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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens

durch die Jahrzehnte ging. Durch drei Jahrzehnte. Der Geschäftsgang litt
unter einem ewigen Verwickeln und Zerreißen der Fäden, als hätte er sich die
Leinen und ihre Launen zum Vorbilde genommen. So wurden die Schie߬
versuche und die Organisation der Rettungsstationen zu einer Danaidenarbeit.

In die Reihe dieser weichherzigen Danaiden war Trost getreten, als er
in Swinemünde seine Versuche anstellte. Aber es ist wahrscheinlich, daß er
schon länger für die Sache arbeitete, und daß er es war, der im Jahre 1836
die abgerissenen Fäden der Angelegenheit dadurch aufhob und verband, daß
er im Archiv für die Offiziere der Königlich Preußischen Artillerie- und
Ingenieur-Korps Mörserschießversuche, die bei Danzig im Jahre 1820 und bei
Swinemünde im Jahre 1832 angestellt worden waren, beschrieb und von der
Rettung auf dem Möwenhaken erzählte.

Nun knüpfte er wieder die Fäden an. Seine Tätigkeit in Stettin gab
der Mahnung, die in seinem Berichte lag, Gewicht, und er erschien danach ge¬
eignet, auch die Küste des Stralsunder Bezirks mit Rettungseinrichtungen zu
versehen.

Das Ministerium nahm die Angelegenheit, die nun fünfzehn Jahre ge¬
ruht hatte, wieder auf.

Der Nachfolger Beuths, Pommer-Esche, teilte der Negierung zu Stral-
sund den Bericht Trosts mit und schrieb hiezu, daß die Ausrüstung der vor-
pommerschen Küste mit Manbyschen Apparaten seinerzeit zurückgestellt worden
sei, weil zur Zusammenstellung und Aufbewahrung der Apparate bedeutende
Geldmittel gefordert worden seien, ohne daß man von ihrer Anwendbarkeit
hinreichende Beweise gehabt habe. Obwohl dem Ministerium seit dem Jahre 1827
nur zwei Strandungsfülle bekannt geworden seien, bei denen sich der Mörser¬
apparat an der preußischen Ostseeküste bewährt habe, und obwohl sich ergeben
habe, daß der Apparat nur eine etwa 300 Meter breite Strandzone beherrsche,
solle dennoch wenigstens der in Stralsund schon vorhcmdne Apparat mit Trosts
Unterstützung nutzbar gemacht werden. Da der Apparat voraussichtlich nur
selten angewandt werden könne, sei die Aufstellung besondrer Mannschaften
zur Bedienung des Apparats ausgeschlossen. Zur Unterbringung solle ein
Raum gegen mäßigen Zins gemietet werden. Überhaupt komme es darauf
an, die Kosten der Einrichtung mit dem vermutlich geringen Erfolge in Ein¬
klang zu bringen.

Nachdem die Vorbereitungen zur Errichtung der Station -- allerdings erst
nach fünf Monaten -- so weit gediehen waren, daß die Tätigkeit Trosts ein¬
setzen konnte, wurde durch den Ausbruch der Feindseligkeiten mit Dünemark
seine Beteiligung an dem Werke unmöglich gemacht, sodaß die Regierung ge¬
zwungen war, die Angelegenheit zu "reponieren".

Doch kam das Unternehmen nicht wieder in Vergessenheit. Man stellte
aus den Akten und aus Zeitungsberichten die Strandungen zusammen, die
sich ein den Küsten des Bezirks ereignet hatten. Da aus den Jahren 1819


Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens

durch die Jahrzehnte ging. Durch drei Jahrzehnte. Der Geschäftsgang litt
unter einem ewigen Verwickeln und Zerreißen der Fäden, als hätte er sich die
Leinen und ihre Launen zum Vorbilde genommen. So wurden die Schie߬
versuche und die Organisation der Rettungsstationen zu einer Danaidenarbeit.

In die Reihe dieser weichherzigen Danaiden war Trost getreten, als er
in Swinemünde seine Versuche anstellte. Aber es ist wahrscheinlich, daß er
schon länger für die Sache arbeitete, und daß er es war, der im Jahre 1836
die abgerissenen Fäden der Angelegenheit dadurch aufhob und verband, daß
er im Archiv für die Offiziere der Königlich Preußischen Artillerie- und
Ingenieur-Korps Mörserschießversuche, die bei Danzig im Jahre 1820 und bei
Swinemünde im Jahre 1832 angestellt worden waren, beschrieb und von der
Rettung auf dem Möwenhaken erzählte.

Nun knüpfte er wieder die Fäden an. Seine Tätigkeit in Stettin gab
der Mahnung, die in seinem Berichte lag, Gewicht, und er erschien danach ge¬
eignet, auch die Küste des Stralsunder Bezirks mit Rettungseinrichtungen zu
versehen.

Das Ministerium nahm die Angelegenheit, die nun fünfzehn Jahre ge¬
ruht hatte, wieder auf.

