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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Reform unsrer Areditorganisation

Wäre unvermeidlich, während sich das amerikanische Publikum bald an dieses
Geld gewöhnt hat, da ihm seit vielen Jahren die Scheckzahlung durchaus ver¬
traut ist.

Da die Reichs- und Staatsbehörden in der letzten Zeit die Beamten durch
Zirkulare immer wieder auffordern, sich ein Depositenkonto errichten zu lassen,
mögen die Banken wohl voraussehen, daß sich der Staat für verpflichtet
halten wird, diesen Depositengeldern möglichst große Sicherheit zu verschaffen.
Hierzu wird ein Depositengesetz unvermeidlich sein, durch das entweder die
Vorschläge Hciligenstadts verwirklicht (die Kreditinstitute führen 1 bis 2 Prozent
der fremden Gelder als Reserve an die Reichsbank ab) oder besondre Vor¬
schriften für die Verwendung der Depositen erlassen werden. Daneben wird
zu berücksichtigen sein, daß die Lage der Banken nur dann als flüssig zu be¬
trachten ist, wenn die Reichsbank stark genug ist, die Wechselbestände der
Banken in kritischen Zeiten zu übernehmen. Demnach haben die Banken das
größte Interesse daran, die Stellung der Neichsbank zu kräftigen und zu diesem
Zweck Opfer zu bringen.

Reformbedürftig ist auch das Aceeptkreditgeschäft der Banken. Es fehlt
vor allem die Möglichkeit, den Acceptumlauf zuverlässig zu beurteilen. Die
Banken haben ein Interesse daran, diesen Umlauf so klein wie möglich dar¬
zustellen, da man ihnen bei zu großem Umlauf ebenso Mißtrauen entgegen¬
bringt wie jedem Kaufmann oder Privatmann, der über seine Kräfte Wechsel
acceptiert. Deshalb benützen die Banken verschiedne Mittel, die wahre Sach¬
lage zu verschleiern. Einen Teil der Accepte machen sie im Auslande zahlbar,
einen andern Teil geben sie nicht den Kunden zurück, damit diese ihn bei
andern Banken verkaufen, sondern sie kaufen diesen Teil der Accepte den
Kunden selbst ab und behalten ihn im eignen Wechselportefeuille. Der Anteil
dieser eignen Accepte am Portefeuille beträgt, wie Prion mitteilt, etwa 3 bis
5 Prozent. Es befinden sich also unter den Wechselbestünden der Banken,
die als leicht greifbare Forderungen gegen Dritte gelten, bedeutende Beträge
eigner Verpflichtungen. Diese künstlich zurückgehaltnem Accepte werden in
Zeiten großen Geldbedarfs "in aller Stille" (Prion. S. 91) dnrch eine
Maklerfirma verkauft, nachdem alle etwaigen Spuren ihrer Herkunft sorgfältig
verwischt sind, ein dringend weiterer Aufklärung und der Reform bedürftiges
Verfahren! Ganz besondres Interesse haben die Banken daran, daß in der
Bilanz am Jahresschluß der Acceptumlauf möglichst gering erscheint. Das
wird dadurch erreicht, daß ein Teil des Acceptkredits über den Jahresschluß
hinaus als Buchkredit geführt und erst später in Acceptkredit verwandelt
wird. Prion führt (auf S. 232) noch weitere Arten der Bilanzverschleierung
an. Die Art der Aufstellung von Bankbilanzen überhaupt ist sehr reform¬
bedürftig. Undurchsichtig und ganz ungleichmäßig aufgestellt erschweren sie eine
Beurteilung der wahren Vermögenslage außerordentlich.

Im vorstehenden sind nur einige Mängel des Geldmarktes und der


Reform unsrer Areditorganisation

Wäre unvermeidlich, während sich das amerikanische Publikum bald an dieses
Geld gewöhnt hat, da ihm seit vielen Jahren die Scheckzahlung durchaus ver¬
traut ist.

Da die Reichs- und Staatsbehörden in der letzten Zeit die Beamten durch
Zirkulare immer wieder auffordern, sich ein Depositenkonto errichten zu lassen,
mögen die Banken wohl voraussehen, daß sich der Staat für verpflichtet
halten wird, diesen Depositengeldern möglichst große Sicherheit zu verschaffen.
Hierzu wird ein Depositengesetz unvermeidlich sein, durch das entweder die
Vorschläge Hciligenstadts verwirklicht (die Kreditinstitute führen 1 bis 2 Prozent
der fremden Gelder als Reserve an die Reichsbank ab) oder besondre Vor¬
schriften für die Verwendung der Depositen erlassen werden. Daneben wird
zu berücksichtigen sein, daß die Lage der Banken nur dann als flüssig zu be¬
trachten ist, wenn die Reichsbank stark genug ist, die Wechselbestände der
Banken in kritischen Zeiten zu übernehmen. Demnach haben die Banken das
größte Interesse daran, die Stellung der Neichsbank zu kräftigen und zu diesem
Zweck Opfer zu bringen.

