Versäumnisse im Leben der Staaten sind schwer gut zu machen. Aber ungenügende oder verspätete Wirkung ist nicht Wirkungslosigkeit, und ein notwendiges Tun darf nicht unterbleiben, weil sein verspäteter Beginn größre Anstrengungen und besondre Maßregeln fordert. Es gibt deutliche Anzeichen dafür, daß die Ansiedlungspolitik in den Ostmarken sehr wohl zu dem gewünschten Ziel führt, wenn sie ihrem Sinn und Zweck gemäß weiter fortgeführt werden kann. In den Bezirken, in denen sie bis jetzt durch¬ geführt werden konnte, ist die Abwanderung der deutschen Bevölkerung zum Still-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/548>, abgerufen am 17.06.2024.