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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettungswesens

in Hela und nach der Wahl der Danziger Regierung in Großendorf, Pasewalk
oder Karlberg, im Regierungsbezirk Stettin in Hoff zwischen Treptow und
Dievenow, endlich im Regierungsbezirk Strnlsund in Glowe auf Jasmund.

Aber es stand kein freundlicher Stern über diesem Unternehmen.

Der Gründungsplan wurde am 17. Dezember 1829 an die Regierungen
hinausgegeben. Im Oktober des nächsten Jahres beauftragte Beuth, der seit
dem Jahre 1328 Direktor der Ministerialabteilung für Handel, Gewerbe und
Bauwesen war, die Stralsunder Regierung, einen Siebeupfünder und die
Munition für die Station Glowe aus dem Artilleriedepot zu entnehmen. Am
21. November 1830 erkundigte sich die Regierung bei ihrer Schwesterbehörde
in Danzig, ob die zur Ergänzung des Apparats nötigen Gegenstände, deren
Herstellung den Danziger Artilleriewerkstätten übertragen war, bald fertig seien.
Wenige Tage danach, am 29. November, erhoben sich die Polen in Warschau
gegen die russische Herrschaft, und die Stralsunder Regierung erhielt aus
Danzig den Bescheid, daß die Arbeit an den Rettungsapparaten "wegen höchst
dringender Artillerie-Arbeiten" unterbrochen worden sei. Die Kampfbereitschaft,
wozu Preußen im Jahre 1831 durch den Krieg im Nachbarlande gezwungen
war, ließ den Artilleriewerkstätten keine Zeit zur Herstellung von Rettnngs-
geräten. So wurden die Fäden, die man am Ende des Jahres 1830 not¬
gedrungen fallen ließ, erst im Frühling des Jahres 1832 wieder auf¬
genommen.

Der artilleristische Apparat war um diese Zeit fertig. Er war nicht in
den Artilleriewerkstätten, sondern von einem Waffenschmied in Langfuhr her¬
gestellt worden, aber die Danziger Geschützrevisionskommission hatte die acht¬
unddreißig Gegenstände, die neben dem Mörser, den Granaten und den Leinen
den Rettungsapparat bildeten, schon am 29. September 1831 abgenommen
und vorschriftsmäßig gefunden. Das Geschützzubehör war damit fertig, nun
wurden noch die Wurfleinen, ein Korb für das Zapfengerüst, auf dem die
Leine schußfertig aufgewickelt werden sollte, eine Wage und ein Pfundgewicht
angeschafft. Erst im August des Jahres 1832 war alles zur Versendung
bereit, und erst im Oktober kam der Apparat auf dem Seewege in Stralsund
an. Er wurde im Marinedepot untergebracht und kam so in die besten Hände.
Denn Vorstand des Marinedepots war der Marinemajor Longe", der erste
preußische Seeoffizier im neunzehnten Jahrhundert.

Diedrich Johann Longe entstammte einer französischen Protestantenfamilie,
die seit dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts in Finnland ansässig war. Er brachte
im Jahre 1815 als schwedischer Oberleutnant zur See sechs Kanonenschaluppen,
die Schweden bei der Abtretung Neuvorpommerns und Rügens der preußischen
Regierung zur Küstenverteidigung überlassen hatte, nach Stralsund. Seit dem
Jahre 1800 hatte er auf der englischen und auf der schwedischen Flotte "mit
Ruhm" gedient. Nun fand er in Preußen eine neue Heimat, trat in preußische
Dienste und wurde am 28. Dezember 1815 als Hauptmann und Marineoffizier


Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettungswesens

in Hela und nach der Wahl der Danziger Regierung in Großendorf, Pasewalk
oder Karlberg, im Regierungsbezirk Stettin in Hoff zwischen Treptow und
Dievenow, endlich im Regierungsbezirk Strnlsund in Glowe auf Jasmund.

Aber es stand kein freundlicher Stern über diesem Unternehmen.

Der Gründungsplan wurde am 17. Dezember 1829 an die Regierungen
hinausgegeben. Im Oktober des nächsten Jahres beauftragte Beuth, der seit
dem Jahre 1328 Direktor der Ministerialabteilung für Handel, Gewerbe und
Bauwesen war, die Stralsunder Regierung, einen Siebeupfünder und die
Munition für die Station Glowe aus dem Artilleriedepot zu entnehmen. Am
21. November 1830 erkundigte sich die Regierung bei ihrer Schwesterbehörde
in Danzig, ob die zur Ergänzung des Apparats nötigen Gegenstände, deren
Herstellung den Danziger Artilleriewerkstätten übertragen war, bald fertig seien.
Wenige Tage danach, am 29. November, erhoben sich die Polen in Warschau
gegen die russische Herrschaft, und die Stralsunder Regierung erhielt aus
Danzig den Bescheid, daß die Arbeit an den Rettungsapparaten „wegen höchst
dringender Artillerie-Arbeiten" unterbrochen worden sei. Die Kampfbereitschaft,
wozu Preußen im Jahre 1831 durch den Krieg im Nachbarlande gezwungen
war, ließ den Artilleriewerkstätten keine Zeit zur Herstellung von Rettnngs-
geräten. So wurden die Fäden, die man am Ende des Jahres 1830 not¬
gedrungen fallen ließ, erst im Frühling des Jahres 1832 wieder auf¬
genommen.

