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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die asiatische Linwandrung

Indem Natal die Jndier unter solchen Bedingungen zuläßt, ergibt es
sich in das Schicksal einer ständig wachsenden asiatischen Bevölkerung. Die
Form des Kontrakts und der Zulassungsbedingungen ist ausschlaggebend.

Neben allen seinen guten Eigenschaften hat der Asiate auch die, daß er
ehrgeizig ist. Der Kuli auf der Plantage mag als solcher sterben, sein Sohn
kann kleiner Landbesitzer, Händler oder auch ein größerer Kaufmann werden.
Er tritt dann mit dem Weißen nicht nur auf landwirtschaftlichen Gebiet,
sondern auch auf dem des Handels in Wettbewerb. In Natal ist fast der
ganze Handel mit den Eingebornen in seinen Händen. Nun ist Natal, ab¬
gesehen vielleicht von der tropischen Küstenzone, für Ansiedlung Weißer
durchaus geeignet. Der Weiße will aber weder neben dem Farbigen arbeiten,
noch zu denselben Arbeitsbedingungen; diese Tatsache steht fest, und man muß
sie auch für die Zukunft als unerschütterlich ansehen, die Gründe sind sozialer
Art und liegen in der Rassenfeindschaft begründet.

So ist nach dem Gesagten mit einer allmählichen Verdrängung der
Weißen zu rechnen in einem Lande, wo es für die Zukunft vor allem darauf
ankommt, daß das weiße Element gestärkt wird. Ähnlich, wenn auch nicht
ganz so ernst, liegen die Verhältnisse in der Kapkolonie. In Kapstadt drängt
der Farbige den Weißen von der Straße. Erst in neuerer Zeit ist man sich
hier der Gefahr bewußt geworden, die dem Weißen durch den Eingebornen
droht, trotzdem gibt es heute keine einheitliche Anschauung in Südafrika über
die beste Lösung und Behandlung der Eingebornenfrage. Zwei Schulen stehn
sich hier gegenüber. Die eine vertreten durch die Nachkommen der alten
holländischen Ansiedler, die den Schwarzen als mit dem Fluche Hams belastet
ansahen und ihn wie ihre Ochsen behandelten. Die andre Richtung sieht in
dem Eingebornen den Menschen und glaubt, daß er ein nützliches Mitglied
des modernen Staates werden kann. Diese Richtung ist am Kap bisher vor¬
herrschend gewesen und hat ihre Ansichten dadurch zum Ausdruck gebracht,
daß sie dem Farbigen das Wahlrecht verlieh, nachdem er einer sehr bescheidnen
Forderung in bezug auf Schulbildung und Besitz genügt hatte. Diese von-
stiwticm oräirig.ii<Zö von 1887 hatte zur Folge, daß die Zahl der farbigen
Wähler in bedrohlicher Zahl anschwoll, aber erst 1892 wurde die Akte ge¬
ändert und verschärft.

Die englische Regierung sieht ein wirksames Mittel zur Verbesserung
der Zustände in Südafrika nur in dem Zusammenschluß der südafrikanischen
Kolonien in irgendeiner Form von Föderation (Lord Selbornes Denkschrift:
Parlamentsschrift 3564, Juli 1907). Es ist nun unmöglich, die Wichtigkeit
der Eingebornen- und Asiatenfrage in Südafrika in bezug auf diese vorge¬
schlagne Föderation der Staaten zu unterschützen. Bis hier keine Lösung ge¬
funden worden ist, bis nicht die gesamte weiße Bevölkerung Südafrikas einem
bestimmten gemeinsamen Ziel in diesen Fragen zuarbeitet, solange ist an eine
gesunde Föderation nicht zu denken.


Die asiatische Linwandrung

Indem Natal die Jndier unter solchen Bedingungen zuläßt, ergibt es
sich in das Schicksal einer ständig wachsenden asiatischen Bevölkerung. Die
Form des Kontrakts und der Zulassungsbedingungen ist ausschlaggebend.

Neben allen seinen guten Eigenschaften hat der Asiate auch die, daß er
ehrgeizig ist. Der Kuli auf der Plantage mag als solcher sterben, sein Sohn
kann kleiner Landbesitzer, Händler oder auch ein größerer Kaufmann werden.
Er tritt dann mit dem Weißen nicht nur auf landwirtschaftlichen Gebiet,
sondern auch auf dem des Handels in Wettbewerb. In Natal ist fast der
ganze Handel mit den Eingebornen in seinen Händen. Nun ist Natal, ab¬
gesehen vielleicht von der tropischen Küstenzone, für Ansiedlung Weißer
durchaus geeignet. Der Weiße will aber weder neben dem Farbigen arbeiten,
noch zu denselben Arbeitsbedingungen; diese Tatsache steht fest, und man muß
sie auch für die Zukunft als unerschütterlich ansehen, die Gründe sind sozialer
Art und liegen in der Rassenfeindschaft begründet.

So ist nach dem Gesagten mit einer allmählichen Verdrängung der
Weißen zu rechnen in einem Lande, wo es für die Zukunft vor allem darauf
ankommt, daß das weiße Element gestärkt wird. Ähnlich, wenn auch nicht
ganz so ernst, liegen die Verhältnisse in der Kapkolonie. In Kapstadt drängt
der Farbige den Weißen von der Straße. Erst in neuerer Zeit ist man sich
hier der Gefahr bewußt geworden, die dem Weißen durch den Eingebornen
droht, trotzdem gibt es heute keine einheitliche Anschauung in Südafrika über
die beste Lösung und Behandlung der Eingebornenfrage. Zwei Schulen stehn
sich hier gegenüber. Die eine vertreten durch die Nachkommen der alten
holländischen Ansiedler, die den Schwarzen als mit dem Fluche Hams belastet
ansahen und ihn wie ihre Ochsen behandelten. Die andre Richtung sieht in
dem Eingebornen den Menschen und glaubt, daß er ein nützliches Mitglied
des modernen Staates werden kann. Diese Richtung ist am Kap bisher vor¬
herrschend gewesen und hat ihre Ansichten dadurch zum Ausdruck gebracht,
daß sie dem Farbigen das Wahlrecht verlieh, nachdem er einer sehr bescheidnen
Forderung in bezug auf Schulbildung und Besitz genügt hatte. Diese von-
stiwticm oräirig.ii<Zö von 1887 hatte zur Folge, daß die Zahl der farbigen
Wähler in bedrohlicher Zahl anschwoll, aber erst 1892 wurde die Akte ge¬
ändert und verschärft.

Die englische Regierung sieht ein wirksames Mittel zur Verbesserung
der Zustände in Südafrika nur in dem Zusammenschluß der südafrikanischen
Kolonien in irgendeiner Form von Föderation (Lord Selbornes Denkschrift:
Parlamentsschrift 3564, Juli 1907). Es ist nun unmöglich, die Wichtigkeit
der Eingebornen- und Asiatenfrage in Südafrika in bezug auf diese vorge¬
schlagne Föderation der Staaten zu unterschützen. Bis hier keine Lösung ge¬
funden worden ist, bis nicht die gesamte weiße Bevölkerung Südafrikas einem
bestimmten gemeinsamen Ziel in diesen Fragen zuarbeitet, solange ist an eine
gesunde Föderation nicht zu denken.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/176>, abgerufen am 01.11.2024.