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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika

Heroenunternehmens sagt, mit schrecklichem Mist angefüllt worden, aber Rocke-
feller war es doch vorbehalten, den Berg bis zur Höhe des Unerträglichen
aufzuhäufen.

Die Voraussetzungslosigkeit und Unbeschränktheit des NaKe-Noiig^-Wesens
liegt etwas im Charakter des amerikanischen Volkes. Im Grunde sind die Ver¬
einigten Staaten nur halb so alt wie ihr politisches Dasein. Was jenseits von
1840 liegt, das ist ein einfaches, schlichtes Volk von Farmern und Sklaven¬
haltern, von Landleuten, die Weizen, Mais, Baumwolle und Tabak bauten,
und von Städtern, die diesen Segen nach Europa schafften und dafür euro¬
päische Industrieartikel kommen ließen. Erst seitdem, und je länger desto mehr
nimmt das Schwungrad des wirtschaftlichen Treibens die unheimliche Kraft und
Schnelligkeit an, deren Wirkung wir in Europa so stark spüren. Es fehlt das
lange Herkommen, die in festem Geleise sich bewegenden Kräfte. Alles ist neu,
stark, rücksichtslos. Man monopolisiert den Baumwoll-, den Petroleum-, den
Kupfermarkt; mit der Produktion von Weizen, Mais, Schweinefleisch übertrifft
man alle bekannten Verhältnisse. Einzelmenschen kommen dazu, diese Maschinerie
von ungeheuerlicher Kraft zu steuern, ihre Intelligenz zu sein. Das konzentriert
dann alle wirtschaftliche Potenz auf gewisse Punkte, es wirkt mitunter Wunder
im Schaffen, aber auch Wunder im Zerstören. Der Amerikaner erachtet die
Abwesenheit jeglicher obrigkeitlichen Einmischung als den Inbegriff der Freiheit.
Sein Individualismus ist schrankenlos. Er erträgt lieber die gröblichsten Mi߬
bräuche der Freiheit als die Fesselung zum Guten. Die andauernd steigende
Wohlfahrt des Landes hat ihm über die Übel des Systems lange hinweg¬
geholfen.

Jetzt aber fühlt er doch, daß ihm die Fesseln, die er dem Staate nicht
anvertrauen will, von Einzelnen angelegt werden, von den zur wirtschaftlichen
Allmacht aufsteigenden Niesenkapitalisten. Jedes Jahr bringt der Einsicht, daß
sich das Gemeinwesen gegen die Gewaltmenschen vom Typus Rockefellers schützen
müsse, Millionen von neuen Anhängern. Da sie sich um einen so erleuchteten
Staatsmann scharen können wie den Präsidenten Roosevelt, so ist ein Sieg sehr
Wohl in der Möglichkeit. Die Schwindeleien, die grobe Näuberpolitik im Eisen¬
bahnwesen hat man mit Strafgesetzen bekämpft, die anfangen, wirksam zu werden,
und die schon ungeheuerliche Mißwirtschaft aufgedeckt haben. Nun dürften die
Banken und andre Trusts an die Reihe kommen. Als praktische Handhabe
dient die Ausdehnung der Bundesgesetzgebung auf die bisher nach der Verfassung
den Einzelstaaten vorbehaltnen Gebiete. Auf die Einzelstaaten ist gar nicht zu
rechnen, schon weil es ihrer fünfundvierzig gibt, deren Gesetze weder in ihrem
Wortlaut noch in ihrer Handhabung in Einklang zu bringen sind. Gerade in
bezug auf Aktiengesellschaften und Trusts suchen einige Staaten (nicht nur west¬
liche, sondern auch Newjersey) etwas darin, durch laxe Bestimmungen die Ge¬
sellschaften und ihren reichen Segen an Sporteln usw. an sich zu ziehen. Roosevelt
versieht die Politik, daß die abergläubische Verehrung der Verfassung nicht so


Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika

Heroenunternehmens sagt, mit schrecklichem Mist angefüllt worden, aber Rocke-
feller war es doch vorbehalten, den Berg bis zur Höhe des Unerträglichen
aufzuhäufen.

