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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettungswesens

Ausdehnung des Vorlandes bei Glowe die Verwendbarkeit eines Mörser¬
apparats zweifelhaft erschien. Der Landrat von Bergen berichtete darauf, was
sein Vorgänger schon im Jahre 1833 berichtet hatte: die Entfernung, die die
gestrandeten Schiffe vom Ufer trennte, hing, wie die Erfahrung lehrte, weit
mehr von der Windstärke und von dem Wasserstande als von der wechselnden
Neigung des Vorlandes ab. Und mit einer Ausnahme wären die Schiffe, die
während der Amtszeit des Landrath in der Tromper nud in der Prorer Wiek
strandeten, ungefähr zwanzig an der Zahl, für die Leine des Mörserapparats
erreichbar gewesen. Die Beaufsichtigung und Bedienung der Apparate erschien
dem Landrat durch die gedienten Artilleristen unter den Ortsvorstehern, Steuer-
beamten und Gendarmen gesichert.

Die Regierung beantragte daraufhin nur eine Station an der Nord- oder
an der Ostküste Rügens. Vor der Entscheidung der Frage, wo die zweite
Station errichtet werden solle, ordnete sie eine Peilung der Küste von Jas-
mund und des Außenstrandes von Mönchgut an. Der Lotsenkvmmcmdeur
Wolter zu Kleiuzicker auf Mönchgut nahm die Peilung im September 1850
vor und fand, daß die ganze Küste von Jasmund zur Anwendung eines
Mörserapparats ungeeignet sei, und daß sich an der Außenseite der Halbinsel
Mönchgut und der schmalen Heide nur einzelne, nicht verbindbare, daher einer
besondern Armierung bedürfende Punkte befinden, wo ein Mörserapparat allen¬
falls mit Erfolg angewandt werden könne. Ein Apparat reiche nicht ans,
und Bedienungsmannschaften seien an der spärlich bewohnten Küste schwer zu
gewinnen. Er empfahl, an seinem Amtssitze Thiessow auf Mönchgut ein
Rettungsboot nach der Konstruktion des Schiffbaumeisters Klawitter aufzu¬
stellen. Das Ministerium gab infolge des Berichts der Regierung über die
Ergebnisse der Peilung die Absicht, auf Rügen Mörserstatiouen zu errichten,
auf. Wenige Tage danach erklärte die Danziger Regierung auf eine Anfrage
der Stralsunder Schwesterbehörde den Mcmbyschen Apparat für unentbehrlich,
auch wenn schon ein Rettungsboot vorhanden sei, da nur das Zusammenwirken
der beiden Rettungsmittel den Erfolg einigermaßen sichere. Nun fragte die
Stralsunder Negierung die Lotsenkommandeure Eßing und Wolter, ob es außer
dem Manbyschen Apparat noch andre wirksame Methoden zur Herstellung einer
Verbindung zwischen gestrandeten Schiffen und dem Lande gebe. Eßing konnte
neben dem Manbyschen Apparat, der sich in England bewährt habe, nur den
weniger verlässigen Naletenapparat Trengronses nennen. Wolter kannte nur
den Mörserapparat und riet dringend, ein Rettungsboot anzuschaffen. Das
war im Jahre 1850.

Nun senkte sich wieder der Dornröschenschlummer auf das Unternehmen.

Der stockende, durch zwei Jahrzehnte sich schleppende Gang der Angelegen¬
heit wird gerade in dieser hoffnungslosen Phase durch ein Schreiben Longes
scharf beleuchtet. Der geniale Organisator hatte auf dem engen Gebiete des
Rettungswescns so wenig Glück wie auf dem weiten der Flottcngründung.


Grenzboten II 1908 k>9
Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettungswesens

Ausdehnung des Vorlandes bei Glowe die Verwendbarkeit eines Mörser¬
apparats zweifelhaft erschien. Der Landrat von Bergen berichtete darauf, was
sein Vorgänger schon im Jahre 1833 berichtet hatte: die Entfernung, die die
gestrandeten Schiffe vom Ufer trennte, hing, wie die Erfahrung lehrte, weit
mehr von der Windstärke und von dem Wasserstande als von der wechselnden
Neigung des Vorlandes ab. Und mit einer Ausnahme wären die Schiffe, die
während der Amtszeit des Landrath in der Tromper nud in der Prorer Wiek
strandeten, ungefähr zwanzig an der Zahl, für die Leine des Mörserapparats
erreichbar gewesen. Die Beaufsichtigung und Bedienung der Apparate erschien
dem Landrat durch die gedienten Artilleristen unter den Ortsvorstehern, Steuer-
beamten und Gendarmen gesichert.

