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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Von Eckenbrecher mit "Pcidleben in Westafrika"; sie ist eine begeisterte Freundin
der Kolonien: "Ach wie gern tauschte ich alle meine europäische Behaglichkeit im
federnden Abteil des sausenden Zuges ein gegen den südwestafrikanischen Ochsen¬
wagen, der mühsam und schwerfällig mit knarrenden Rädern seinem Ziele entgegen¬
strebt." Farbig und fesselnd geschrieben ist "Ein Farmerheim im Hereroland" von
Helene von Falkenhausen. Der Oberleutnant Stuhlmnnn gibt nach seinen Tagebuch¬
blättern packende Schilderungen aus dem Kriegsleben in Südwestafrika, der Hauptmann
Leszner erzählt in seinen Kameruner Briefen von der Expedition gegen die Menschen¬
fresserstämme der Rumpibcrge und gibt eine vortreffliche Schilderung von dem
Charakter der Neger, die für alle ihre Handlungen nur zwei Triebfedern hätten:
Furcht und Habgier. Es ist hier nicht möglich, alle die anregenden und lehr¬
reichen Schilderungen und Erzählungen dieses fünften Bandes einzeln aufzuführen.
Wir möchten das Buch unsern Lesern, vor allem als ein höchst gediegnes Geschenk
fü <x. G. r die reifere Jugend, angelegentlich empfehlen.


Ein Büchlein für alle Schulen.

Der berühmte Botaniker Johannes
Reinke veröffentlicht (bei Eugen Salzer in Heilbronn 1907) Naturwissen¬
schaftliche Vorträge für alle Stände. Das erste Heft enthält drei Vorträge.
Der erste: "Unser Weltbild", zeigt, wie sich der Mann der Wissenschaft aus den
Steinchen der erfahrungsmäßig ermittelten Tatsachen und dem Kitt der Hypothesen
(ohne Hypothesen keine Wissenschaft!) das Mosaikbild der ihm Angänglichen Welt
aufbaut, und wie das gegenwärtige, auf dem Grunde der Keine-Laplaceschen Hypo¬
these mit Hilfe der zwei Hauptsätze der Wärmelehre konstruierte Weltbild aussieht.
Dabei wird dargelegt, was nach dem heutigen Stande der Forschung erkennbar ist,
was unerkannt bleibt, und unter anderm bemerkt: "Voranssctzungslose Forschung
ist ein Unsinn. Als oberste Voraussetzung gilt, daß in der Natur der Zwang
einer gesetzlichen Ordnung herrscht, durch die alles zusammengehalten wird. Eine
zweite Voraussetzung ist, daß innerhalb des Arbeitsgebiets der Naturforschung nur
natürliche Ursachen zur Wirksamkeit kommen, das heißt Kräfte, die im Ncitnrlaufe
selbst gegeben sind." Der zweite Vortrag umgrenzt "die Wahrheit in Beziehung
auf die Abstammungslehre". Mit der genauen Sonderung dessen, was in dieser
Lehre Tatsache, was Hypothese ist, der bestimmten Angabe dessen, was wir zurzeit
nicht wissen und wahrscheinlich niemals wissen werden, soll nicht gesagt sein, "daß
die Abstammungstheorie in allen ihren Teilen lediglich Spekulation sei. Wenn auch
ein objektiv giltiger Beweis für ihre allgemeine Richtigkeit sich nicht erbringen läßt,
so fehlt es doch keineswegs an einer ansehnlichen Zahl von Argumenten, die sich
als Wahrscheinlichkeitsgründe zu einem Indizienbeweise verbinden lassen, welcher der
großen Mehrzahl der heute lebenden Biologen so einleuchtend erscheint, daß sie die
Abstammungstheorie als die einzige befriedigende Erklärung für die Mannigfaltigkeit
der Arten ansehen. Ich meinesteils, bekennt Reinke, bin so weit gegangen, daß ich
die Abstammungstheorie im Rahmen des Eutwicklnngsprinzips für ein Axiom, das
heißt für eine unabweisliche Forderung bei dem heutigen Stande der Biologie er¬
klärt habe." Der dritte Vortrag, "Haeckel als Biologe", legt aus dem letzten Buche
des unfehlbaren Diktators der modernen Wissenschaft, den "Lebenswnndern", eine
solche Fülle von Proben davon vor, mit welcher Leichtfertigkeit, um nicht zu sagen
Gewissenlosigkeit, der Mann Illusionen, Fiktionen, hohle Phrasen dem glcinbigen
Laienpublikum als Forschungsergebnisse aufbindet, daß es ganz unmöglich ist, ihn
auch nur in seinem eigentlichen Fach, in der Zoologie, fernerhin noch als wissen¬
schaftliche Autorität anzuerkennen. "Wenn alle die, schreibt Reinke mit vollem Recht,
die ihm heute im Chorus zujubeln, eine Ahnung davon hätten, wie sehr Haeckel
sie hinauf, hinab und quer und krumm an der Nase herumführt, sie würden in


