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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliche mit Unmaßgebliches

gewerbmäßig betreibt und darin eine raffinierte Technik ausgebildet hat, ist durch
diesen Richterspruch in große Bestürzung geraten und sucht mit aller Macht da¬
gegen zu protestieren. Vor allem gegen den Satz des Tribunals: 1s, sritiyus us
Wen-ait s'sxsrosr sans oontMg. Andre Kritiker jedoch, die in ihrem Urteil, in ihren
Äußerungen und Wendungen vor allen Dingen Gentlemen bleiben wollen, sich nicht
auf ein bloß negatives Beurteilen beschränken, sondern vor allen Dingen gerecht und
billig auch die positiven Seiten jeder Leistung berücksichtigen, halten die Verurteilung
des Rezensenten durchaus für gerechtfertigt. Einer von ihnen sagt, der anständige
Kritiker werde durch dieses Urteil nicht bedroht. II taut tairs uns ciistinoticm vntrs
"oritiHUA'" se "äsniKrsr", et ostts clistinstion, 1s tiibunal 1'g, ^äisisusswent
"eg,v1is, DsniZrsr, e'sse somilisttrs un "Islit, v'sse tomdsr suis 1s oonx als 1a loi.

Wenn man diese Anschauungen mit denen in Deutschland vergleicht, so muß
man sagen, daß in Frankreich, dem Lande der freiesten Kritik, die Künstler und
die Schriftsteller gegen die Übergriffe und Schädigungen des Rezensententums mehr
geschützt sind als bei uns, und daß sich in Deutschland auf diesem Gebiete allmählich
Zustände gebildet haben, die doch die Aufmerksamkeit und das Eingreifen der Justiz
dringend fordern. Es scheint, als ob es notwendig wäre, den Paragraphen 193
des Strafgesetzbuchs einer Revision zu unterwerfen. Er lautet jetzt folgendermaßen:
"Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen,
ingleichen Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder
zur Wahrung berechtigter Interessen gemacht werden, sowie Vorhaltungen und
Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile
von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das
Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder
aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht."

Wer diesen Paragraphen ruhig und logisch denkend durchliest, der wird sich
sofort fragen: Wie ist es möglich gewesen, zwei so heterogene Gebiete wie die
literarische Kritik und die Beamtendisziplin unter einen Hut zu bringen? Der
Vorgesetzte steht doch zu seinem Untergebnen in einem ganz andern Verhältnis als
der Rezensent zu dem produktiven Künstler oder Schriftsteller. Zum mindesten
hätten also zwei Paragraphen gemacht werden müssen.

Aber der Paragraph ist auch wenig glücklich formuliert, und deshalb wird er
gegen den Willen des Gesetzgebers geradezu als ein Deckschild für ein gefährliches,
boshaftes und gehässiges Rezensententum mißbraucht. Der Gesetzgeber hat selbst¬
verständlich nur der anständigen, gerecht und billig denkenden Kritik einen freien
Spielraum geben wollen unter der Voraussetzung, daß sich ein gewissenhafter
Kritiker in der Rezension von Leistungen nicht lediglich auf "tadelnde Urteile"
beschränken oder gar ein systematisches Herunterreißen betreiben werde, sondern
selbstverständlich auch die positive Seite der Leistungen zu behandeln habe. Eine
Rezension, die nur die negative Seite einer Leistung ausbeutet und die Fehler,
Mängel und Versehen zu einem abschreckenden Konglomerat zusammenstellt, ist nach
dem französischen Urteil keine ehrliche Kritik mehr, sondern ein äsniArsinsnt, und
zwar ein straffälliges, auch wo eine direkt ausgesprochne Beleidigung nicht vorliegt.

Wenn man erfährt, aus welchen gemeinen Motiven manche Rezensenten das
Herunterreißen in Deutschland besorgen, wie dabei Neid, Bosheit, Schadenfreude,
Sensationsmache, Rachsucht wesentlich mitspielen, so ist es erklärlich, daß auch bei
uns, nach den jüngsten Entscheidungen zu urteilen, manche Richter den Paragraphen 193
nicht im Interesse des Rezensenten, sondern im Interesse des Künstlers oder des
Schriftstellers auszulegen beginnen. Und man kann eine solche Auffassung der Richter
nur mit Freuden begrüßen. In den Biographien unsrer Künstler und Schriftsteller
lesen wir immer wieder, wie ihr gesundes produktives Wirken durch eine gemeine,