Der Nachfolger Beuths, Pommer-Esche, teilte der Negierung zu Stral-
sund den Bericht Trosts mit und schrieb hiezu, daß die Ausrüstung der vor-
pommerschen Küste mit Manbyschen Apparaten seinerzeit zurückgestellt worden
sei, weil zur Zusammenstellung und Aufbewahrung der Apparate bedeutende
Geldmittel gefordert worden seien, ohne daß man von ihrer Anwendbarkeit
hinreichende Beweise gehabt habe. Obwohl dem Ministerium seit dem Jahre 1827
nur zwei Strandungsfülle bekannt geworden seien, bei denen sich der Mörser¬
apparat an der preußischen Ostseeküste bewährt habe, und obwohl sich ergeben
habe, daß der Apparat nur eine etwa 300 Meter breite Strandzone beherrsche,
solle dennoch wenigstens der in Stralsund schon vorhcmdne Apparat mit Trosts
Unterstützung nutzbar gemacht werden. Da der Apparat voraussichtlich nur
selten angewandt werden könne, sei die Aufstellung besondrer Mannschaften
zur Bedienung des Apparats ausgeschlossen. Zur Unterbringung solle ein
Raum gegen mäßigen Zins gemietet werden. Überhaupt komme es darauf
an, die Kosten der Einrichtung mit dem vermutlich geringen Erfolge in Ein¬
klang zu bringen.

Nachdem die Vorbereitungen zur Errichtung der Station — allerdings erst
nach fünf Monaten — so weit gediehen waren, daß die Tätigkeit Trosts ein¬
setzen konnte, wurde durch den Ausbruch der Feindseligkeiten mit Dünemark
seine Beteiligung an dem Werke unmöglich gemacht, sodaß die Regierung ge¬
zwungen war, die Angelegenheit zu „reponieren".

Doch kam das Unternehmen nicht wieder in Vergessenheit. Man stellte
aus den Akten und aus Zeitungsberichten die Strandungen zusammen, die
sich ein den Küsten des Bezirks ereignet hatten. Da aus den Jahren 1819


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[0416] Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens durch die Jahrzehnte ging. Durch drei Jahrzehnte. Der Geschäftsgang litt unter einem ewigen Verwickeln und Zerreißen der Fäden, als hätte er sich die Leinen und ihre Launen zum Vorbilde genommen. So wurden die Schie߬ versuche und die Organisation der Rettungsstationen zu einer Danaidenarbeit. In die Reihe dieser weichherzigen Danaiden war Trost getreten, als er in Swinemünde seine Versuche anstellte. Aber es ist wahrscheinlich, daß er schon länger für die Sache arbeitete, und daß er es war, der im Jahre 1836 die abgerissenen Fäden der Angelegenheit dadurch aufhob und verband, daß er im Archiv für die Offiziere der Königlich Preußischen Artillerie- und Ingenieur-Korps Mörserschießversuche, die bei Danzig im Jahre 1820 und bei Swinemünde im Jahre 1832 angestellt worden waren, beschrieb und von der Rettung auf dem Möwenhaken erzählte. Nun knüpfte er wieder die Fäden an. Seine Tätigkeit in Stettin gab der Mahnung, die in seinem Berichte lag, Gewicht, und er erschien danach ge¬ eignet, auch die Küste des Stralsunder Bezirks mit Rettungseinrichtungen zu versehen. Das Ministerium nahm die Angelegenheit, die nun fünfzehn Jahre ge¬ ruht hatte, wieder auf. Der Nachfolger Beuths, Pommer-Esche, teilte der Negierung zu Stral- sund den Bericht Trosts mit und schrieb hiezu, daß die Ausrüstung der vor- pommerschen Küste mit Manbyschen Apparaten seinerzeit zurückgestellt worden sei, weil zur Zusammenstellung und Aufbewahrung der Apparate bedeutende Geldmittel gefordert worden seien, ohne daß man von ihrer Anwendbarkeit hinreichende Beweise gehabt habe. Obwohl dem Ministerium seit dem Jahre 1827 nur zwei Strandungsfülle bekannt geworden seien, bei denen sich der Mörser¬ apparat an der preußischen Ostseeküste bewährt habe, und obwohl sich ergeben habe, daß der Apparat nur eine etwa 300 Meter breite Strandzone beherrsche, solle dennoch wenigstens der in Stralsund schon vorhcmdne Apparat mit Trosts Unterstützung nutzbar gemacht werden. Da der Apparat voraussichtlich nur selten angewandt werden könne, sei die Aufstellung besondrer Mannschaften zur Bedienung des Apparats ausgeschlossen. Zur Unterbringung solle ein Raum gegen mäßigen Zins gemietet werden. Überhaupt komme es darauf an, die Kosten der Einrichtung mit dem vermutlich geringen Erfolge in Ein¬ klang zu bringen. Nachdem die Vorbereitungen zur Errichtung der Station — allerdings erst nach fünf Monaten — so weit gediehen waren, daß die Tätigkeit Trosts ein¬ setzen konnte, wurde durch den Ausbruch der Feindseligkeiten mit Dünemark seine Beteiligung an dem Werke unmöglich gemacht, sodaß die Regierung ge¬ zwungen war, die Angelegenheit zu „reponieren". Doch kam das Unternehmen nicht wieder in Vergessenheit. Man stellte aus den Akten und aus Zeitungsberichten die Strandungen zusammen, die sich ein den Küsten des Bezirks ereignet hatten. Da aus den Jahren 1819

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/416>, abgerufen am 16.05.2024.