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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die Motorluftschiffahrt der modernen Heere

Gas und Luft ein brennbares Gemisch bildet, das durch Luftclektrizität leicht
entzündet werden kann. Hierin liegt, wie der 5. August 1908 bewiesen hat,
eine schwere Gefahr des starren Systems, dessen Vorteile bei ausreichenden
Motoren die große Fahrtdauer, dessen Nachteil die Abhängigkeit von Luftschiff¬
häfen und stationären Füllstationen bleiben. Deshalb sind die "Zeppeline" zur
Stationierung an den Grenzen und Küsten und zur strategischen Fernaufklärung
zu Lande und zu Wasser berufen. Da die nötigen Mittel zu eingehenden weitern
Versuchen dank der Opfermütigkeit des deutschen Volkes und der staatlichen
Ankäufe zur Verfügung stehn, wird es der unermüdlichen praktischen Übung
gelingen, die erkannten Nachteile abzustellen oder wenigstens ihre Gefahren zu
vermeide".

Die Wiege des Halbstarren Systems stand in Frankreich. Bei diesen
Luftschiffer ist entweder der unstarre, durch Ballouets in Form gehaltn? Ballon
durch ein unter ihm angebrachtes Aluminiumgerüst, an dem die Gondel hängt,
versteift (Patrietyp), oder Gondel und Versteifungsgerüst bilden einen etwa
30 Meter langen Gitterbalken, und der Ballon schwebt an Seilen darüber
(Ville de Paristyp). Mit mehr oder weniger großen Abweichungen nicht grund¬
legender Natur sind hiernach alle Luftschiffe mit Ausnahme des "Zeppelin" und
des "Parseval" gebaut.

Frankreich besitzt vom Patrietyp die Luftschiffe "La Republique" und
..Lebaudy", vom Ville de Paristyp die "Ville de Paris" und die im Bau be¬
griffne "Liberte". Diese Fahrzeuge sind als ätriAe^bles ac tortorössö in den
Ostfestungen stationiert oder dafür bestimmt und für die Aufgaben des Festungs¬
krieges und der Nahcmfklärnng ausersehn. Für die Fernaufklärung ist ein
DiriAeMg ä'armöe des Ville de Paristyp im Bau, der die doppelten Ab¬
messungen wie die vorher genannten und unter Umständen auch zwei Motore
erhalten soll. "La Republique" ist 61 Meter lang, hat einen Durchmesser von
10,8 Metern und faßt 3700 Kubikmeter Gas. Die Höhensteuerung geschieht
durch zwei horizontale, 16 Quadratmeter große Aeroplauflächen, die unter ver-
schiednen Winkel eingestellt werden können. Hierdurch wird ein durch deu
tiefliegenden Schwerpunkt der Gondel ausgeschloßnes Schrügstellen des Ballons
fast ganz vermieden und zugleich ein dynamisches Heben und Senken des Luft¬
schiffes ermöglicht. nachteilig ist die Anbringung der zwei Luftschrauben an den
Seiten der Gondel, tief unter dem Schwerpunkt, wodurch ein Kippmoment ent¬
steht, das die Ballonspitze hebt, Schwankungen verursacht und die Dämpfungs-
flächen stark beansprucht. "La Republique" trägt vier Mann und 820 Kilogramm
Ballast. Ähnlich ist die "Lebaudy", die vier Mann mit 40 Kilometern Stunden¬
geschwindigkeit aufnimmt. Die Stabilisierung geschieht durch ebene Stabilisations-
stächen, während bei "Ville de Paris" hierzu acht unstarre Gasschläuche am Heat
dienen. Solche kleine Nebenkörper werden leicht undicht, sind darum unzweck¬
mäßig. Die Fortbewegung geschieht in geeigneter Weise durch eine ziehende
Luftschraube an der Spitze des Versteifnngsgerüstes, die Stabilität ist gut. Der


Die Motorluftschiffahrt der modernen Heere

Gas und Luft ein brennbares Gemisch bildet, das durch Luftclektrizität leicht
entzündet werden kann. Hierin liegt, wie der 5. August 1908 bewiesen hat,
eine schwere Gefahr des starren Systems, dessen Vorteile bei ausreichenden
Motoren die große Fahrtdauer, dessen Nachteil die Abhängigkeit von Luftschiff¬
häfen und stationären Füllstationen bleiben. Deshalb sind die „Zeppeline" zur
Stationierung an den Grenzen und Küsten und zur strategischen Fernaufklärung
zu Lande und zu Wasser berufen. Da die nötigen Mittel zu eingehenden weitern
Versuchen dank der Opfermütigkeit des deutschen Volkes und der staatlichen
Ankäufe zur Verfügung stehn, wird es der unermüdlichen praktischen Übung
gelingen, die erkannten Nachteile abzustellen oder wenigstens ihre Gefahren zu
vermeide«.

Die Wiege des Halbstarren Systems stand in Frankreich. Bei diesen
Luftschiffer ist entweder der unstarre, durch Ballouets in Form gehaltn? Ballon
durch ein unter ihm angebrachtes Aluminiumgerüst, an dem die Gondel hängt,
versteift (Patrietyp), oder Gondel und Versteifungsgerüst bilden einen etwa
30 Meter langen Gitterbalken, und der Ballon schwebt an Seilen darüber
(Ville de Paristyp). Mit mehr oder weniger großen Abweichungen nicht grund¬
legender Natur sind hiernach alle Luftschiffe mit Ausnahme des „Zeppelin" und
des „Parseval" gebaut.