Der artilleristische Apparat war um diese Zeit fertig. Er war nicht in
den Artilleriewerkstätten, sondern von einem Waffenschmied in Langfuhr her¬
gestellt worden, aber die Danziger Geschützrevisionskommission hatte die acht¬
unddreißig Gegenstände, die neben dem Mörser, den Granaten und den Leinen
den Rettungsapparat bildeten, schon am 29. September 1831 abgenommen
und vorschriftsmäßig gefunden. Das Geschützzubehör war damit fertig, nun
wurden noch die Wurfleinen, ein Korb für das Zapfengerüst, auf dem die
Leine schußfertig aufgewickelt werden sollte, eine Wage und ein Pfundgewicht
angeschafft. Erst im August des Jahres 1832 war alles zur Versendung
bereit, und erst im Oktober kam der Apparat auf dem Seewege in Stralsund
an. Er wurde im Marinedepot untergebracht und kam so in die besten Hände.
Denn Vorstand des Marinedepots war der Marinemajor Longe", der erste
preußische Seeoffizier im neunzehnten Jahrhundert.

Diedrich Johann Longe entstammte einer französischen Protestantenfamilie,
die seit dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts in Finnland ansässig war. Er brachte
im Jahre 1815 als schwedischer Oberleutnant zur See sechs Kanonenschaluppen,
die Schweden bei der Abtretung Neuvorpommerns und Rügens der preußischen
Regierung zur Küstenverteidigung überlassen hatte, nach Stralsund. Seit dem
Jahre 1800 hatte er auf der englischen und auf der schwedischen Flotte „mit
Ruhm" gedient. Nun fand er in Preußen eine neue Heimat, trat in preußische
Dienste und wurde am 28. Dezember 1815 als Hauptmann und Marineoffizier


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[0411] Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettungswesens in Hela und nach der Wahl der Danziger Regierung in Großendorf, Pasewalk oder Karlberg, im Regierungsbezirk Stettin in Hoff zwischen Treptow und Dievenow, endlich im Regierungsbezirk Strnlsund in Glowe auf Jasmund. Aber es stand kein freundlicher Stern über diesem Unternehmen. Der Gründungsplan wurde am 17. Dezember 1829 an die Regierungen hinausgegeben. Im Oktober des nächsten Jahres beauftragte Beuth, der seit dem Jahre 1328 Direktor der Ministerialabteilung für Handel, Gewerbe und Bauwesen war, die Stralsunder Regierung, einen Siebeupfünder und die Munition für die Station Glowe aus dem Artilleriedepot zu entnehmen. Am 21. November 1830 erkundigte sich die Regierung bei ihrer Schwesterbehörde in Danzig, ob die zur Ergänzung des Apparats nötigen Gegenstände, deren Herstellung den Danziger Artilleriewerkstätten übertragen war, bald fertig seien. Wenige Tage danach, am 29. November, erhoben sich die Polen in Warschau gegen die russische Herrschaft, und die Stralsunder Regierung erhielt aus Danzig den Bescheid, daß die Arbeit an den Rettungsapparaten „wegen höchst dringender Artillerie-Arbeiten" unterbrochen worden sei. Die Kampfbereitschaft, wozu Preußen im Jahre 1831 durch den Krieg im Nachbarlande gezwungen war, ließ den Artilleriewerkstätten keine Zeit zur Herstellung von Rettnngs- geräten. So wurden die Fäden, die man am Ende des Jahres 1830 not¬ gedrungen fallen ließ, erst im Frühling des Jahres 1832 wieder auf¬ genommen. Der artilleristische Apparat war um diese Zeit fertig. Er war nicht in den Artilleriewerkstätten, sondern von einem Waffenschmied in Langfuhr her¬ gestellt worden, aber die Danziger Geschützrevisionskommission hatte die acht¬ unddreißig Gegenstände, die neben dem Mörser, den Granaten und den Leinen den Rettungsapparat bildeten, schon am 29. September 1831 abgenommen und vorschriftsmäßig gefunden. Das Geschützzubehör war damit fertig, nun wurden noch die Wurfleinen, ein Korb für das Zapfengerüst, auf dem die Leine schußfertig aufgewickelt werden sollte, eine Wage und ein Pfundgewicht angeschafft. Erst im August des Jahres 1832 war alles zur Versendung bereit, und erst im Oktober kam der Apparat auf dem Seewege in Stralsund an. Er wurde im Marinedepot untergebracht und kam so in die besten Hände. Denn Vorstand des Marinedepots war der Marinemajor Longe", der erste preußische Seeoffizier im neunzehnten Jahrhundert. Diedrich Johann Longe entstammte einer französischen Protestantenfamilie, die seit dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts in Finnland ansässig war. Er brachte im Jahre 1815 als schwedischer Oberleutnant zur See sechs Kanonenschaluppen, die Schweden bei der Abtretung Neuvorpommerns und Rügens der preußischen Regierung zur Küstenverteidigung überlassen hatte, nach Stralsund. Seit dem Jahre 1800 hatte er auf der englischen und auf der schwedischen Flotte „mit Ruhm" gedient. Nun fand er in Preußen eine neue Heimat, trat in preußische Dienste und wurde am 28. Dezember 1815 als Hauptmann und Marineoffizier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/411>, abgerufen am 15.05.2024.