Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Landgewinnung in der Nordsee

Während in Schleswig-Holstein und im Wattenmeer die Landgewinnung
große Fortschritte macht, richtet die Nordsee am Strande der ostfriesischen Inseln
noch fortdauernd großen Schaden an. Wie seit Jahrhunderten, ist auch noch
heute das Wohl und Wehe des kleinen Friesenlandes abhängig von dem Kampfe,
der unausgesetzt mit dem Meere geführt werden muß. Auf doppelte Weise ge¬
schieht dies, einmal dadurch, daß man das Binnenland durch Deiche gegen die
Überflutung der starken Meeresströmung schützt, und zu dem andern Teil
durch die stille, mühsame Eroberungsarbeit der Landgewinnung an Stellen, wo
die Strömungen ruhiger laufen und durch Veranstaltungen in Bahnen gelenkt
werden, wo sie den mitgeführten Schlamm und Schlick fallen lassen. Es be¬
steht ein besondrer Ausschuß für Landgewinnung an der ostfriesischen Küste, der
die Regierung mehrfach angeregt hat, rascher und zum Teil auch zweckmüßiger
vorzugehn, um an mehrern Stellen dem Meer auf leichte Weise große steuer-
krüftige Landflächen abzugewinnen. Es handelt sich dabei nicht um so um¬
fangreiche Flächen wie im Schleswig-holsteinischen Wattenmeer, immerhin aber
um sehr wertvolle Ländereien in der Nähe des neuen Emdner Hafens, an der
Küste des Harlingerlcmdes, auf der Höhe von Greetsiel usw. Im Etat für 1906
wurden für diesen Zweck 78000 Mark bewilligt, von einem Plane, in Gemein¬
samkeit mit Holland ein größeres Landgewinnungswerk im Dollart zu unter¬
nehmen, ist es inzwischen wieder still geworden.

An dieser Stelle ist es wohl auch angebracht, mit einigen Worten der
Insel Helgoland zu gedenken, über deren voraussichtlichen Untergang ja häufig
genug zu lesen ist. Es spielt dabei die alte Unzufriedenheit über den Sansibar¬
vertrag eine große Rolle. Wie dem nun auch sein mag: jedenfalls zählen die
wenigen Kartoffelfelder des Oberlands wie auch der Badestrand nicht mit, wenn
es sich um die Bewertung Helgolands handelt, um das sich früher kein Mensch
gekümmert hat, und das die englische Regierung verwittern und verfallen ließ.
Heute ist aber Helgoland ein Schutz und ein Stützpunkt der deutschen Landes¬
verteidigung. Als solcher wird es erhalten werden, und wenn infolge früherer
Vernachlässigung manches von der See verschlungen und weggeführt wurde, so
ist heute dafür Sorge getragen, daß das uicht mehr vorkommt. Der Felsen¬
grund der Insel, der übrigens viel fester ist als die verwitterte Außenseite, wird
bestehn und dauernd als eine Feste erhalten bleiben, solange das Deutsche Reich
überhaupt einer solchen für seine Seerüstung bedarf.




Landgewinnung in der Nordsee

Während in Schleswig-Holstein und im Wattenmeer die Landgewinnung
große Fortschritte macht, richtet die Nordsee am Strande der ostfriesischen Inseln
noch fortdauernd großen Schaden an. Wie seit Jahrhunderten, ist auch noch
heute das Wohl und Wehe des kleinen Friesenlandes abhängig von dem Kampfe,
der unausgesetzt mit dem Meere geführt werden muß. Auf doppelte Weise ge¬
schieht dies, einmal dadurch, daß man das Binnenland durch Deiche gegen die
Überflutung der starken Meeresströmung schützt, und zu dem andern Teil
durch die stille, mühsame Eroberungsarbeit der Landgewinnung an Stellen, wo
die Strömungen ruhiger laufen und durch Veranstaltungen in Bahnen gelenkt
werden, wo sie den mitgeführten Schlamm und Schlick fallen lassen. Es be¬
steht ein besondrer Ausschuß für Landgewinnung an der ostfriesischen Küste, der
die Regierung mehrfach angeregt hat, rascher und zum Teil auch zweckmüßiger
vorzugehn, um an mehrern Stellen dem Meer auf leichte Weise große steuer-
krüftige Landflächen abzugewinnen. Es handelt sich dabei nicht um so um¬
fangreiche Flächen wie im Schleswig-holsteinischen Wattenmeer, immerhin aber
um sehr wertvolle Ländereien in der Nähe des neuen Emdner Hafens, an der
Küste des Harlingerlcmdes, auf der Höhe von Greetsiel usw. Im Etat für 1906
wurden für diesen Zweck 78000 Mark bewilligt, von einem Plane, in Gemein¬
samkeit mit Holland ein größeres Landgewinnungswerk im Dollart zu unter¬
nehmen, ist es inzwischen wieder still geworden.

