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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Der Prozeß gegen Unholde und Zauberische Personen

In vielen Tribunalibus. hört man weiter, sei es Brauch, daß vor der
Vernehmung kein Beichtvater zum Gefangnen zugelassen werde. Den Geist¬
lichen soll jedoch der Richter heranziehen, wenn der oder die Gefangne vor dem
Geständnisse, nach Feststellung durch die Hüter, krank oder "Klubs schwanger"
ist; und der Seelsorger soll einem Unholden das Sakrament des Altars ab¬
schlagen, wenn dieser öffentlich das Zaubereilaster widerruft."

Zur Frage, "ob man die Hexen und Unholden lebendig verbrennen soll,
wird gesagt, daß dies zwar alte Sitt und Brauch der Christen sei, "zu jetziger
unser Zeit aber" sei der milde Brauch eingenommen: so sie der bösen Geister
Gesellschaft absagen und dem lieben Gott mit "rewmütigen Hertzen wieder zu¬
schweren", würden sie "nach jedes Orts Statut entweder strcmgulirt und ver¬
sticket oder mit dem Schwert zuvor enthauptet". Wenn eine zauberische Person
im Karcker nach der Folterung xlens oder 8sui?im6 die gegen ihr vorgebrachten
wüioia elidirt und dann "sich selbsten erhenckt oder ums Leben gebracht hat.
so soll ein solcher verzweifelter Mensch doch nicht auf dem Kirchhof, sondern
auf etwan einem Hundsacker begraben werden", denn weil dies "ein privilegirtes
Laster" sei, würden die gemeine Rechten in "allem steiff gehalten und wird ver¬
fahren, als wenn er das Laster begangen und bekannt"; es sei eben bei allen
tnwnzUvuL bekannt, "daß sich die Gefangenen meist aus Verführung der
bösen Buhl und Spielgeister umbbringen". Die Güter der zur Leibsstraff ver¬
urteilten zauberischen Personen sollten nach der Meinung der Doktoren "dem
6"°o und Rentsäckel" zugesprochen werden; den Schaden aber, den sie und Hülf
und Anruffung des unholden Geistes andern zugebracht, sollen ihre "nach¬
kommende uoroäW und Erben schuldig" sein zu erstatten.

Den vorstehend kurz erwähnten fünfzehn Abhandlungen des kriminellen
Werks sind ausführliche rotas se aääitionaw in lateinischer Sprache beigefügt,
i" denen mit großer Gelehrsamkeit die betreffenden Ansichten von Schriftstellern
Merk sind. Ebenso umfangreich sind siebzehn hieran sich schließende Abhand¬
lungen über Einzelfragen: über die Wasserprobe, die Bestrafung durch Feuer,
den Vertrag der Zauberinnen mit dem "Dämon", über die Frage, ob die
nächtlichen Zusammenkünfte der Zauberer wahr oder eingebildet seien, über den
Wert der Zeugnisse einer und mehrerer Hexen usw. Von der Wasserprobe wird
ausgeführt, "daß solche puiAMo xsr acMin tri^ä-M eine iinvroww exploratio
seh, davon wir weder in vel noch (Änaiis coäiee lesen und dahero fast von
allen löblichen Theologischen und Juristen-Facultäten totiu8 6srmMiav und
anderswo verworffen"; dennoch rate Godelman, sie als ein aällümoulaul
MMiMoms oocllltura beizubehalten, die NarxurMN8ö8 jedoch geben das
Gutachten dahin ab. sie könnten dieses angedeutete Experiment, die ver¬
dächtigen Personen "auffs Wasser zuwerfen, nicht approbiren oder vor Christ¬
lich halten".

Im Anschluß an diesen kurzen Auszug aus dem Werke des gelehrten
Schriftstellers Göhausen über und für Hexenprozesse verdient hervorgehoben zu


Der Prozeß gegen Unholde und Zauberische Personen

In vielen Tribunalibus. hört man weiter, sei es Brauch, daß vor der
Vernehmung kein Beichtvater zum Gefangnen zugelassen werde. Den Geist¬
lichen soll jedoch der Richter heranziehen, wenn der oder die Gefangne vor dem
Geständnisse, nach Feststellung durch die Hüter, krank oder „Klubs schwanger"
ist; und der Seelsorger soll einem Unholden das Sakrament des Altars ab¬
schlagen, wenn dieser öffentlich das Zaubereilaster widerruft."

Zur Frage, „ob man die Hexen und Unholden lebendig verbrennen soll,
wird gesagt, daß dies zwar alte Sitt und Brauch der Christen sei, „zu jetziger
unser Zeit aber" sei der milde Brauch eingenommen: so sie der bösen Geister
Gesellschaft absagen und dem lieben Gott mit „rewmütigen Hertzen wieder zu¬
schweren", würden sie „nach jedes Orts Statut entweder strcmgulirt und ver¬
sticket oder mit dem Schwert zuvor enthauptet". Wenn eine zauberische Person
im Karcker nach der Folterung xlens oder 8sui?im6 die gegen ihr vorgebrachten
wüioia elidirt und dann „sich selbsten erhenckt oder ums Leben gebracht hat.
so soll ein solcher verzweifelter Mensch doch nicht auf dem Kirchhof, sondern
auf etwan einem Hundsacker begraben werden", denn weil dies „ein privilegirtes
Laster" sei, würden die gemeine Rechten in „allem steiff gehalten und wird ver¬
fahren, als wenn er das Laster begangen und bekannt»; es sei eben bei allen
tnwnzUvuL bekannt, „daß sich die Gefangenen meist aus Verführung der
bösen Buhl und Spielgeister umbbringen". Die Güter der zur Leibsstraff ver¬
urteilten zauberischen Personen sollten nach der Meinung der Doktoren „dem
6»°o und Rentsäckel" zugesprochen werden; den Schaden aber, den sie und Hülf
und Anruffung des unholden Geistes andern zugebracht, sollen ihre „nach¬
kommende uoroäW und Erben schuldig" sein zu erstatten.