Maßgebliche mit Unmaßgebliches

gewerbmäßig betreibt und darin eine raffinierte Technik ausgebildet hat, ist durch
diesen Richterspruch in große Bestürzung geraten und sucht mit aller Macht da¬
gegen zu protestieren. Vor allem gegen den Satz des Tribunals: 1s, sritiyus us
Wen-ait s'sxsrosr sans oontMg. Andre Kritiker jedoch, die in ihrem Urteil, in ihren
Äußerungen und Wendungen vor allen Dingen Gentlemen bleiben wollen, sich nicht
auf ein bloß negatives Beurteilen beschränken, sondern vor allen Dingen gerecht und
billig auch die positiven Seiten jeder Leistung berücksichtigen, halten die Verurteilung
des Rezensenten durchaus für gerechtfertigt. Einer von ihnen sagt, der anständige
Kritiker werde durch dieses Urteil nicht bedroht. II taut tairs uns ciistinoticm vntrs
„oritiHUA'" se „äsniKrsr", et ostts clistinstion, 1s tiibunal 1'g, ^äisisusswent
«eg,v1is, DsniZrsr, e'sse somilisttrs un «Islit, v'sse tomdsr suis 1s oonx als 1a loi.

Wenn man diese Anschauungen mit denen in Deutschland vergleicht, so muß
man sagen, daß in Frankreich, dem Lande der freiesten Kritik, die Künstler und
die Schriftsteller gegen die Übergriffe und Schädigungen des Rezensententums mehr
geschützt sind als bei uns, und daß sich in Deutschland auf diesem Gebiete allmählich
Zustände gebildet haben, die doch die Aufmerksamkeit und das Eingreifen der Justiz
dringend fordern. Es scheint, als ob es notwendig wäre, den Paragraphen 193
des Strafgesetzbuchs einer Revision zu unterwerfen. Er lautet jetzt folgendermaßen:
„Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen,
ingleichen Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder
zur Wahrung berechtigter Interessen gemacht werden, sowie Vorhaltungen und
Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile
von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das
Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder
aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht."

Wer diesen Paragraphen ruhig und logisch denkend durchliest, der wird sich
sofort fragen: Wie ist es möglich gewesen, zwei so heterogene Gebiete wie die
literarische Kritik und die Beamtendisziplin unter einen Hut zu bringen? Der
Vorgesetzte steht doch zu seinem Untergebnen in einem ganz andern Verhältnis als
der Rezensent zu dem produktiven Künstler oder Schriftsteller. Zum mindesten
hätten also zwei Paragraphen gemacht werden müssen.

Aber der Paragraph ist auch wenig glücklich formuliert, und deshalb wird er
gegen den Willen des Gesetzgebers geradezu als ein Deckschild für ein gefährliches,
boshaftes und gehässiges Rezensententum mißbraucht. Der Gesetzgeber hat selbst¬
verständlich nur der anständigen, gerecht und billig denkenden Kritik einen freien
Spielraum geben wollen unter der Voraussetzung, daß sich ein gewissenhafter
Kritiker in der Rezension von Leistungen nicht lediglich auf „tadelnde Urteile"
beschränken oder gar ein systematisches Herunterreißen betreiben werde, sondern
selbstverständlich auch die positive Seite der Leistungen zu behandeln habe. Eine
Rezension, die nur die negative Seite einer Leistung ausbeutet und die Fehler,
Mängel und Versehen zu einem abschreckenden Konglomerat zusammenstellt, ist nach
dem französischen Urteil keine ehrliche Kritik mehr, sondern ein äsniArsinsnt, und
zwar ein straffälliges, auch wo eine direkt ausgesprochne Beleidigung nicht vorliegt.

Wenn man erfährt, aus welchen gemeinen Motiven manche Rezensenten das
Herunterreißen in Deutschland besorgen, wie dabei Neid, Bosheit, Schadenfreude,
Sensationsmache, Rachsucht wesentlich mitspielen, so ist es erklärlich, daß auch bei
uns, nach den jüngsten Entscheidungen zu urteilen, manche Richter den Paragraphen 193
nicht im Interesse des Rezensenten, sondern im Interesse des Künstlers oder des
Schriftstellers auszulegen beginnen. Und man kann eine solche Auffassung der Richter
nur mit Freuden begrüßen. In den Biographien unsrer Künstler und Schriftsteller
lesen wir immer wieder, wie ihr gesundes produktives Wirken durch eine gemeine,