An dieser Stelle ist es wohl auch angebracht, mit einigen Worten der
Insel Helgoland zu gedenken, über deren voraussichtlichen Untergang ja häufig
genug zu lesen ist. Es spielt dabei die alte Unzufriedenheit über den Sansibar¬
vertrag eine große Rolle. Wie dem nun auch sein mag: jedenfalls zählen die
wenigen Kartoffelfelder des Oberlands wie auch der Badestrand nicht mit, wenn
es sich um die Bewertung Helgolands handelt, um das sich früher kein Mensch
gekümmert hat, und das die englische Regierung verwittern und verfallen ließ.
Heute ist aber Helgoland ein Schutz und ein Stützpunkt der deutschen Landes¬
verteidigung. Als solcher wird es erhalten werden, und wenn infolge früherer
Vernachlässigung manches von der See verschlungen und weggeführt wurde, so
ist heute dafür Sorge getragen, daß das uicht mehr vorkommt. Der Felsen¬
grund der Insel, der übrigens viel fester ist als die verwitterte Außenseite, wird
bestehn und dauernd als eine Feste erhalten bleiben, solange das Deutsche Reich
überhaupt einer solchen für seine Seerüstung bedarf.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0128" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/310539"/>
          <fw type="header" place="top"> Landgewinnung in der Nordsee</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_622"> Während in Schleswig-Holstein und im Wattenmeer die Landgewinnung<lb/>
große Fortschritte macht, richtet die Nordsee am Strande der ostfriesischen Inseln<lb/>
noch fortdauernd großen Schaden an. Wie seit Jahrhunderten, ist auch noch<lb/>
heute das Wohl und Wehe des kleinen Friesenlandes abhängig von dem Kampfe,<lb/>
der unausgesetzt mit dem Meere geführt werden muß. Auf doppelte Weise ge¬<lb/>
schieht dies, einmal dadurch, daß man das Binnenland durch Deiche gegen die<lb/>
Überflutung der starken Meeresströmung schützt, und zu dem andern Teil<lb/>
durch die stille, mühsame Eroberungsarbeit der Landgewinnung an Stellen, wo<lb/>
die Strömungen ruhiger laufen und durch Veranstaltungen in Bahnen gelenkt<lb/>
werden, wo sie den mitgeführten Schlamm und Schlick fallen lassen. Es be¬<lb/>
steht ein besondrer Ausschuß für Landgewinnung an der ostfriesischen Küste, der<lb/>
die Regierung mehrfach angeregt hat, rascher und zum Teil auch zweckmüßiger<lb/>
vorzugehn, um an mehrern Stellen dem Meer auf leichte Weise große steuer-<lb/>
krüftige Landflächen abzugewinnen. Es handelt sich dabei nicht um so um¬<lb/>
fangreiche Flächen wie im Schleswig-holsteinischen Wattenmeer, immerhin aber<lb/>
um sehr wertvolle Ländereien in der Nähe des neuen Emdner Hafens, an der<lb/>
Küste des Harlingerlcmdes, auf der Höhe von Greetsiel usw. Im Etat für 1906<lb/>
wurden für diesen Zweck 78000 Mark bewilligt, von einem Plane, in Gemein¬<lb/>
samkeit mit Holland ein größeres Landgewinnungswerk im Dollart zu unter¬<lb/>
nehmen, ist es inzwischen wieder still geworden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_623"> An dieser Stelle ist es wohl auch angebracht, mit einigen Worten der<lb/>
Insel Helgoland zu gedenken, über deren voraussichtlichen Untergang ja häufig<lb/>
genug zu lesen ist. Es spielt dabei die alte Unzufriedenheit über den Sansibar¬<lb/>
vertrag eine große Rolle. Wie dem nun auch sein mag: jedenfalls zählen die<lb/>
wenigen Kartoffelfelder des Oberlands wie auch der Badestrand nicht mit, wenn<lb/>
es sich um die Bewertung Helgolands handelt, um das sich früher kein Mensch<lb/>