Den vorstehend kurz erwähnten fünfzehn Abhandlungen des kriminellen
Werks sind ausführliche rotas se aääitionaw in lateinischer Sprache beigefügt,
i" denen mit großer Gelehrsamkeit die betreffenden Ansichten von Schriftstellern
Merk sind. Ebenso umfangreich sind siebzehn hieran sich schließende Abhand¬
lungen über Einzelfragen: über die Wasserprobe, die Bestrafung durch Feuer,
den Vertrag der Zauberinnen mit dem „Dämon", über die Frage, ob die
nächtlichen Zusammenkünfte der Zauberer wahr oder eingebildet seien, über den
Wert der Zeugnisse einer und mehrerer Hexen usw. Von der Wasserprobe wird
ausgeführt, „daß solche puiAMo xsr acMin tri^ä-M eine iinvroww exploratio
seh, davon wir weder in vel noch (Änaiis coäiee lesen und dahero fast von
allen löblichen Theologischen und Juristen-Facultäten totiu8 6srmMiav und
anderswo verworffen"; dennoch rate Godelman, sie als ein aällümoulaul
MMiMoms oocllltura beizubehalten, die NarxurMN8ö8 jedoch geben das
Gutachten dahin ab. sie könnten dieses angedeutete Experiment, die ver¬
dächtigen Personen „auffs Wasser zuwerfen, nicht approbiren oder vor Christ¬
lich halten".

Im Anschluß an diesen kurzen Auszug aus dem Werke des gelehrten
Schriftstellers Göhausen über und für Hexenprozesse verdient hervorgehoben zu


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[0143] Der Prozeß gegen Unholde und Zauberische Personen In vielen Tribunalibus. hört man weiter, sei es Brauch, daß vor der Vernehmung kein Beichtvater zum Gefangnen zugelassen werde. Den Geist¬ lichen soll jedoch der Richter heranziehen, wenn der oder die Gefangne vor dem Geständnisse, nach Feststellung durch die Hüter, krank oder „Klubs schwanger" ist; und der Seelsorger soll einem Unholden das Sakrament des Altars ab¬ schlagen, wenn dieser öffentlich das Zaubereilaster widerruft." Zur Frage, „ob man die Hexen und Unholden lebendig verbrennen soll, wird gesagt, daß dies zwar alte Sitt und Brauch der Christen sei, „zu jetziger unser Zeit aber" sei der milde Brauch eingenommen: so sie der bösen Geister Gesellschaft absagen und dem lieben Gott mit „rewmütigen Hertzen wieder zu¬ schweren", würden sie „nach jedes Orts Statut entweder strcmgulirt und ver¬ sticket oder mit dem Schwert zuvor enthauptet". Wenn eine zauberische Person im Karcker nach der Folterung xlens oder 8sui?im6 die gegen ihr vorgebrachten wüioia elidirt und dann „sich selbsten erhenckt oder ums Leben gebracht hat. so soll ein solcher verzweifelter Mensch doch nicht auf dem Kirchhof, sondern auf etwan einem Hundsacker begraben werden", denn weil dies „ein privilegirtes Laster" sei, würden die gemeine Rechten in „allem steiff gehalten und wird ver¬ fahren, als wenn er das Laster begangen und bekannt»; es sei eben bei allen tnwnzUvuL bekannt, „daß sich die Gefangenen meist aus Verführung der bösen Buhl und Spielgeister umbbringen". Die Güter der zur Leibsstraff ver¬ urteilten zauberischen Personen sollten nach der Meinung der Doktoren „dem 6»°o und Rentsäckel" zugesprochen werden; den Schaden aber, den sie und Hülf und Anruffung des unholden Geistes andern zugebracht, sollen ihre „nach¬ kommende uoroäW und Erben schuldig" sein zu erstatten. Den vorstehend kurz erwähnten fünfzehn Abhandlungen des kriminellen Werks sind ausführliche rotas se aääitionaw in lateinischer Sprache beigefügt, i" denen mit großer Gelehrsamkeit die betreffenden Ansichten von Schriftstellern Merk sind. Ebenso umfangreich sind siebzehn hieran sich schließende Abhand¬ lungen über Einzelfragen: über die Wasserprobe, die Bestrafung durch Feuer, den Vertrag der Zauberinnen mit dem „Dämon", über die Frage, ob die nächtlichen Zusammenkünfte der Zauberer wahr oder eingebildet seien, über den Wert der Zeugnisse einer und mehrerer Hexen usw. Von der Wasserprobe wird ausgeführt, „daß solche puiAMo xsr acMin tri^ä-M eine iinvroww exploratio seh, davon wir weder in vel noch (Änaiis coäiee lesen und dahero fast von allen löblichen Theologischen und Juristen-Facultäten totiu8 6srmMiav und anderswo verworffen"; dennoch rate Godelman, sie als ein aällümoulaul MMiMoms oocllltura beizubehalten, die NarxurMN8ö8 jedoch geben das Gutachten dahin ab. sie könnten dieses angedeutete Experiment, die ver¬ dächtigen Personen „auffs Wasser zuwerfen, nicht approbiren oder vor Christ¬ lich halten". Im Anschluß an diesen kurzen Auszug aus dem Werke des gelehrten Schriftstellers Göhausen über und für Hexenprozesse verdient hervorgehoben zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/143>, abgerufen am 16.05.2024.