Die Regierung beantragte daraufhin nur eine Station an der Nord- oder
an der Ostküste Rügens. Vor der Entscheidung der Frage, wo die zweite
Station errichtet werden solle, ordnete sie eine Peilung der Küste von Jas-
mund und des Außenstrandes von Mönchgut an. Der Lotsenkvmmcmdeur
Wolter zu Kleiuzicker auf Mönchgut nahm die Peilung im September 1850
vor und fand, daß die ganze Küste von Jasmund zur Anwendung eines
Mörserapparats ungeeignet sei, und daß sich an der Außenseite der Halbinsel
Mönchgut und der schmalen Heide nur einzelne, nicht verbindbare, daher einer
besondern Armierung bedürfende Punkte befinden, wo ein Mörserapparat allen¬
falls mit Erfolg angewandt werden könne. Ein Apparat reiche nicht ans,
und Bedienungsmannschaften seien an der spärlich bewohnten Küste schwer zu
gewinnen. Er empfahl, an seinem Amtssitze Thiessow auf Mönchgut ein
Rettungsboot nach der Konstruktion des Schiffbaumeisters Klawitter aufzu¬
stellen. Das Ministerium gab infolge des Berichts der Regierung über die
Ergebnisse der Peilung die Absicht, auf Rügen Mörserstatiouen zu errichten,
auf. Wenige Tage danach erklärte die Danziger Regierung auf eine Anfrage
der Stralsunder Schwesterbehörde den Mcmbyschen Apparat für unentbehrlich,
auch wenn schon ein Rettungsboot vorhanden sei, da nur das Zusammenwirken
der beiden Rettungsmittel den Erfolg einigermaßen sichere. Nun fragte die
Stralsunder Negierung die Lotsenkommandeure Eßing und Wolter, ob es außer
dem Manbyschen Apparat noch andre wirksame Methoden zur Herstellung einer
Verbindung zwischen gestrandeten Schiffen und dem Lande gebe. Eßing konnte
neben dem Manbyschen Apparat, der sich in England bewährt habe, nur den
weniger verlässigen Naletenapparat Trengronses nennen. Wolter kannte nur
den Mörserapparat und riet dringend, ein Rettungsboot anzuschaffen. Das
war im Jahre 1850.

Nun senkte sich wieder der Dornröschenschlummer auf das Unternehmen.

Der stockende, durch zwei Jahrzehnte sich schleppende Gang der Angelegen¬
heit wird gerade in dieser hoffnungslosen Phase durch ein Schreiben Longes
scharf beleuchtet. Der geniale Organisator hatte auf dem engen Gebiete des
Rettungswescns so wenig Glück wie auf dem weiten der Flottcngründung.


Grenzboten II 1908 k>9
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[0465] Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettungswesens Ausdehnung des Vorlandes bei Glowe die Verwendbarkeit eines Mörser¬ apparats zweifelhaft erschien. Der Landrat von Bergen berichtete darauf, was sein Vorgänger schon im Jahre 1833 berichtet hatte: die Entfernung, die die gestrandeten Schiffe vom Ufer trennte, hing, wie die Erfahrung lehrte, weit mehr von der Windstärke und von dem Wasserstande als von der wechselnden Neigung des Vorlandes ab. Und mit einer Ausnahme wären die Schiffe, die während der Amtszeit des Landrath in der Tromper nud in der Prorer Wiek strandeten, ungefähr zwanzig an der Zahl, für die Leine des Mörserapparats erreichbar gewesen. Die Beaufsichtigung und Bedienung der Apparate erschien dem Landrat durch die gedienten Artilleristen unter den Ortsvorstehern, Steuer- beamten und Gendarmen gesichert. Die Regierung beantragte daraufhin nur eine Station an der Nord- oder an der Ostküste Rügens. Vor der Entscheidung der Frage, wo die zweite Station errichtet werden solle, ordnete sie eine Peilung der Küste von Jas- mund und des Außenstrandes von Mönchgut an. Der Lotsenkvmmcmdeur Wolter zu Kleiuzicker auf Mönchgut nahm die Peilung im September 1850 vor und fand, daß die ganze Küste von Jasmund zur Anwendung eines Mörserapparats ungeeignet sei, und daß sich an der Außenseite der Halbinsel Mönchgut und der schmalen Heide nur einzelne, nicht verbindbare, daher einer besondern Armierung bedürfende Punkte befinden, wo ein Mörserapparat allen¬ falls mit Erfolg angewandt werden könne. Ein Apparat reiche nicht ans, und Bedienungsmannschaften seien an der spärlich bewohnten Küste schwer zu gewinnen. Er empfahl, an seinem Amtssitze Thiessow auf Mönchgut ein Rettungsboot nach der Konstruktion des Schiffbaumeisters Klawitter aufzu¬ stellen. Das Ministerium gab infolge des Berichts der Regierung über die Ergebnisse der Peilung die Absicht, auf Rügen Mörserstatiouen zu errichten, auf. Wenige Tage danach erklärte die Danziger Regierung auf eine Anfrage der Stralsunder Schwesterbehörde den Mcmbyschen Apparat für unentbehrlich, auch wenn schon ein Rettungsboot vorhanden sei, da nur das Zusammenwirken der beiden Rettungsmittel den Erfolg einigermaßen sichere. Nun fragte die Stralsunder Negierung die Lotsenkommandeure Eßing und Wolter, ob es außer dem Manbyschen Apparat noch andre wirksame Methoden zur Herstellung einer Verbindung zwischen gestrandeten Schiffen und dem Lande gebe. Eßing konnte neben dem Manbyschen Apparat, der sich in England bewährt habe, nur den weniger verlässigen Naletenapparat Trengronses nennen. Wolter kannte nur den Mörserapparat und riet dringend, ein Rettungsboot anzuschaffen. Das war im Jahre 1850. Nun senkte sich wieder der Dornröschenschlummer auf das Unternehmen. Der stockende, durch zwei Jahrzehnte sich schleppende Gang der Angelegen¬ heit wird gerade in dieser hoffnungslosen Phase durch ein Schreiben Longes scharf beleuchtet. Der geniale Organisator hatte auf dem engen Gebiete des Rettungswescns so wenig Glück wie auf dem weiten der Flottcngründung. Grenzboten II 1908 k>9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/465>, abgerufen am 22.05.2024.