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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Englische Gedanken über kriegerische Macht

leichtere, wie viel mehr noch im Kriege, wo ohne sie nach einer Berechnung
1200000 Mann durch das Ausbleiben von Rohmaterialien und Lebensmitteln
brotlos würden, die andernfalls ohne weiteres in der Nationalreserve Auf¬
nahme fänden.

Aufbauend auf diesen Anschauungen schreibt dann die Liga folgende
Gliederung der britischen Wehrmacht auf ihr Programm:

1. eine starke Flotte, zum mindesten ebenso stark wie die Flotten irgend
zweier andrer verbündeter Mächte;

2. eine vorzüglich ausgebildete Armee mit langer Dienstzeit für den
Dienst in Indien und in den Teilen des Reiches, wo eine große Ein-
gebornenbevölkerung die Anwesenheit einer Besatzung aus Sicherheitsgründen
nötig macht;

3. eine große ausgebildete Reserve -- eine par-britannische Miliz --, die
aus allen tauglichen weißen Männern im ganzen Reiche besteht. Ihre Auf¬
gabe ist hauptsächlich Schutz des heimischen Gebiets, in dem Teile des Reiches,
in dem sie ausgehoben ist. Niemals darf sie zum Besatzungsdienst außerhalb
des heimischen ^Gebiets herangezogen werden, wohl aber hätte aus ihr im
Falle eines großen Krieges der Ersatz für die außerhalb Landes kämpfende
Armee durch freiwillige Aufgebote hervorzugehn.

Wenn wir im vorstehenden auf die werbende Tätigkeit der Rational Lsrvios
I^a^ne näher eingegangen sind, so hat das den doppelten Zweck gehabt,
erstens zu zeigen, wie eifrig man, trotz Friedenskonferenz und Abrüstungs¬
vorschlägen, in England an der Hebung und Stärkung der Wehrmacht arbeitet,
und zweitens auch solche Leute, die gern englische Einrichtungen zum Beweis
dafür anführen, daß sich auch ohne allgemeine Wehrpflicht und ohne große
Heere ein Weltreich schützen lasse, darauf hinzuweisen, wie klar man sich doch
in weiten Kreisen Englands darüber ist, daß es so nicht weiter gehn könne,
und daß der Fortbestand des Niesenreichs ohne ernstliche Maßnahmen schwer
gefährdet sei. Betrachtet man die Schwierigkeiten, die aber trotz allem der
englische Volkscharakter und manche eigentümlichen Verhältnisse des englischen
Volkslebens der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht zumal bis zu ihren
äußersten Schlußfolgerungen entgegensetzt, so muß man wohl den hier kurz
geschilderten Plan der National Servios I^assus als durchaus entsprechend und
ziemlich aussichtsreich bezeichnen.




Grenzboten IV 190787
Englische Gedanken über kriegerische Macht

leichtere, wie viel mehr noch im Kriege, wo ohne sie nach einer Berechnung
1200000 Mann durch das Ausbleiben von Rohmaterialien und Lebensmitteln
brotlos würden, die andernfalls ohne weiteres in der Nationalreserve Auf¬
nahme fänden.

Aufbauend auf diesen Anschauungen schreibt dann die Liga folgende
Gliederung der britischen Wehrmacht auf ihr Programm:

1. eine starke Flotte, zum mindesten ebenso stark wie die Flotten irgend
zweier andrer verbündeter Mächte;

2. eine vorzüglich ausgebildete Armee mit langer Dienstzeit für den
Dienst in Indien und in den Teilen des Reiches, wo eine große Ein-
gebornenbevölkerung die Anwesenheit einer Besatzung aus Sicherheitsgründen
nötig macht;

3. eine große ausgebildete Reserve — eine par-britannische Miliz —, die
aus allen tauglichen weißen Männern im ganzen Reiche besteht. Ihre Auf¬
gabe ist hauptsächlich Schutz des heimischen Gebiets, in dem Teile des Reiches,
in dem sie ausgehoben ist. Niemals darf sie zum Besatzungsdienst außerhalb
des heimischen ^Gebiets herangezogen werden, wohl aber hätte aus ihr im
Falle eines großen Krieges der Ersatz für die außerhalb Landes kämpfende
Armee durch freiwillige Aufgebote hervorzugehn.