gekümmert hat, und das die englische Regierung verwittern und verfallen ließ.<lb/>
Heute ist aber Helgoland ein Schutz und ein Stützpunkt der deutschen Landes¬<lb/>
verteidigung. Als solcher wird es erhalten werden, und wenn infolge früherer<lb/>
Vernachlässigung manches von der See verschlungen und weggeführt wurde, so<lb/>
ist heute dafür Sorge getragen, daß das uicht mehr vorkommt. Der Felsen¬<lb/>
grund der Insel, der übrigens viel fester ist als die verwitterte Außenseite, wird<lb/>
bestehn und dauernd als eine Feste erhalten bleiben, solange das Deutsche Reich<lb/>
überhaupt einer solchen für seine Seerüstung bedarf.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0128] Landgewinnung in der Nordsee Während in Schleswig-Holstein und im Wattenmeer die Landgewinnung große Fortschritte macht, richtet die Nordsee am Strande der ostfriesischen Inseln noch fortdauernd großen Schaden an. Wie seit Jahrhunderten, ist auch noch heute das Wohl und Wehe des kleinen Friesenlandes abhängig von dem Kampfe, der unausgesetzt mit dem Meere geführt werden muß. Auf doppelte Weise ge¬ schieht dies, einmal dadurch, daß man das Binnenland durch Deiche gegen die Überflutung der starken Meeresströmung schützt, und zu dem andern Teil durch die stille, mühsame Eroberungsarbeit der Landgewinnung an Stellen, wo die Strömungen ruhiger laufen und durch Veranstaltungen in Bahnen gelenkt werden, wo sie den mitgeführten Schlamm und Schlick fallen lassen. Es be¬ steht ein besondrer Ausschuß für Landgewinnung an der ostfriesischen Küste, der die Regierung mehrfach angeregt hat, rascher und zum Teil auch zweckmüßiger vorzugehn, um an mehrern Stellen dem Meer auf leichte Weise große steuer- krüftige Landflächen abzugewinnen. Es handelt sich dabei nicht um so um¬ fangreiche Flächen wie im Schleswig-holsteinischen Wattenmeer, immerhin aber um sehr wertvolle Ländereien in der Nähe des neuen Emdner Hafens, an der Küste des Harlingerlcmdes, auf der Höhe von Greetsiel usw. Im Etat für 1906 wurden für diesen Zweck 78000 Mark bewilligt, von einem Plane, in Gemein¬ samkeit mit Holland ein größeres Landgewinnungswerk im Dollart zu unter¬ nehmen, ist es inzwischen wieder still geworden. An dieser Stelle ist es wohl auch angebracht, mit einigen Worten der Insel Helgoland zu gedenken, über deren voraussichtlichen Untergang ja häufig genug zu lesen ist. Es spielt dabei die alte Unzufriedenheit über den Sansibar¬ vertrag eine große Rolle. Wie dem nun auch sein mag: jedenfalls zählen die wenigen Kartoffelfelder des Oberlands wie auch der Badestrand nicht mit, wenn es sich um die Bewertung Helgolands handelt, um das sich früher kein Mensch gekümmert hat, und das die englische Regierung verwittern und verfallen ließ. Heute ist aber Helgoland ein Schutz und ein Stützpunkt der deutschen Landes¬ verteidigung. Als solcher wird es erhalten werden, und wenn infolge früherer Vernachlässigung manches von der See verschlungen und weggeführt wurde, so ist heute dafür Sorge getragen, daß das uicht mehr vorkommt. Der Felsen¬ grund der Insel, der übrigens viel fester ist als die verwitterte Außenseite, wird bestehn und dauernd als eine Feste erhalten bleiben, solange das Deutsche Reich überhaupt einer solchen für seine Seerüstung bedarf.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/128
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/128>, abgerufen am 22.05.2024.