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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die modernen chinesischen Truppen in petschili

Waffen, durchzogen die Rebellen sengend und mordend von Süden nach Norden
das geplagte Land. China mußte es sich gefallen lassen, daß schließlich mit
Hilfe englisch-französischer Truppen dem Aufstand ein Ende gemacht wurde,
denn die eignen Truppen, obwohl schon in den Anfangsstadien der europäischen
Ausbildung, vermochten nur wenig, außerdem lag China (in den letzten Jahren
des Taipingaufstcmdes) selbst mit Frankreich und England im Kriege.

Anfang der achtziger Jahre fiel Tonking an Frankreich; wir sehen etwa
zwanzig Jahre später, wie das Reich der Sonne trotz seiner schönen Schiffe
und modernisierten Truppen von Japan besiegt wird, sehen die Wirren
von 1900, wo sich der Morgenländer den Waffen des Mannes ans dem
Westen beugt, und schauen endlich atemlos auf das wilde russisch-japanische
Ringen auf chinesischem Boden, denn dank dem Unvermögen seiner Truppen
stand China machtlos an der mandschnrischen Grenze und sah blutenden Herzens
zu, wie zwei fremde Mächte sein eignes Land leiden machten.

Seit Jahrzehnten schon waren ausländische Militärinstrukteure im chine¬
sischen Solde tätig, aber die Tatsachen zelligem nur negativen Erfolg. Das
Amt eines solchen Instrukteurs war dornenvoll.

Der Chinese ist von klein auf dazu erzogen, den Soldatenstand nicht zu
achten, dementsprechend war der Ersatz, mit dem sich die Lehrer abzuquälen
hatten, recht mäßig. Die Verschiedenheit in den Charakteren des Orientalen
und des Occidentalen kommt hindernd hinzu, dieser muß sich erst vollständig
in den Gedankengang jenes hineinversetzen, um sich eine auch nur einigermaßen
genügende Autorität zu verschaffen.

Einen richtigen soldatischen Geist in der chinesischen Armee einführen zu
wollen, ist eine gewaltige Aufgabe, eine Sisyphusarbeit. Aber es existiert
jetzt ein Mächtiger, der es sich vorgenommen hat, mit allen Kräften diese
Arbeit innerhalb seines Machtbereichs erfolgreich zu machen, es ist der Vize¬
könig von Tschiki, Duar-fehl-kai, der Reformator, der mit weitem Blick unter
der Devise "China für die Chinesen" an der Modernisierung seiner Truppen
arbeitet.

"China für die Chinesen", das heißt leider für uns, daß er dem Stamm
der Morgenländer auch insofern treu bleibt, als er jetzt die japanischen In¬
strukteure bevorzugt, denen die andern ausländischen immer mehr weichen
müssen, denn der Japaner hat alles moderne erlernt und lehrt sein Wissen
und Können -- soviel ihm davon weiterzugehen gut scheint -- billiger als
der Abendländer.

Und nicht nur in Petschili arbeitet man schon längst nach dem japanischen
Exerzierreglement, sondern dieses wird auch am Jangtse eingeführt, denn eine
Verfügung des Generalgouverneurs von Nanking vom Frühjahr 1904 bestimmt
auf Grund eines Berichts vom Kommandanten der Forts bei Nanking, daß
in den Jangtseprovinzen das japanische Exerzierreglement eingeführt werden
soll, daß also nicht mehr nach dem deutschen, englischen und japanischen zugleich


Die modernen chinesischen Truppen in petschili

Waffen, durchzogen die Rebellen sengend und mordend von Süden nach Norden
das geplagte Land. China mußte es sich gefallen lassen, daß schließlich mit
Hilfe englisch-französischer Truppen dem Aufstand ein Ende gemacht wurde,
denn die eignen Truppen, obwohl schon in den Anfangsstadien der europäischen
Ausbildung, vermochten nur wenig, außerdem lag China (in den letzten Jahren
des Taipingaufstcmdes) selbst mit Frankreich und England im Kriege.

Anfang der achtziger Jahre fiel Tonking an Frankreich; wir sehen etwa
zwanzig Jahre später, wie das Reich der Sonne trotz seiner schönen Schiffe
und modernisierten Truppen von Japan besiegt wird, sehen die Wirren
von 1900, wo sich der Morgenländer den Waffen des Mannes ans dem
Westen beugt, und schauen endlich atemlos auf das wilde russisch-japanische
Ringen auf chinesischem Boden, denn dank dem Unvermögen seiner Truppen
stand China machtlos an der mandschnrischen Grenze und sah blutenden Herzens
zu, wie zwei fremde Mächte sein eignes Land leiden machten.

Seit Jahrzehnten schon waren ausländische Militärinstrukteure im chine¬
sischen Solde tätig, aber die Tatsachen zelligem nur negativen Erfolg. Das
Amt eines solchen Instrukteurs war dornenvoll.