Wenn wir im vorstehenden auf die werbende Tätigkeit der Rational Lsrvios
I^a^ne näher eingegangen sind, so hat das den doppelten Zweck gehabt,
erstens zu zeigen, wie eifrig man, trotz Friedenskonferenz und Abrüstungs¬
vorschlägen, in England an der Hebung und Stärkung der Wehrmacht arbeitet,
und zweitens auch solche Leute, die gern englische Einrichtungen zum Beweis
dafür anführen, daß sich auch ohne allgemeine Wehrpflicht und ohne große
Heere ein Weltreich schützen lasse, darauf hinzuweisen, wie klar man sich doch
in weiten Kreisen Englands darüber ist, daß es so nicht weiter gehn könne,
und daß der Fortbestand des Niesenreichs ohne ernstliche Maßnahmen schwer
gefährdet sei. Betrachtet man die Schwierigkeiten, die aber trotz allem der
englische Volkscharakter und manche eigentümlichen Verhältnisse des englischen
Volkslebens der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht zumal bis zu ihren
äußersten Schlußfolgerungen entgegensetzt, so muß man wohl den hier kurz
geschilderten Plan der National Servios I^assus als durchaus entsprechend und
ziemlich aussichtsreich bezeichnen.




Grenzboten IV 190787
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[0673] Englische Gedanken über kriegerische Macht leichtere, wie viel mehr noch im Kriege, wo ohne sie nach einer Berechnung 1200000 Mann durch das Ausbleiben von Rohmaterialien und Lebensmitteln brotlos würden, die andernfalls ohne weiteres in der Nationalreserve Auf¬ nahme fänden. Aufbauend auf diesen Anschauungen schreibt dann die Liga folgende Gliederung der britischen Wehrmacht auf ihr Programm: 1. eine starke Flotte, zum mindesten ebenso stark wie die Flotten irgend zweier andrer verbündeter Mächte; 2. eine vorzüglich ausgebildete Armee mit langer Dienstzeit für den Dienst in Indien und in den Teilen des Reiches, wo eine große Ein- gebornenbevölkerung die Anwesenheit einer Besatzung aus Sicherheitsgründen nötig macht; 3. eine große ausgebildete Reserve — eine par-britannische Miliz —, die aus allen tauglichen weißen Männern im ganzen Reiche besteht. Ihre Auf¬ gabe ist hauptsächlich Schutz des heimischen Gebiets, in dem Teile des Reiches, in dem sie ausgehoben ist. Niemals darf sie zum Besatzungsdienst außerhalb des heimischen ^Gebiets herangezogen werden, wohl aber hätte aus ihr im Falle eines großen Krieges der Ersatz für die außerhalb Landes kämpfende Armee durch freiwillige Aufgebote hervorzugehn. Wenn wir im vorstehenden auf die werbende Tätigkeit der Rational Lsrvios I^a^ne näher eingegangen sind, so hat das den doppelten Zweck gehabt, erstens zu zeigen, wie eifrig man, trotz Friedenskonferenz und Abrüstungs¬ vorschlägen, in England an der Hebung und Stärkung der Wehrmacht arbeitet, und zweitens auch solche Leute, die gern englische Einrichtungen zum Beweis dafür anführen, daß sich auch ohne allgemeine Wehrpflicht und ohne große Heere ein Weltreich schützen lasse, darauf hinzuweisen, wie klar man sich doch in weiten Kreisen Englands darüber ist, daß es so nicht weiter gehn könne, und daß der Fortbestand des Niesenreichs ohne ernstliche Maßnahmen schwer gefährdet sei. Betrachtet man die Schwierigkeiten, die aber trotz allem der englische Volkscharakter und manche eigentümlichen Verhältnisse des englischen Volkslebens der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht zumal bis zu ihren äußersten Schlußfolgerungen entgegensetzt, so muß man wohl den hier kurz geschilderten Plan der National Servios I^assus als durchaus entsprechend und ziemlich aussichtsreich bezeichnen. Grenzboten IV 190787

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/673>, abgerufen am 17.06.2024.