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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie im Dienste des "üstenrettungsrvesens

den Mortier und dessen Munition eingeladen hatten, zu besteigen und auf die
Geschicklichkeit der durch Geldverheißungen gewonnenen 16 Lootsen und ihr
Glück vertrauend, die wütenden Wellen zu durchschneiden. Um 2 Uhr Nach¬
mittags fuhren sie ab. wurden aber eine Strecke ins Haff getrieben, da die
Seile am Sturmsegel zerrissen und es viele Mühe und Zeit kostete, sie wieder
zu befestigen. Um 4 Uhr langten die kühnen Schiffenden, völlig von den
Wellen durchnäßt, dem Wrack gegenüber, auf dem Möwenhaken an. Sie mußten,
bis an die Brust im Wasser gehend, das Geschütz und die Munition ans Land
tragen - Der vierte Schuß bereits brachte die Leine über das Schiff. ...
Um 8 Uhr fuhr der Seelenberger (so wird das große Rettungsboot genannt)
mit der Zahl seiner Retter und Geretteten nach Plllau und kam daselbst um
9 Uhr Abends wohlbehalten an." .- -
irddenbeide

In dieser Schilderung des Ereignisses wn Artillerieoffizieren
nicht nur das Verdienst der Ausführung, sondern auch das der Anregung des
Rettungsversuchs zugeschrieben. Beider lebhaften Teilnahme, die die preußische"
Artillerieoffiziere dem Rettungswesen entgegenbrachten. P e.ne solche sel ständige
Beteiligung am Nettungswerk gar nicht unwahrscheinlich. Gleichwohl glaube
ich dem in diesem Punkte ausführlichen, wenn auch nicht ganz klaren Berichte
im Archiv folgen und annehmen zu müssen, daß die Amegung zur Anwendung
des Mörserapparats von der Hafenpolizeikommisfion ausging, er. wie ich oben
erwähnt habe, von der Regierung die Anwendung des Manbyschen Apparats
im äußersten Notfall gestattet worden war. Die Artillerieoffiziere und die
Mannschaften, die sich ihnen anschlössen, haben in diesem Ernstfalle in Fnedens-
zeit ihre Fähigkeit, sich rasch zu entschließen und op ermutlg der Gefahr ent-
gegenzuaehn bewiesen. Der König belohnte die Tapferkeit, die sie im Frieden
bewährt hatten, durch die Verleihung der ersten Klasse des Allgemeinen Ehren¬
zeichens an die Leutnants von Roggenbucke und Bartsch und der zweiten Klasse
desselben Ordens an den Unteroffizier Wächter, den Bombardier Ströbel und
die Kanoniere Bensch und Blum. Leutnant von Roggenbucke und die Mann¬
schaften gehörten der nach Pillau detachierten 4. Fußkompagme der 1 Artillene-
brigade an. Leutnant Bartsch war nach Pillau zur Handwerkssektion der Brigade
kommandiert. . ^ . ^

Die Rettung auf dem Möwenhaken ist eme der schönsten Episoden in der
Geschichte des deutschen Küstenrettungswesens. Ich verweile gern bei diesem
Ereignis. Es tut mir so wohl, den frischen Wage- und Opfermut der Jugend
des Heeres im Dienste der Nächstenliebe zu sehen. Der Anblick ist tröstlich,
mag ihn auch ein längst vergangnes Geschlecht bieten. Denn die Enkel sind ihrer
Großväter wert.

Dem Kanoniergeneral, dem Artillerissimus des preußischen Heeres - so
nennt ein Biograph den Prinzen August von Preußen, der damals General¬
inspekteur der Artillerie war --. entging die friedliche Tätigkeit der Brigade, die
ihm besonders nahe stand, nicht. Der artilleristische Charakter des neuen


Grenzboten II 1903 ^
Die preußische Artillerie im Dienste des «üstenrettungsrvesens

den Mortier und dessen Munition eingeladen hatten, zu besteigen und auf die
Geschicklichkeit der durch Geldverheißungen gewonnenen 16 Lootsen und ihr
Glück vertrauend, die wütenden Wellen zu durchschneiden. Um 2 Uhr Nach¬
mittags fuhren sie ab. wurden aber eine Strecke ins Haff getrieben, da die
Seile am Sturmsegel zerrissen und es viele Mühe und Zeit kostete, sie wieder
zu befestigen. Um 4 Uhr langten die kühnen Schiffenden, völlig von den
Wellen durchnäßt, dem Wrack gegenüber, auf dem Möwenhaken an. Sie mußten,
bis an die Brust im Wasser gehend, das Geschütz und die Munition ans Land
tragen - Der vierte Schuß bereits brachte die Leine über das Schiff. ...
Um 8 Uhr fuhr der Seelenberger (so wird das große Rettungsboot genannt)
mit der Zahl seiner Retter und Geretteten nach Plllau und kam daselbst um
9 Uhr Abends wohlbehalten an." .- -
irddenbeide