Grenzboten IV 1907 71
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Von Eckenbrecher mit „Pcidleben in Westafrika"; sie ist eine begeisterte Freundin
der Kolonien: „Ach wie gern tauschte ich alle meine europäische Behaglichkeit im
federnden Abteil des sausenden Zuges ein gegen den südwestafrikanischen Ochsen¬
wagen, der mühsam und schwerfällig mit knarrenden Rädern seinem Ziele entgegen¬
strebt." Farbig und fesselnd geschrieben ist „Ein Farmerheim im Hereroland" von
Helene von Falkenhausen. Der Oberleutnant Stuhlmnnn gibt nach seinen Tagebuch¬
blättern packende Schilderungen aus dem Kriegsleben in Südwestafrika, der Hauptmann
Leszner erzählt in seinen Kameruner Briefen von der Expedition gegen die Menschen¬
fresserstämme der Rumpibcrge und gibt eine vortreffliche Schilderung von dem
Charakter der Neger, die für alle ihre Handlungen nur zwei Triebfedern hätten:
Furcht und Habgier. Es ist hier nicht möglich, alle die anregenden und lehr¬
reichen Schilderungen und Erzählungen dieses fünften Bandes einzeln aufzuführen.
Wir möchten das Buch unsern Lesern, vor allem als ein höchst gediegnes Geschenk
fü <x. G. r die reifere Jugend, angelegentlich empfehlen.


Ein Büchlein für alle Schulen.

Der berühmte Botaniker Johannes
Reinke veröffentlicht (bei Eugen Salzer in Heilbronn 1907) Naturwissen¬
schaftliche Vorträge für alle Stände. Das erste Heft enthält drei Vorträge.
Der erste: „Unser Weltbild", zeigt, wie sich der Mann der Wissenschaft aus den
Steinchen der erfahrungsmäßig ermittelten Tatsachen und dem Kitt der Hypothesen
(ohne Hypothesen keine Wissenschaft!) das Mosaikbild der ihm Angänglichen Welt
aufbaut, und wie das gegenwärtige, auf dem Grunde der Keine-Laplaceschen Hypo¬
these mit Hilfe der zwei Hauptsätze der Wärmelehre konstruierte Weltbild aussieht.
Dabei wird dargelegt, was nach dem heutigen Stande der Forschung erkennbar ist,
was unerkannt bleibt, und unter anderm bemerkt: „Voranssctzungslose Forschung
ist ein Unsinn. Als oberste Voraussetzung gilt, daß in der Natur der Zwang
einer gesetzlichen Ordnung herrscht, durch die alles zusammengehalten wird. Eine
zweite Voraussetzung ist, daß innerhalb des Arbeitsgebiets der Naturforschung nur
natürliche Ursachen zur Wirksamkeit kommen, das heißt Kräfte, die im Ncitnrlaufe
selbst gegeben sind." Der zweite Vortrag umgrenzt „die Wahrheit in Beziehung
auf die Abstammungslehre". Mit der genauen Sonderung dessen, was in dieser
Lehre Tatsache, was Hypothese ist, der bestimmten Angabe dessen, was wir zurzeit
nicht wissen und wahrscheinlich niemals wissen werden, soll nicht gesagt sein, „daß
die Abstammungstheorie in allen ihren Teilen lediglich Spekulation sei. Wenn auch
ein objektiv giltiger Beweis für ihre allgemeine Richtigkeit sich nicht erbringen läßt,
so fehlt es doch keineswegs an einer ansehnlichen Zahl von Argumenten, die sich
als Wahrscheinlichkeitsgründe zu einem Indizienbeweise verbinden lassen, welcher der
großen Mehrzahl der heute lebenden Biologen so einleuchtend erscheint, daß sie die
Abstammungstheorie als die einzige befriedigende Erklärung für die Mannigfaltigkeit
der Arten ansehen. Ich meinesteils, bekennt Reinke, bin so weit gegangen, daß ich
die Abstammungstheorie im Rahmen des Eutwicklnngsprinzips für ein Axiom, das
heißt für eine unabweisliche Forderung bei dem heutigen Stande der Biologie er¬
klärt habe." Der dritte Vortrag, „Haeckel als Biologe", legt aus dem letzten Buche
des unfehlbaren Diktators der modernen Wissenschaft, den „Lebenswnndern", eine
solche Fülle von Proben davon vor, mit welcher Leichtfertigkeit, um nicht zu sagen
Gewissenlosigkeit, der Mann Illusionen, Fiktionen, hohle Phrasen dem glcinbigen
Laienpublikum als Forschungsergebnisse aufbindet, daß es ganz unmöglich ist, ihn
auch nur in seinem eigentlichen Fach, in der Zoologie, fernerhin noch als wissen¬
schaftliche Autorität anzuerkennen. „Wenn alle die, schreibt Reinke mit vollem Recht,
die ihm heute im Chorus zujubeln, eine Ahnung davon hätten, wie sehr Haeckel
sie hinauf, hinab und quer und krumm an der Nase herumführt, sie würden in