Reformbedürftig ist auch das Aceeptkreditgeschäft der Banken. Es fehlt
vor allem die Möglichkeit, den Acceptumlauf zuverlässig zu beurteilen. Die
Banken haben ein Interesse daran, diesen Umlauf so klein wie möglich dar¬
zustellen, da man ihnen bei zu großem Umlauf ebenso Mißtrauen entgegen¬
bringt wie jedem Kaufmann oder Privatmann, der über seine Kräfte Wechsel
acceptiert. Deshalb benützen die Banken verschiedne Mittel, die wahre Sach¬
lage zu verschleiern. Einen Teil der Accepte machen sie im Auslande zahlbar,
einen andern Teil geben sie nicht den Kunden zurück, damit diese ihn bei
andern Banken verkaufen, sondern sie kaufen diesen Teil der Accepte den
Kunden selbst ab und behalten ihn im eignen Wechselportefeuille. Der Anteil
dieser eignen Accepte am Portefeuille beträgt, wie Prion mitteilt, etwa 3 bis
5 Prozent. Es befinden sich also unter den Wechselbestünden der Banken,
die als leicht greifbare Forderungen gegen Dritte gelten, bedeutende Beträge
eigner Verpflichtungen. Diese künstlich zurückgehaltnem Accepte werden in
Zeiten großen Geldbedarfs „in aller Stille" (Prion. S. 91) dnrch eine
Maklerfirma verkauft, nachdem alle etwaigen Spuren ihrer Herkunft sorgfältig
verwischt sind, ein dringend weiterer Aufklärung und der Reform bedürftiges
Verfahren! Ganz besondres Interesse haben die Banken daran, daß in der
Bilanz am Jahresschluß der Acceptumlauf möglichst gering erscheint. Das
wird dadurch erreicht, daß ein Teil des Acceptkredits über den Jahresschluß
hinaus als Buchkredit geführt und erst später in Acceptkredit verwandelt
wird. Prion führt (auf S. 232) noch weitere Arten der Bilanzverschleierung
an. Die Art der Aufstellung von Bankbilanzen überhaupt ist sehr reform¬
bedürftig. Undurchsichtig und ganz ungleichmäßig aufgestellt erschweren sie eine
Beurteilung der wahren Vermögenslage außerordentlich.

Im vorstehenden sind nur einige Mängel des Geldmarktes und der


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[0228] Reform unsrer Areditorganisation Wäre unvermeidlich, während sich das amerikanische Publikum bald an dieses Geld gewöhnt hat, da ihm seit vielen Jahren die Scheckzahlung durchaus ver¬ traut ist. Da die Reichs- und Staatsbehörden in der letzten Zeit die Beamten durch Zirkulare immer wieder auffordern, sich ein Depositenkonto errichten zu lassen, mögen die Banken wohl voraussehen, daß sich der Staat für verpflichtet halten wird, diesen Depositengeldern möglichst große Sicherheit zu verschaffen. Hierzu wird ein Depositengesetz unvermeidlich sein, durch das entweder die Vorschläge Hciligenstadts verwirklicht (die Kreditinstitute führen 1 bis 2 Prozent der fremden Gelder als Reserve an die Reichsbank ab) oder besondre Vor¬ schriften für die Verwendung der Depositen erlassen werden. Daneben wird zu berücksichtigen sein, daß die Lage der Banken nur dann als flüssig zu be¬ trachten ist, wenn die Reichsbank stark genug ist, die Wechselbestände der Banken in kritischen Zeiten zu übernehmen. Demnach haben die Banken das größte Interesse daran, die Stellung der Neichsbank zu kräftigen und zu diesem Zweck Opfer zu bringen. Reformbedürftig ist auch das Aceeptkreditgeschäft der Banken. Es fehlt vor allem die Möglichkeit, den Acceptumlauf zuverlässig zu beurteilen. Die Banken haben ein Interesse daran, diesen Umlauf so klein wie möglich dar¬ zustellen, da man ihnen bei zu großem Umlauf ebenso Mißtrauen entgegen¬ bringt wie jedem Kaufmann oder Privatmann, der über seine Kräfte Wechsel acceptiert. Deshalb benützen die Banken verschiedne Mittel, die wahre Sach¬ lage zu verschleiern. Einen Teil der Accepte machen sie im Auslande zahlbar, einen andern Teil geben sie nicht den Kunden zurück, damit diese ihn bei andern Banken verkaufen, sondern sie kaufen diesen Teil der Accepte den Kunden selbst ab und behalten ihn im eignen Wechselportefeuille. Der Anteil dieser eignen Accepte am Portefeuille beträgt, wie Prion mitteilt, etwa 3 bis 5 Prozent. Es befinden sich also unter den Wechselbestünden der Banken, die als leicht greifbare Forderungen gegen Dritte gelten, bedeutende Beträge eigner Verpflichtungen. Diese künstlich zurückgehaltnem Accepte werden in Zeiten großen Geldbedarfs „in aller Stille" (Prion. S. 91) dnrch eine Maklerfirma verkauft, nachdem alle etwaigen Spuren ihrer Herkunft sorgfältig verwischt sind, ein dringend weiterer Aufklärung und der Reform bedürftiges Verfahren! Ganz besondres Interesse haben die Banken daran, daß in der Bilanz am Jahresschluß der Acceptumlauf möglichst gering erscheint. Das wird dadurch erreicht, daß ein Teil des Acceptkredits über den Jahresschluß hinaus als Buchkredit geführt und erst später in Acceptkredit verwandelt wird. Prion führt (auf S. 232) noch weitere Arten der Bilanzverschleierung an. Die Art der Aufstellung von Bankbilanzen überhaupt ist sehr reform¬ bedürftig. Undurchsichtig und ganz ungleichmäßig aufgestellt erschweren sie eine Beurteilung der wahren Vermögenslage außerordentlich. Im vorstehenden sind nur einige Mängel des Geldmarktes und der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/228>, abgerufen am 15.05.2024.