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[0259] Maßgebliche mit Unmaßgebliches gewerbmäßig betreibt und darin eine raffinierte Technik ausgebildet hat, ist durch diesen Richterspruch in große Bestürzung geraten und sucht mit aller Macht da¬ gegen zu protestieren. Vor allem gegen den Satz des Tribunals: 1s, sritiyus us Wen-ait s'sxsrosr sans oontMg. Andre Kritiker jedoch, die in ihrem Urteil, in ihren Äußerungen und Wendungen vor allen Dingen Gentlemen bleiben wollen, sich nicht auf ein bloß negatives Beurteilen beschränken, sondern vor allen Dingen gerecht und billig auch die positiven Seiten jeder Leistung berücksichtigen, halten die Verurteilung des Rezensenten durchaus für gerechtfertigt. Einer von ihnen sagt, der anständige Kritiker werde durch dieses Urteil nicht bedroht. II taut tairs uns ciistinoticm vntrs „oritiHUA'" se „äsniKrsr", et ostts clistinstion, 1s tiibunal 1'g, ^äisisusswent «eg,v1is, DsniZrsr, e'sse somilisttrs un «Islit, v'sse tomdsr suis 1s oonx als 1a loi. Wenn man diese Anschauungen mit denen in Deutschland vergleicht, so muß man sagen, daß in Frankreich, dem Lande der freiesten Kritik, die Künstler und die Schriftsteller gegen die Übergriffe und Schädigungen des Rezensententums mehr geschützt sind als bei uns, und daß sich in Deutschland auf diesem Gebiete allmählich Zustände gebildet haben, die doch die Aufmerksamkeit und das Eingreifen der Justiz dringend fordern. Es scheint, als ob es notwendig wäre, den Paragraphen 193 des Strafgesetzbuchs einer Revision zu unterwerfen. Er lautet jetzt folgendermaßen: „Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, ingleichen Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrung berechtigter Interessen gemacht werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht." Wer diesen Paragraphen ruhig und logisch denkend durchliest, der wird sich sofort fragen: Wie ist es möglich gewesen, zwei so heterogene Gebiete wie die literarische Kritik und die Beamtendisziplin unter einen Hut zu bringen? Der Vorgesetzte steht doch zu seinem Untergebnen in einem ganz andern Verhältnis als der Rezensent zu dem produktiven Künstler oder Schriftsteller. Zum mindesten hätten also zwei Paragraphen gemacht werden müssen. Aber der Paragraph ist auch wenig glücklich formuliert, und deshalb wird er gegen den Willen des Gesetzgebers geradezu als ein Deckschild für ein gefährliches, boshaftes und gehässiges Rezensententum mißbraucht. Der Gesetzgeber hat selbst¬ verständlich nur der anständigen, gerecht und billig denkenden Kritik einen freien Spielraum geben wollen unter der Voraussetzung, daß sich ein gewissenhafter Kritiker in der Rezension von Leistungen nicht lediglich auf „tadelnde Urteile" beschränken oder gar ein systematisches Herunterreißen betreiben werde, sondern selbstverständlich auch die positive Seite der Leistungen zu behandeln habe. Eine Rezension, die nur die negative Seite einer Leistung ausbeutet und die Fehler, Mängel und Versehen zu einem abschreckenden Konglomerat zusammenstellt, ist nach dem französischen Urteil keine ehrliche Kritik mehr, sondern ein äsniArsinsnt, und zwar ein straffälliges, auch wo eine direkt ausgesprochne Beleidigung nicht vorliegt. Wenn man erfährt, aus welchen gemeinen Motiven manche Rezensenten das Herunterreißen in Deutschland besorgen, wie dabei Neid, Bosheit, Schadenfreude, Sensationsmache, Rachsucht wesentlich mitspielen, so ist es erklärlich, daß auch bei uns, nach den jüngsten Entscheidungen zu urteilen, manche Richter den Paragraphen 193 nicht im Interesse des Rezensenten, sondern im Interesse des Künstlers oder des Schriftstellers auszulegen beginnen. Und man kann eine solche Auffassung der Richter nur mit Freuden begrüßen. In den Biographien unsrer Künstler und Schriftsteller lesen wir immer wieder, wie ihr gesundes produktives Wirken durch eine gemeine,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/259>, abgerufen am 22.05.2024.