Der Chinese ist von klein auf dazu erzogen, den Soldatenstand nicht zu
achten, dementsprechend war der Ersatz, mit dem sich die Lehrer abzuquälen
hatten, recht mäßig. Die Verschiedenheit in den Charakteren des Orientalen
und des Occidentalen kommt hindernd hinzu, dieser muß sich erst vollständig
in den Gedankengang jenes hineinversetzen, um sich eine auch nur einigermaßen
genügende Autorität zu verschaffen.

Einen richtigen soldatischen Geist in der chinesischen Armee einführen zu
wollen, ist eine gewaltige Aufgabe, eine Sisyphusarbeit. Aber es existiert
jetzt ein Mächtiger, der es sich vorgenommen hat, mit allen Kräften diese
Arbeit innerhalb seines Machtbereichs erfolgreich zu machen, es ist der Vize¬
könig von Tschiki, Duar-fehl-kai, der Reformator, der mit weitem Blick unter
der Devise „China für die Chinesen" an der Modernisierung seiner Truppen
arbeitet.

„China für die Chinesen", das heißt leider für uns, daß er dem Stamm
der Morgenländer auch insofern treu bleibt, als er jetzt die japanischen In¬
strukteure bevorzugt, denen die andern ausländischen immer mehr weichen
müssen, denn der Japaner hat alles moderne erlernt und lehrt sein Wissen
und Können — soviel ihm davon weiterzugehen gut scheint — billiger als
der Abendländer.

Und nicht nur in Petschili arbeitet man schon längst nach dem japanischen
Exerzierreglement, sondern dieses wird auch am Jangtse eingeführt, denn eine
Verfügung des Generalgouverneurs von Nanking vom Frühjahr 1904 bestimmt
auf Grund eines Berichts vom Kommandanten der Forts bei Nanking, daß
in den Jangtseprovinzen das japanische Exerzierreglement eingeführt werden
soll, daß also nicht mehr nach dem deutschen, englischen und japanischen zugleich


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[0166] Die modernen chinesischen Truppen in petschili Waffen, durchzogen die Rebellen sengend und mordend von Süden nach Norden das geplagte Land. China mußte es sich gefallen lassen, daß schließlich mit Hilfe englisch-französischer Truppen dem Aufstand ein Ende gemacht wurde, denn die eignen Truppen, obwohl schon in den Anfangsstadien der europäischen Ausbildung, vermochten nur wenig, außerdem lag China (in den letzten Jahren des Taipingaufstcmdes) selbst mit Frankreich und England im Kriege. Anfang der achtziger Jahre fiel Tonking an Frankreich; wir sehen etwa zwanzig Jahre später, wie das Reich der Sonne trotz seiner schönen Schiffe und modernisierten Truppen von Japan besiegt wird, sehen die Wirren von 1900, wo sich der Morgenländer den Waffen des Mannes ans dem Westen beugt, und schauen endlich atemlos auf das wilde russisch-japanische Ringen auf chinesischem Boden, denn dank dem Unvermögen seiner Truppen stand China machtlos an der mandschnrischen Grenze und sah blutenden Herzens zu, wie zwei fremde Mächte sein eignes Land leiden machten. Seit Jahrzehnten schon waren ausländische Militärinstrukteure im chine¬ sischen Solde tätig, aber die Tatsachen zelligem nur negativen Erfolg. Das Amt eines solchen Instrukteurs war dornenvoll. Der Chinese ist von klein auf dazu erzogen, den Soldatenstand nicht zu achten, dementsprechend war der Ersatz, mit dem sich die Lehrer abzuquälen hatten, recht mäßig. Die Verschiedenheit in den Charakteren des Orientalen und des Occidentalen kommt hindernd hinzu, dieser muß sich erst vollständig in den Gedankengang jenes hineinversetzen, um sich eine auch nur einigermaßen genügende Autorität zu verschaffen. Einen richtigen soldatischen Geist in der chinesischen Armee einführen zu wollen, ist eine gewaltige Aufgabe, eine Sisyphusarbeit. Aber es existiert jetzt ein Mächtiger, der es sich vorgenommen hat, mit allen Kräften diese Arbeit innerhalb seines Machtbereichs erfolgreich zu machen, es ist der Vize¬ könig von Tschiki, Duar-fehl-kai, der Reformator, der mit weitem Blick unter der Devise „China für die Chinesen" an der Modernisierung seiner Truppen arbeitet. „China für die Chinesen", das heißt leider für uns, daß er dem Stamm der Morgenländer auch insofern treu bleibt, als er jetzt die japanischen In¬ strukteure bevorzugt, denen die andern ausländischen immer mehr weichen müssen, denn der Japaner hat alles moderne erlernt und lehrt sein Wissen und Können — soviel ihm davon weiterzugehen gut scheint — billiger als der Abendländer. Und nicht nur in Petschili arbeitet man schon längst nach dem japanischen Exerzierreglement, sondern dieses wird auch am Jangtse eingeführt, denn eine Verfügung des Generalgouverneurs von Nanking vom Frühjahr 1904 bestimmt auf Grund eines Berichts vom Kommandanten der Forts bei Nanking, daß in den Jangtseprovinzen das japanische Exerzierreglement eingeführt werden soll, daß also nicht mehr nach dem deutschen, englischen und japanischen zugleich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/166>, abgerufen am 15.05.2024.