Grenzboten IV 1907 71
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[0553] Maßgebliches und Unmaßgebliches Von Eckenbrecher mit „Pcidleben in Westafrika"; sie ist eine begeisterte Freundin der Kolonien: „Ach wie gern tauschte ich alle meine europäische Behaglichkeit im federnden Abteil des sausenden Zuges ein gegen den südwestafrikanischen Ochsen¬ wagen, der mühsam und schwerfällig mit knarrenden Rädern seinem Ziele entgegen¬ strebt." Farbig und fesselnd geschrieben ist „Ein Farmerheim im Hereroland" von Helene von Falkenhausen. Der Oberleutnant Stuhlmnnn gibt nach seinen Tagebuch¬ blättern packende Schilderungen aus dem Kriegsleben in Südwestafrika, der Hauptmann Leszner erzählt in seinen Kameruner Briefen von der Expedition gegen die Menschen¬ fresserstämme der Rumpibcrge und gibt eine vortreffliche Schilderung von dem Charakter der Neger, die für alle ihre Handlungen nur zwei Triebfedern hätten: Furcht und Habgier. Es ist hier nicht möglich, alle die anregenden und lehr¬ reichen Schilderungen und Erzählungen dieses fünften Bandes einzeln aufzuführen. Wir möchten das Buch unsern Lesern, vor allem als ein höchst gediegnes Geschenk fü <x. G. r die reifere Jugend, angelegentlich empfehlen. Ein Büchlein für alle Schulen. Der berühmte Botaniker Johannes Reinke veröffentlicht (bei Eugen Salzer in Heilbronn 1907) Naturwissen¬ schaftliche Vorträge für alle Stände. Das erste Heft enthält drei Vorträge. Der erste: „Unser Weltbild", zeigt, wie sich der Mann der Wissenschaft aus den Steinchen der erfahrungsmäßig ermittelten Tatsachen und dem Kitt der Hypothesen (ohne Hypothesen keine Wissenschaft!) das Mosaikbild der ihm Angänglichen Welt aufbaut, und wie das gegenwärtige, auf dem Grunde der Keine-Laplaceschen Hypo¬ these mit Hilfe der zwei Hauptsätze der Wärmelehre konstruierte Weltbild aussieht. Dabei wird dargelegt, was nach dem heutigen Stande der Forschung erkennbar ist, was unerkannt bleibt, und unter anderm bemerkt: „Voranssctzungslose Forschung ist ein Unsinn. Als oberste Voraussetzung gilt, daß in der Natur der Zwang einer gesetzlichen Ordnung herrscht, durch die alles zusammengehalten wird. Eine zweite Voraussetzung ist, daß innerhalb des Arbeitsgebiets der Naturforschung nur natürliche Ursachen zur Wirksamkeit kommen, das heißt Kräfte, die im Ncitnrlaufe selbst gegeben sind." Der zweite Vortrag umgrenzt „die Wahrheit in Beziehung auf die Abstammungslehre". Mit der genauen Sonderung dessen, was in dieser Lehre Tatsache, was Hypothese ist, der bestimmten Angabe dessen, was wir zurzeit nicht wissen und wahrscheinlich niemals wissen werden, soll nicht gesagt sein, „daß die Abstammungstheorie in allen ihren Teilen lediglich Spekulation sei. Wenn auch ein objektiv giltiger Beweis für ihre allgemeine Richtigkeit sich nicht erbringen läßt, so fehlt es doch keineswegs an einer ansehnlichen Zahl von Argumenten, die sich als Wahrscheinlichkeitsgründe zu einem Indizienbeweise verbinden lassen, welcher der großen Mehrzahl der heute lebenden Biologen so einleuchtend erscheint, daß sie die Abstammungstheorie als die einzige befriedigende Erklärung für die Mannigfaltigkeit der Arten ansehen. Ich meinesteils, bekennt Reinke, bin so weit gegangen, daß ich die Abstammungstheorie im Rahmen des Eutwicklnngsprinzips für ein Axiom, das heißt für eine unabweisliche Forderung bei dem heutigen Stande der Biologie er¬ klärt habe." Der dritte Vortrag, „Haeckel als Biologe", legt aus dem letzten Buche des unfehlbaren Diktators der modernen Wissenschaft, den „Lebenswnndern", eine solche Fülle von Proben davon vor, mit welcher Leichtfertigkeit, um nicht zu sagen Gewissenlosigkeit, der Mann Illusionen, Fiktionen, hohle Phrasen dem glcinbigen Laienpublikum als Forschungsergebnisse aufbindet, daß es ganz unmöglich ist, ihn auch nur in seinem eigentlichen Fach, in der Zoologie, fernerhin noch als wissen¬ schaftliche Autorität anzuerkennen. „Wenn alle die, schreibt Reinke mit vollem Recht, die ihm heute im Chorus zujubeln, eine Ahnung davon hätten, wie sehr Haeckel sie hinauf, hinab und quer und krumm an der Nase herumführt, sie würden in Grenzboten IV 1907 71

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/553>, abgerufen am 17.06.2024.