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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Sie Zukunft Australiens

beschäftigen, interkolonialer Art, Gegenwärtig liegen folgende wichtige Vorlagen
zur Beratung vor: Küsten- und Landesverteidigung, Revision des neuen
Schutzzolltarifs, Übernahme des nördlichen Teils Südaustraliens durch die
lüoillinonvvkAM usw. Jedes Parlamentsmitglied bezieht einen bestimmten Gehalt,
der sich bei den Abgeordneten des Federalparlaments auf 240 Mark (12 -F)
für die Woche beläuft; der Gehalt der Mitglieder der einzelnen Staatsparlamente
schwankt, beträgt aber nicht weniger als 80 Mark (4 -F) für die Woche. Jeder
Staat hat außerdem einen Gouverneur zu unterhalten, der von der englischen
Regierung bestimmt wird, ferner steht über allen wieder der Generalgouvemeur.
Dieser bezieht einen Gehalt von 200000 Mark (10000-F) jährlich, während
der der Staatsgouverneure bedeutend geringer ist, keiner bezieht jedoch unter
80000 Mark (4000 -F). Diese Gouverneure haben keinen oder nur geringen
Einfluß auf die Geschicke der Staaten, sie sind jedoch für alles, was geschieht,
der englischen Regierung gegenüber verantwortlich. Wenn man uun bedenkt,
daß alle diese Gehalte aus deu Staatskasse!, gedeckt werden müssen, so wird
man begreifen, daß das ganze Land niemals aus den Schulden herauskommt.*)
Der Maugel an Bevölkerung ist denn auch die Ursache der langsamen Entwicklung
des Landes. Infolge der großen Wasserarmnt, die fast ganz Australien beherrscht,
konnten sich die Einwandrer nur an den Küsten oder in der Nähe der wenigen
Flüsse ansiedeln, und größere Niederlassungen konnten nur da entstehn, wo
Gelegenheit war, einen guten Seehafen anzulegen, wie Sydney und Melbourne,
die allerdings die schönsten und größten der Welt besitzen. Diese beiden Städte
haben sich denn auch zu Weltplätzeu ersten Ranges entwickelt mit einem mehr
amerikanischen als europäischen Gepräge. Die Bevölkerung dieser Städte ist
international, das englische Element herrscht vor; jede hat ihr Chinesenviertel.
Das Deutschtum ist sehr zahlreich durch ganz Australien vertreten, am stärksten
in Südaustralien, mit etwa 30000 unter einer Gesamtbevölkerung von etwa
400000. Deutsche Klubs finden sich in allen größern Städten, zwei deutsche
Zeitungen, eine in Südaustralien und eine in Queensland, sorgen für die
Erhaltung des nationalen Bewußtseins unter der deutschen Landbevölkerung.
Trotzdem ist das Deutschtum im Untergehn begriffen, woran, leider muß es
gesagt werden, der Deutsche selbst die Schuld trügt. Er assimiliert sich schneller
als die Angehörigen andrer Nationen mit dem englischen Element und sucht
einen Stolz darin, für einen Engländer gehalten zu werden, was ihm vielleicht
auch gelingt, solange er nicht englisch spricht, der deutsche Accent wird dann
zum Verräter. Ich habe Landsleute hier getroffen, die ihre Herkunft absichtlich
verleugneten, ja sogar zur Zeit des Burenkriegs erklärte ein solcher ehren¬
werter Landsmann öffentlich in der Zeitung, daß er stolz darauf sei, unter
den Engländern leben zu können, und daß er auch seine Kinder nicht deutsch
lernen lasse. Obgleich sich die Bevölkerung Australiens aus Angehörigen aller



") Die Schulden pro Kopf der Bevölkerung betrugen 1907: S7 ^ 3 "Il 4 et (---1147 Mark).
Sie Zukunft Australiens

beschäftigen, interkolonialer Art, Gegenwärtig liegen folgende wichtige Vorlagen
zur Beratung vor: Küsten- und Landesverteidigung, Revision des neuen
Schutzzolltarifs, Übernahme des nördlichen Teils Südaustraliens durch die
lüoillinonvvkAM usw. Jedes Parlamentsmitglied bezieht einen bestimmten Gehalt,
der sich bei den Abgeordneten des Federalparlaments auf 240 Mark (12 -F)
für die Woche beläuft; der Gehalt der Mitglieder der einzelnen Staatsparlamente
schwankt, beträgt aber nicht weniger als 80 Mark (4 -F) für die Woche. Jeder
Staat hat außerdem einen Gouverneur zu unterhalten, der von der englischen
Regierung bestimmt wird, ferner steht über allen wieder der Generalgouvemeur.
Dieser bezieht einen Gehalt von 200000 Mark (10000-F) jährlich, während
der der Staatsgouverneure bedeutend geringer ist, keiner bezieht jedoch unter
80000 Mark (4000 -F). Diese Gouverneure haben keinen oder nur geringen
Einfluß auf die Geschicke der Staaten, sie sind jedoch für alles, was geschieht,
der englischen Regierung gegenüber verantwortlich. Wenn man uun bedenkt,
daß alle diese Gehalte aus deu Staatskasse!, gedeckt werden müssen, so wird
man begreifen, daß das ganze Land niemals aus den Schulden herauskommt.*)
Der Maugel an Bevölkerung ist denn auch die Ursache der langsamen Entwicklung
des Landes. Infolge der großen Wasserarmnt, die fast ganz Australien beherrscht,
konnten sich die Einwandrer nur an den Küsten oder in der Nähe der wenigen
Flüsse ansiedeln, und größere Niederlassungen konnten nur da entstehn, wo
Gelegenheit war, einen guten Seehafen anzulegen, wie Sydney und Melbourne,
die allerdings die schönsten und größten der Welt besitzen. Diese beiden Städte
haben sich denn auch zu Weltplätzeu ersten Ranges entwickelt mit einem mehr
amerikanischen als europäischen Gepräge. Die Bevölkerung dieser Städte ist
international, das englische Element herrscht vor; jede hat ihr Chinesenviertel.
Das Deutschtum ist sehr zahlreich durch ganz Australien vertreten, am stärksten
in Südaustralien, mit etwa 30000 unter einer Gesamtbevölkerung von etwa
400000. Deutsche Klubs finden sich in allen größern Städten, zwei deutsche
Zeitungen, eine in Südaustralien und eine in Queensland, sorgen für die
Erhaltung des nationalen Bewußtseins unter der deutschen Landbevölkerung.
Trotzdem ist das Deutschtum im Untergehn begriffen, woran, leider muß es
gesagt werden, der Deutsche selbst die Schuld trügt. Er assimiliert sich schneller
als die Angehörigen andrer Nationen mit dem englischen Element und sucht
einen Stolz darin, für einen Engländer gehalten zu werden, was ihm vielleicht
auch gelingt, solange er nicht englisch spricht, der deutsche Accent wird dann
zum Verräter. Ich habe Landsleute hier getroffen, die ihre Herkunft absichtlich
verleugneten, ja sogar zur Zeit des Burenkriegs erklärte ein solcher ehren¬
werter Landsmann öffentlich in der Zeitung, daß er stolz darauf sei, unter
den Engländern leben zu können, und daß er auch seine Kinder nicht deutsch
lernen lasse. Obgleich sich die Bevölkerung Australiens aus Angehörigen aller



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/506>, abgerufen am 22.05.2024.