Frankreich besitzt vom Patrietyp die Luftschiffe „La Republique" und
..Lebaudy", vom Ville de Paristyp die „Ville de Paris" und die im Bau be¬
griffne „Liberte". Diese Fahrzeuge sind als ätriAe^bles ac tortorössö in den
Ostfestungen stationiert oder dafür bestimmt und für die Aufgaben des Festungs¬
krieges und der Nahcmfklärnng ausersehn. Für die Fernaufklärung ist ein
DiriAeMg ä'armöe des Ville de Paristyp im Bau, der die doppelten Ab¬
messungen wie die vorher genannten und unter Umständen auch zwei Motore
erhalten soll. „La Republique" ist 61 Meter lang, hat einen Durchmesser von
10,8 Metern und faßt 3700 Kubikmeter Gas. Die Höhensteuerung geschieht
durch zwei horizontale, 16 Quadratmeter große Aeroplauflächen, die unter ver-
schiednen Winkel eingestellt werden können. Hierdurch wird ein durch deu
tiefliegenden Schwerpunkt der Gondel ausgeschloßnes Schrügstellen des Ballons
fast ganz vermieden und zugleich ein dynamisches Heben und Senken des Luft¬
schiffes ermöglicht. nachteilig ist die Anbringung der zwei Luftschrauben an den
Seiten der Gondel, tief unter dem Schwerpunkt, wodurch ein Kippmoment ent¬
steht, das die Ballonspitze hebt, Schwankungen verursacht und die Dämpfungs-
flächen stark beansprucht. „La Republique" trägt vier Mann und 820 Kilogramm
Ballast. Ähnlich ist die „Lebaudy", die vier Mann mit 40 Kilometern Stunden¬
geschwindigkeit aufnimmt. Die Stabilisierung geschieht durch ebene Stabilisations-
stächen, während bei „Ville de Paris" hierzu acht unstarre Gasschläuche am Heat
dienen. Solche kleine Nebenkörper werden leicht undicht, sind darum unzweck¬
mäßig. Die Fortbewegung geschieht in geeigneter Weise durch eine ziehende
Luftschraube an der Spitze des Versteifnngsgerüstes, die Stabilität ist gut. Der


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[0493] Die Motorluftschiffahrt der modernen Heere Gas und Luft ein brennbares Gemisch bildet, das durch Luftclektrizität leicht entzündet werden kann. Hierin liegt, wie der 5. August 1908 bewiesen hat, eine schwere Gefahr des starren Systems, dessen Vorteile bei ausreichenden Motoren die große Fahrtdauer, dessen Nachteil die Abhängigkeit von Luftschiff¬ häfen und stationären Füllstationen bleiben. Deshalb sind die „Zeppeline" zur Stationierung an den Grenzen und Küsten und zur strategischen Fernaufklärung zu Lande und zu Wasser berufen. Da die nötigen Mittel zu eingehenden weitern Versuchen dank der Opfermütigkeit des deutschen Volkes und der staatlichen Ankäufe zur Verfügung stehn, wird es der unermüdlichen praktischen Übung gelingen, die erkannten Nachteile abzustellen oder wenigstens ihre Gefahren zu vermeide«. Die Wiege des Halbstarren Systems stand in Frankreich. Bei diesen Luftschiffer ist entweder der unstarre, durch Ballouets in Form gehaltn? Ballon durch ein unter ihm angebrachtes Aluminiumgerüst, an dem die Gondel hängt, versteift (Patrietyp), oder Gondel und Versteifungsgerüst bilden einen etwa 30 Meter langen Gitterbalken, und der Ballon schwebt an Seilen darüber (Ville de Paristyp). Mit mehr oder weniger großen Abweichungen nicht grund¬ legender Natur sind hiernach alle Luftschiffe mit Ausnahme des „Zeppelin" und des „Parseval" gebaut. Frankreich besitzt vom Patrietyp die Luftschiffe „La Republique" und ..Lebaudy", vom Ville de Paristyp die „Ville de Paris" und die im Bau be¬ griffne „Liberte". Diese Fahrzeuge sind als ätriAe^bles ac tortorössö in den Ostfestungen stationiert oder dafür bestimmt und für die Aufgaben des Festungs¬ krieges und der Nahcmfklärnng ausersehn. Für die Fernaufklärung ist ein DiriAeMg ä'armöe des Ville de Paristyp im Bau, der die doppelten Ab¬ messungen wie die vorher genannten und unter Umständen auch zwei Motore erhalten soll. „La Republique" ist 61 Meter lang, hat einen Durchmesser von 10,8 Metern und faßt 3700 Kubikmeter Gas. Die Höhensteuerung geschieht durch zwei horizontale, 16 Quadratmeter große Aeroplauflächen, die unter ver- schiednen Winkel eingestellt werden können. Hierdurch wird ein durch deu tiefliegenden Schwerpunkt der Gondel ausgeschloßnes Schrügstellen des Ballons fast ganz vermieden und zugleich ein dynamisches Heben und Senken des Luft¬ schiffes ermöglicht. nachteilig ist die Anbringung der zwei Luftschrauben an den Seiten der Gondel, tief unter dem Schwerpunkt, wodurch ein Kippmoment ent¬ steht, das die Ballonspitze hebt, Schwankungen verursacht und die Dämpfungs- flächen stark beansprucht. „La Republique" trägt vier Mann und 820 Kilogramm Ballast. Ähnlich ist die „Lebaudy", die vier Mann mit 40 Kilometern Stunden¬ geschwindigkeit aufnimmt. Die Stabilisierung geschieht durch ebene Stabilisations- stächen, während bei „Ville de Paris" hierzu acht unstarre Gasschläuche am Heat dienen. Solche kleine Nebenkörper werden leicht undicht, sind darum unzweck¬ mäßig. Die Fortbewegung geschieht in geeigneter Weise durch eine ziehende Luftschraube an der Spitze des Versteifnngsgerüstes, die Stabilität ist gut. Der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/493>, abgerufen am 17.06.2024.