In dieser Schilderung des Ereignisses wn Artillerieoffizieren
nicht nur das Verdienst der Ausführung, sondern auch das der Anregung des
Rettungsversuchs zugeschrieben. Beider lebhaften Teilnahme, die die preußische»
Artillerieoffiziere dem Rettungswesen entgegenbrachten. P e.ne solche sel ständige
Beteiligung am Nettungswerk gar nicht unwahrscheinlich. Gleichwohl glaube
ich dem in diesem Punkte ausführlichen, wenn auch nicht ganz klaren Berichte
im Archiv folgen und annehmen zu müssen, daß die Amegung zur Anwendung
des Mörserapparats von der Hafenpolizeikommisfion ausging, er. wie ich oben
erwähnt habe, von der Regierung die Anwendung des Manbyschen Apparats
im äußersten Notfall gestattet worden war. Die Artillerieoffiziere und die
Mannschaften, die sich ihnen anschlössen, haben in diesem Ernstfalle in Fnedens-
zeit ihre Fähigkeit, sich rasch zu entschließen und op ermutlg der Gefahr ent-
gegenzuaehn bewiesen. Der König belohnte die Tapferkeit, die sie im Frieden
bewährt hatten, durch die Verleihung der ersten Klasse des Allgemeinen Ehren¬
zeichens an die Leutnants von Roggenbucke und Bartsch und der zweiten Klasse
desselben Ordens an den Unteroffizier Wächter, den Bombardier Ströbel und
die Kanoniere Bensch und Blum. Leutnant von Roggenbucke und die Mann¬
schaften gehörten der nach Pillau detachierten 4. Fußkompagme der 1 Artillene-
brigade an. Leutnant Bartsch war nach Pillau zur Handwerkssektion der Brigade
kommandiert. . ^ . ^

Die Rettung auf dem Möwenhaken ist eme der schönsten Episoden in der
Geschichte des deutschen Küstenrettungswesens. Ich verweile gern bei diesem
Ereignis. Es tut mir so wohl, den frischen Wage- und Opfermut der Jugend
des Heeres im Dienste der Nächstenliebe zu sehen. Der Anblick ist tröstlich,
mag ihn auch ein längst vergangnes Geschlecht bieten. Denn die Enkel sind ihrer
Großväter wert.

Dem Kanoniergeneral, dem Artillerissimus des preußischen Heeres - so
nennt ein Biograph den Prinzen August von Preußen, der damals General¬
inspekteur der Artillerie war —. entging die friedliche Tätigkeit der Brigade, die
ihm besonders nahe stand, nicht. Der artilleristische Charakter des neuen


Grenzboten II 1903 ^
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[0133] Die preußische Artillerie im Dienste des «üstenrettungsrvesens den Mortier und dessen Munition eingeladen hatten, zu besteigen und auf die Geschicklichkeit der durch Geldverheißungen gewonnenen 16 Lootsen und ihr Glück vertrauend, die wütenden Wellen zu durchschneiden. Um 2 Uhr Nach¬ mittags fuhren sie ab. wurden aber eine Strecke ins Haff getrieben, da die Seile am Sturmsegel zerrissen und es viele Mühe und Zeit kostete, sie wieder zu befestigen. Um 4 Uhr langten die kühnen Schiffenden, völlig von den Wellen durchnäßt, dem Wrack gegenüber, auf dem Möwenhaken an. Sie mußten, bis an die Brust im Wasser gehend, das Geschütz und die Munition ans Land tragen - Der vierte Schuß bereits brachte die Leine über das Schiff. ... Um 8 Uhr fuhr der Seelenberger (so wird das große Rettungsboot genannt) mit der Zahl seiner Retter und Geretteten nach Plllau und kam daselbst um 9 Uhr Abends wohlbehalten an." .- - irddenbeide In dieser Schilderung des Ereignisses wn Artillerieoffizieren nicht nur das Verdienst der Ausführung, sondern auch das der Anregung des Rettungsversuchs zugeschrieben. Beider lebhaften Teilnahme, die die preußische» Artillerieoffiziere dem Rettungswesen entgegenbrachten. P e.ne solche sel ständige Beteiligung am Nettungswerk gar nicht unwahrscheinlich. Gleichwohl glaube ich dem in diesem Punkte ausführlichen, wenn auch nicht ganz klaren Berichte im Archiv folgen und annehmen zu müssen, daß die Amegung zur Anwendung des Mörserapparats von der Hafenpolizeikommisfion ausging, er. wie ich oben erwähnt habe, von der Regierung die Anwendung des Manbyschen Apparats im äußersten Notfall gestattet worden war. Die Artillerieoffiziere und die Mannschaften, die sich ihnen anschlössen, haben in diesem Ernstfalle in Fnedens- zeit ihre Fähigkeit, sich rasch zu entschließen und op ermutlg der Gefahr ent- gegenzuaehn bewiesen. Der König belohnte die Tapferkeit, die sie im Frieden bewährt hatten, durch die Verleihung der ersten Klasse des Allgemeinen Ehren¬ zeichens an die Leutnants von Roggenbucke und Bartsch und der zweiten Klasse desselben Ordens an den Unteroffizier Wächter, den Bombardier Ströbel und die Kanoniere Bensch und Blum. Leutnant von Roggenbucke und die Mann¬ schaften gehörten der nach Pillau detachierten 4. Fußkompagme der 1 Artillene- brigade an. Leutnant Bartsch war nach Pillau zur Handwerkssektion der Brigade kommandiert. . ^ . ^ Die Rettung auf dem Möwenhaken ist eme der schönsten Episoden in der Geschichte des deutschen Küstenrettungswesens. Ich verweile gern bei diesem Ereignis. Es tut mir so wohl, den frischen Wage- und Opfermut der Jugend des Heeres im Dienste der Nächstenliebe zu sehen. Der Anblick ist tröstlich, mag ihn auch ein längst vergangnes Geschlecht bieten. Denn die Enkel sind ihrer Großväter wert. Dem Kanoniergeneral, dem Artillerissimus des preußischen Heeres - so nennt ein Biograph den Prinzen August von Preußen, der damals General¬ inspekteur der Artillerie war —. entging die friedliche Tätigkeit der Brigade, die ihm besonders nahe stand, nicht. Der artilleristische Charakter des neuen Grenzboten II 1903 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/133>, abgerufen am 15.05.2024.