Die Voraussetzungslosigkeit und Unbeschränktheit des NaKe-Noiig^-Wesens
liegt etwas im Charakter des amerikanischen Volkes. Im Grunde sind die Ver¬
einigten Staaten nur halb so alt wie ihr politisches Dasein. Was jenseits von
1840 liegt, das ist ein einfaches, schlichtes Volk von Farmern und Sklaven¬
haltern, von Landleuten, die Weizen, Mais, Baumwolle und Tabak bauten,
und von Städtern, die diesen Segen nach Europa schafften und dafür euro¬
päische Industrieartikel kommen ließen. Erst seitdem, und je länger desto mehr
nimmt das Schwungrad des wirtschaftlichen Treibens die unheimliche Kraft und
Schnelligkeit an, deren Wirkung wir in Europa so stark spüren. Es fehlt das
lange Herkommen, die in festem Geleise sich bewegenden Kräfte. Alles ist neu,
stark, rücksichtslos. Man monopolisiert den Baumwoll-, den Petroleum-, den
Kupfermarkt; mit der Produktion von Weizen, Mais, Schweinefleisch übertrifft
man alle bekannten Verhältnisse. Einzelmenschen kommen dazu, diese Maschinerie
von ungeheuerlicher Kraft zu steuern, ihre Intelligenz zu sein. Das konzentriert
dann alle wirtschaftliche Potenz auf gewisse Punkte, es wirkt mitunter Wunder
im Schaffen, aber auch Wunder im Zerstören. Der Amerikaner erachtet die
Abwesenheit jeglicher obrigkeitlichen Einmischung als den Inbegriff der Freiheit.
Sein Individualismus ist schrankenlos. Er erträgt lieber die gröblichsten Mi߬
bräuche der Freiheit als die Fesselung zum Guten. Die andauernd steigende
Wohlfahrt des Landes hat ihm über die Übel des Systems lange hinweg¬
geholfen.

Jetzt aber fühlt er doch, daß ihm die Fesseln, die er dem Staate nicht
anvertrauen will, von Einzelnen angelegt werden, von den zur wirtschaftlichen
Allmacht aufsteigenden Niesenkapitalisten. Jedes Jahr bringt der Einsicht, daß
sich das Gemeinwesen gegen die Gewaltmenschen vom Typus Rockefellers schützen
müsse, Millionen von neuen Anhängern. Da sie sich um einen so erleuchteten
Staatsmann scharen können wie den Präsidenten Roosevelt, so ist ein Sieg sehr
Wohl in der Möglichkeit. Die Schwindeleien, die grobe Näuberpolitik im Eisen¬
bahnwesen hat man mit Strafgesetzen bekämpft, die anfangen, wirksam zu werden,
und die schon ungeheuerliche Mißwirtschaft aufgedeckt haben. Nun dürften die
Banken und andre Trusts an die Reihe kommen. Als praktische Handhabe
dient die Ausdehnung der Bundesgesetzgebung auf die bisher nach der Verfassung
den Einzelstaaten vorbehaltnen Gebiete. Auf die Einzelstaaten ist gar nicht zu
rechnen, schon weil es ihrer fünfundvierzig gibt, deren Gesetze weder in ihrem
Wortlaut noch in ihrer Handhabung in Einklang zu bringen sind. Gerade in
bezug auf Aktiengesellschaften und Trusts suchen einige Staaten (nicht nur west¬
liche, sondern auch Newjersey) etwas darin, durch laxe Bestimmungen die Ge¬
sellschaften und ihren reichen Segen an Sporteln usw. an sich zu ziehen. Roosevelt
versieht die Politik, daß die abergläubische Verehrung der Verfassung nicht so


