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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die lssotorluftschiffahrt der modernen Heere

Rolle spielen, da die Mvutieruug des auseinandernehmbaren Versteifungs-
gerüstes schnell möglich ist und die Ballons auf Wagen mitgeführt werden
können. In der Feldmäßigkeit der Verpackungsmöglichkeit werden sie aller¬
dings durch den unstarren Parscvaiballon übertroffen. Der soeben vollendete
"Parseval III" übertrifft den "Parseval II" um 2200 Kubikmeter Gasfüllung
(5600 statt 3400) und ist mit zwei 100 ?8-Motoren und mit zwei Schrauben
ausgestattet. Die beiden in den Enden des fischförmiger Luftschiffes ange¬
brachten, der Formerhaltung und Höhensteuerung dienenden Ballonets nehmen
ein Viertel des Ballonvolumens ein. Die Schaukelaufhüugung der Gondel
hat den Vorteil, daß Schwankungen oder ein Aufbäumen des Ballons beim
Anfahren oder bei plötzlichen Windstößen vermieden werden, sie erleichtert
mich die Höhenstenerung. "Parseval II" fuhr mit durchschnittlich 13 Metern
Sekundengeschwindigkeit und legte am 11. September 1908 250 Kilometer in
11^ Stunden zurück. "Parseval III" soll Betriebsstoff für 12 bis 24 Stunden
je nach der Arbeit der Motore mit sich führen und 42 bis 45 Kilometer
durchschnittliche Reisegeschwindigkeit erreichen. Die Parsevalballons sind be¬
rufen, die Aufgaben der Nahaufklärung zu lösen und vielleicht anch später
ans Ballonschiffen auf hoher See Verwendung zu finden.

Die Flugmaschinen haben die ernste Beachtung der Heeresverwaltung
auf sich gelenkt. Ihre geringere Größe, Billigkeit und bequeme Bedienung
erwerben ihr ständig neue Anhänger. Ihr Mangel liegt in der noch unge¬
nügenden Betriebssicherheit, die erstens eine Motor-, zum andern eine Gleich-
gewichtsfrage ist. Die Benutzung der besten Flugmaschine setzt -- jedenfalls
vorläufig --- durch motorlose Gleitflüge praktisch vorbereitete, kaltblütige
Männer voraus. Es wäre verfrüht, zu beurteilen, welchen Wert Flug¬
maschinen für die Aufklärung haben. Aktionsradius und Flughöhe sind noch
gering. Die für die Stabilität notwendige Schnelligkeit erschwert die Be¬
obachtung. Sie sind vorläufig mir ein Gegenstand zielbewußter Sports.
Durch den Sport haben sich aber auch die Automobile zu einem vollwertigen
Kriegsmittel entwickelt, und die Automobile der Luft, die Flugmaschinen,
werden folgen.

In der Entwicklung sind die Schraubenflieger und die Drachen¬
flieger. Die theoretisch günstigern Schraubenflieger köunen sich vom engsten
Hofe erheben, die Drachenflieger beanspruchen freies Gelände. Die Schrauben¬
flieger scheitern vorläufig technisch an der notwendigen enormen Hebelcistung
der Tragschrauben, die Drachenflieger bestehn schon in zahlreichen, mehr oder
minder erfolgreichen Typs.

In Frankreich leisten die von Farman und Delagrange gesteuerten
Voismschen Doppeldecker Gutes. Sie werden übertroffen durch die Doppel¬
decker der Gebrüder Wright, deren Vorzüge in den zwei Luftschraube", den
patentierten Stabilisieruugsflächen und in den für die Erhaltung der Stabilität
!n den Schwenkungen abbiegbaren Tragdecksenden zu suchen sind. Die Wrights


Die lssotorluftschiffahrt der modernen Heere

Rolle spielen, da die Mvutieruug des auseinandernehmbaren Versteifungs-
gerüstes schnell möglich ist und die Ballons auf Wagen mitgeführt werden
können. In der Feldmäßigkeit der Verpackungsmöglichkeit werden sie aller¬
dings durch den unstarren Parscvaiballon übertroffen. Der soeben vollendete
„Parseval III" übertrifft den „Parseval II" um 2200 Kubikmeter Gasfüllung
(5600 statt 3400) und ist mit zwei 100 ?8-Motoren und mit zwei Schrauben
ausgestattet. Die beiden in den Enden des fischförmiger Luftschiffes ange¬
brachten, der Formerhaltung und Höhensteuerung dienenden Ballonets nehmen
ein Viertel des Ballonvolumens ein. Die Schaukelaufhüugung der Gondel
hat den Vorteil, daß Schwankungen oder ein Aufbäumen des Ballons beim
Anfahren oder bei plötzlichen Windstößen vermieden werden, sie erleichtert
mich die Höhenstenerung. „Parseval II" fuhr mit durchschnittlich 13 Metern
Sekundengeschwindigkeit und legte am 11. September 1908 250 Kilometer in
11^ Stunden zurück. „Parseval III" soll Betriebsstoff für 12 bis 24 Stunden
je nach der Arbeit der Motore mit sich führen und 42 bis 45 Kilometer
durchschnittliche Reisegeschwindigkeit erreichen. Die Parsevalballons sind be¬
rufen, die Aufgaben der Nahaufklärung zu lösen und vielleicht anch später
ans Ballonschiffen auf hoher See Verwendung zu finden.

Die Flugmaschinen haben die ernste Beachtung der Heeresverwaltung
auf sich gelenkt. Ihre geringere Größe, Billigkeit und bequeme Bedienung
erwerben ihr ständig neue Anhänger. Ihr Mangel liegt in der noch unge¬
nügenden Betriebssicherheit, die erstens eine Motor-, zum andern eine Gleich-
gewichtsfrage ist. Die Benutzung der besten Flugmaschine setzt — jedenfalls
vorläufig -— durch motorlose Gleitflüge praktisch vorbereitete, kaltblütige
Männer voraus. Es wäre verfrüht, zu beurteilen, welchen Wert Flug¬
maschinen für die Aufklärung haben. Aktionsradius und Flughöhe sind noch
gering. Die für die Stabilität notwendige Schnelligkeit erschwert die Be¬
obachtung. Sie sind vorläufig mir ein Gegenstand zielbewußter Sports.
Durch den Sport haben sich aber auch die Automobile zu einem vollwertigen
Kriegsmittel entwickelt, und die Automobile der Luft, die Flugmaschinen,
werden folgen.

In der Entwicklung sind die Schraubenflieger und die Drachen¬
flieger. Die theoretisch günstigern Schraubenflieger köunen sich vom engsten
Hofe erheben, die Drachenflieger beanspruchen freies Gelände. Die Schrauben¬
flieger scheitern vorläufig technisch an der notwendigen enormen Hebelcistung
der Tragschrauben, die Drachenflieger bestehn schon in zahlreichen, mehr oder
minder erfolgreichen Typs.

In Frankreich leisten die von Farman und Delagrange gesteuerten
Voismschen Doppeldecker Gutes. Sie werden übertroffen durch die Doppel¬
decker der Gebrüder Wright, deren Vorzüge in den zwei Luftschraube», den
patentierten Stabilisieruugsflächen und in den für die Erhaltung der Stabilität
!n den Schwenkungen abbiegbaren Tragdecksenden zu suchen sind. Die Wrights


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/495>, abgerufen am 19.05.2024.