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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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die Türkvnhenschaft und ihre Folgen

manche christlichen Mächte die Türken direkt förderten, wie zum Beispiel die
allerchristlichsten Könige von Frankreich aus Konkurrenz gegen die Habsburger.

Unter solchen Umständen ist es kein Wunder, daß nach dem Falle von
Konstantinopel (1453), in dem das türkische Reich seinen Mittelpunkt erhielt,
auch Serbien (1459), Bosnien (1463), die Herzegowina (1482) und 1498 auch
die Zeta. die schon 1482 die Unabhängigkeit verloren hatte, türkische Provinzen
wurden; denn die Behauptung, daß das montenegrinische Falkeunest nie das
türkische Joch getragen habe, gehört in das Gebiet der epischen Fabeln. Seit
der schrecklichen Niederlage auf dem Krbavafeld bei Abhira (1493) stand auch
Kroatien, das in diesen schweren Zeiten auf sich selbst angewiesen war, da es
seine in verschiedne mitteleuropäische Angelegenheiten verwickelten ungarischen
Könige im Stiche ließen, den unausgesetzten Türkeneinfällen offen und begann
beim Kaiser Maximilian und dem Papst Alexander dem Sechsten Schutz zu
suchen, was aber größere Verluste zuerst in Dalmatien nicht verhinderte
(1522 Krim und Scardona). Auf dalmatinischen Boden wurde aber Kroatien
ohnehin durch große Erwerbungen Venedigs geschwächt, dem Städte und Inseln
durch Käufe, freiwillige Übergabe, Eroberungen und Friedensschlüsse zufielen
(1409, 1413, 1420, 1433). Gegen die auch zum Adriatischen Meere vor¬
dringenden Türken verteidigten die Kroaten das dalmatinische Festland schon
mit Unterstützung des Habsburger Ferdinand. Durch die Schlacht von Mohäcs
(1526) wurde das durch Oligarchenherrschaft und Thronstreitigkeiten geschwächte
Ungarn, das aufhörte, ein selbständiges Reich zu sein, zum großen Teile selbst
eine Beute der Türken, in deren Besitz auch Slawonien bis Esseg, das südliche
Kroatien bis zum Kapelagebirge und das nordwestliche Bosnien bis zur Una
übergingen; Jajce, nach dem Urteile der Zeitgenossen der stärkste Vcrteidigungs-
punkt ganz Kroatiens und des südlichen Ungarn, fiel erst 1528. Es waren in
der Tat nur traurige Überreste Kroatiens (KoIi<zMs r6licMg.i'rmi olim rsMi
0roatm6 nannten sie die Stände selbst), die 1527 den Habsburger Ferdinand
den Ersten zu ihrem König erwählten, dessen Nebenbuhler, Johann Zapolya,
aber auch hier keinen geringen Anhang fand.

Ans diese Weise waren bereits in der ersten Hülste des sechzehnten Jahr¬
hunderts nach den Bulgaren auch schon alle Serben und der größere Teil der
Kroaten unter der Herrschaft des Halbmonds vereinigt und blieben es über
anderthalbhundert Jahre. Die Reste Kroatiens glichen aber als "Vormauer
des Christentums" einem bestündigen Heerlager, und fortwährenden türkischen
Einfällen waren auch Kram und hauptsächlich die slowenischen Gebiete Steier-
marks und Kärntens ausgesetzt. An der adriatischen Küste beherrschte, wie einst
das oströmische Kaisertum, die Republik Venedig mit ihrer Flotte, deren
Mannschaft meist Südslawen bildeten, die Inseln, befestigten Städte und einen
stellenweise so engen Streifen des Festlandes, daß man in der Tat vom
Meeresufer das Krähen der Hähne ans türkischem Gebiete hören konnte, wie
das Volk selbst zu sagen pflegte. Das einzige selbständige christliche Staats-


die Türkvnhenschaft und ihre Folgen

manche christlichen Mächte die Türken direkt förderten, wie zum Beispiel die
allerchristlichsten Könige von Frankreich aus Konkurrenz gegen die Habsburger.

Unter solchen Umständen ist es kein Wunder, daß nach dem Falle von
Konstantinopel (1453), in dem das türkische Reich seinen Mittelpunkt erhielt,
auch Serbien (1459), Bosnien (1463), die Herzegowina (1482) und 1498 auch
die Zeta. die schon 1482 die Unabhängigkeit verloren hatte, türkische Provinzen
wurden; denn die Behauptung, daß das montenegrinische Falkeunest nie das
türkische Joch getragen habe, gehört in das Gebiet der epischen Fabeln. Seit
der schrecklichen Niederlage auf dem Krbavafeld bei Abhira (1493) stand auch
Kroatien, das in diesen schweren Zeiten auf sich selbst angewiesen war, da es
seine in verschiedne mitteleuropäische Angelegenheiten verwickelten ungarischen
Könige im Stiche ließen, den unausgesetzten Türkeneinfällen offen und begann
beim Kaiser Maximilian und dem Papst Alexander dem Sechsten Schutz zu
suchen, was aber größere Verluste zuerst in Dalmatien nicht verhinderte
(1522 Krim und Scardona). Auf dalmatinischen Boden wurde aber Kroatien
ohnehin durch große Erwerbungen Venedigs geschwächt, dem Städte und Inseln
durch Käufe, freiwillige Übergabe, Eroberungen und Friedensschlüsse zufielen
(1409, 1413, 1420, 1433). Gegen die auch zum Adriatischen Meere vor¬
dringenden Türken verteidigten die Kroaten das dalmatinische Festland schon
mit Unterstützung des Habsburger Ferdinand. Durch die Schlacht von Mohäcs
(1526) wurde das durch Oligarchenherrschaft und Thronstreitigkeiten geschwächte
Ungarn, das aufhörte, ein selbständiges Reich zu sein, zum großen Teile selbst
eine Beute der Türken, in deren Besitz auch Slawonien bis Esseg, das südliche
Kroatien bis zum Kapelagebirge und das nordwestliche Bosnien bis zur Una
übergingen; Jajce, nach dem Urteile der Zeitgenossen der stärkste Vcrteidigungs-
punkt ganz Kroatiens und des südlichen Ungarn, fiel erst 1528. Es waren in
der Tat nur traurige Überreste Kroatiens (KoIi<zMs r6licMg.i'rmi olim rsMi
0roatm6 nannten sie die Stände selbst), die 1527 den Habsburger Ferdinand
den Ersten zu ihrem König erwählten, dessen Nebenbuhler, Johann Zapolya,
aber auch hier keinen geringen Anhang fand.

Ans diese Weise waren bereits in der ersten Hülste des sechzehnten Jahr¬
hunderts nach den Bulgaren auch schon alle Serben und der größere Teil der
Kroaten unter der Herrschaft des Halbmonds vereinigt und blieben es über
anderthalbhundert Jahre. Die Reste Kroatiens glichen aber als „Vormauer
des Christentums" einem bestündigen Heerlager, und fortwährenden türkischen
Einfällen waren auch Kram und hauptsächlich die slowenischen Gebiete Steier-
marks und Kärntens ausgesetzt. An der adriatischen Küste beherrschte, wie einst
das oströmische Kaisertum, die Republik Venedig mit ihrer Flotte, deren
Mannschaft meist Südslawen bildeten, die Inseln, befestigten Städte und einen
stellenweise so engen Streifen des Festlandes, daß man in der Tat vom
Meeresufer das Krähen der Hähne ans türkischem Gebiete hören konnte, wie
das Volk selbst zu sagen pflegte. Das einzige selbständige christliche Staats-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/67>, abgerufen am 22.05.2024.