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[0563] Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika Heroenunternehmens sagt, mit schrecklichem Mist angefüllt worden, aber Rocke- feller war es doch vorbehalten, den Berg bis zur Höhe des Unerträglichen aufzuhäufen. Die Voraussetzungslosigkeit und Unbeschränktheit des NaKe-Noiig^-Wesens liegt etwas im Charakter des amerikanischen Volkes. Im Grunde sind die Ver¬ einigten Staaten nur halb so alt wie ihr politisches Dasein. Was jenseits von 1840 liegt, das ist ein einfaches, schlichtes Volk von Farmern und Sklaven¬ haltern, von Landleuten, die Weizen, Mais, Baumwolle und Tabak bauten, und von Städtern, die diesen Segen nach Europa schafften und dafür euro¬ päische Industrieartikel kommen ließen. Erst seitdem, und je länger desto mehr nimmt das Schwungrad des wirtschaftlichen Treibens die unheimliche Kraft und Schnelligkeit an, deren Wirkung wir in Europa so stark spüren. Es fehlt das lange Herkommen, die in festem Geleise sich bewegenden Kräfte. Alles ist neu, stark, rücksichtslos. Man monopolisiert den Baumwoll-, den Petroleum-, den Kupfermarkt; mit der Produktion von Weizen, Mais, Schweinefleisch übertrifft man alle bekannten Verhältnisse. Einzelmenschen kommen dazu, diese Maschinerie von ungeheuerlicher Kraft zu steuern, ihre Intelligenz zu sein. Das konzentriert dann alle wirtschaftliche Potenz auf gewisse Punkte, es wirkt mitunter Wunder im Schaffen, aber auch Wunder im Zerstören. Der Amerikaner erachtet die Abwesenheit jeglicher obrigkeitlichen Einmischung als den Inbegriff der Freiheit. Sein Individualismus ist schrankenlos. Er erträgt lieber die gröblichsten Mi߬ bräuche der Freiheit als die Fesselung zum Guten. Die andauernd steigende Wohlfahrt des Landes hat ihm über die Übel des Systems lange hinweg¬ geholfen. Jetzt aber fühlt er doch, daß ihm die Fesseln, die er dem Staate nicht anvertrauen will, von Einzelnen angelegt werden, von den zur wirtschaftlichen Allmacht aufsteigenden Niesenkapitalisten. Jedes Jahr bringt der Einsicht, daß sich das Gemeinwesen gegen die Gewaltmenschen vom Typus Rockefellers schützen müsse, Millionen von neuen Anhängern. Da sie sich um einen so erleuchteten Staatsmann scharen können wie den Präsidenten Roosevelt, so ist ein Sieg sehr Wohl in der Möglichkeit. Die Schwindeleien, die grobe Näuberpolitik im Eisen¬ bahnwesen hat man mit Strafgesetzen bekämpft, die anfangen, wirksam zu werden, und die schon ungeheuerliche Mißwirtschaft aufgedeckt haben. Nun dürften die Banken und andre Trusts an die Reihe kommen. Als praktische Handhabe dient die Ausdehnung der Bundesgesetzgebung auf die bisher nach der Verfassung den Einzelstaaten vorbehaltnen Gebiete. Auf die Einzelstaaten ist gar nicht zu rechnen, schon weil es ihrer fünfundvierzig gibt, deren Gesetze weder in ihrem Wortlaut noch in ihrer Handhabung in Einklang zu bringen sind. Gerade in bezug auf Aktiengesellschaften und Trusts suchen einige Staaten (nicht nur west¬ liche, sondern auch Newjersey) etwas darin, durch laxe Bestimmungen die Ge¬ sellschaften und ihren reichen Segen an Sporteln usw. an sich zu ziehen. Roosevelt versieht die Politik, daß die abergläubische Verehrung der Verfassung nicht so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/563>, abgerufen am 17.06.2024.