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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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An den ivegen des Weltverkehrs

einen Staatenbund machten, dessen Verwaltung unter der Oberleitung der
britischen Regierung stehen sollte.

Von militärischem Standpunkt aus betrachtet bietet der befestigte Hafen
von Singapore größere Vorteile als die stärkern Häfen von Gibraltar und
Aden, da diese beiden nicht umgeben sind von eignem Gebiet mit freundlich
gesinnter/Bevölkerung, die imstande und geneigt wäre,' Hilfsmittel aller Art
und nötigenfalls auch Streitkräfte zur örtlichen Verteidigung zu liefern/ Die
eingeborne Bevölkerung der Straits settlements, die außer Singapore auch
die Dindings, die Provinz Weitesten und Pencmg umfassen, hat ungefähr
eine Stärke von 600060, die der Verbündeten Malaienstaaten von annähernd
800000 Seelen. Im Falle eines Krieges hätte der Feind mit dem Widerstände
dieser gesamten Bevölkerung zu rechnen, da die Häuptlinge der Verbündeten Staaten
vertragsmäßig verpflichtet sind, die britische Negierung mit Truppenaufgeboten
bei der Verteidigung der Kolonie der Straits settlements zu unterstützen.

Singapore ist ein schlagendes Beispiel für den Einfluß kaufmännischen
Unternehmungsgeistes auf die Entwicklung des britischen Reiches. Sir Stamford
Raffles, der damalige Gouverneur von Bencoolen, der Niederlassung der Ost¬
indischen Kompagnie auf Sumatra, hatte im Jahre 1819 nicht aus militärischen
Gründen, sondern für Handelszwecke Singapore besetzt. Offiziell wurde es
dann im Jahre 1824 durch den Sultan von Johore an die britische Re¬
gierung abgetreten. Die Erwerbung Singaporcs aber hat alle Hoffnungen
Sir Stamford Raffles in reichem Maße erfüllt. Von kleinen Anfängen an
entwickelte sich die Insel allmählich zu einer Niederlage für den gesamten
Handel von Siam, der Malaiischen Halbinsel und des Malaiischen Archipels.
Heute steht Singapore als achter Hafenplatz auf der Liste der größern Häfen
der Welt. Abgesehen von den Eingebörnenfahrzeugen haben im Jahre 1906
10571 Fahrzeuge mit einem Gesamttonnengehalt von mehr als 13 Millionen
Tonnen den Hafen aufgesucht und ihre Ladung ausklariert. Über 50 ozean¬
fahrende Dampfschifflinien benutzen heute Singapore als Anlaufhafen. Gegen
200000 Tonnen Kohlen sind dort als normaler Vorrat angehäuft. Der Hafen
steht der ganzen Welt offen; Zölle werden nur erhoben für Opium, Spiri-
tuosen, Wein und Bier, die in der Kolonie verbraucht werden. '

Die Straits-settlements-Kolonie, deren Hauptsitz Singapore ist, ist eine
britische Kronkolonic, d. h. ein Herrschaftsgebiet, das unter der britischen
Reichsregierung steht, deren Leitmlg jedoch in den Händen eines eignen
Gouverneurs liegt. Dieser ist bei der weiten Entfernung von seiner vorge¬
setzten Behörde in Downing Street in gewissem Sinne Selbstherrscher. Ihm
zur Seite steht ein "Ausübender Rat" von acht Mitgliedern, die zugleich die
Vorstände der verschiednen Verwaltungsgcbiete sind. Da sie seine Unter¬
gebnen sind, so haben sie ihre Arbeit nach den Befehlen des Gouverneurs
auszuführen. Außerdem besteht noch ein "Gesetzgebender Rat", der sich zu¬
sammensetzt aus den acht offiziellen Mitgliedern des Ausübenden Rats sowie


An den ivegen des Weltverkehrs

einen Staatenbund machten, dessen Verwaltung unter der Oberleitung der
britischen Regierung stehen sollte.

Von militärischem Standpunkt aus betrachtet bietet der befestigte Hafen
von Singapore größere Vorteile als die stärkern Häfen von Gibraltar und
Aden, da diese beiden nicht umgeben sind von eignem Gebiet mit freundlich
gesinnter/Bevölkerung, die imstande und geneigt wäre,' Hilfsmittel aller Art
und nötigenfalls auch Streitkräfte zur örtlichen Verteidigung zu liefern/ Die
eingeborne Bevölkerung der Straits settlements, die außer Singapore auch
die Dindings, die Provinz Weitesten und Pencmg umfassen, hat ungefähr
eine Stärke von 600060, die der Verbündeten Malaienstaaten von annähernd
800000 Seelen. Im Falle eines Krieges hätte der Feind mit dem Widerstände
dieser gesamten Bevölkerung zu rechnen, da die Häuptlinge der Verbündeten Staaten
vertragsmäßig verpflichtet sind, die britische Negierung mit Truppenaufgeboten
bei der Verteidigung der Kolonie der Straits settlements zu unterstützen.

Singapore ist ein schlagendes Beispiel für den Einfluß kaufmännischen
Unternehmungsgeistes auf die Entwicklung des britischen Reiches. Sir Stamford
Raffles, der damalige Gouverneur von Bencoolen, der Niederlassung der Ost¬
indischen Kompagnie auf Sumatra, hatte im Jahre 1819 nicht aus militärischen
Gründen, sondern für Handelszwecke Singapore besetzt. Offiziell wurde es
dann im Jahre 1824 durch den Sultan von Johore an die britische Re¬
gierung abgetreten. Die Erwerbung Singaporcs aber hat alle Hoffnungen
Sir Stamford Raffles in reichem Maße erfüllt. Von kleinen Anfängen an
entwickelte sich die Insel allmählich zu einer Niederlage für den gesamten
Handel von Siam, der Malaiischen Halbinsel und des Malaiischen Archipels.
Heute steht Singapore als achter Hafenplatz auf der Liste der größern Häfen
der Welt. Abgesehen von den Eingebörnenfahrzeugen haben im Jahre 1906
10571 Fahrzeuge mit einem Gesamttonnengehalt von mehr als 13 Millionen
Tonnen den Hafen aufgesucht und ihre Ladung ausklariert. Über 50 ozean¬
fahrende Dampfschifflinien benutzen heute Singapore als Anlaufhafen. Gegen
200000 Tonnen Kohlen sind dort als normaler Vorrat angehäuft. Der Hafen
steht der ganzen Welt offen; Zölle werden nur erhoben für Opium, Spiri-
tuosen, Wein und Bier, die in der Kolonie verbraucht werden. '

Die Straits-settlements-Kolonie, deren Hauptsitz Singapore ist, ist eine
britische Kronkolonic, d. h. ein Herrschaftsgebiet, das unter der britischen
Reichsregierung steht, deren Leitmlg jedoch in den Händen eines eignen
Gouverneurs liegt. Dieser ist bei der weiten Entfernung von seiner vorge¬
setzten Behörde in Downing Street in gewissem Sinne Selbstherrscher. Ihm
zur Seite steht ein „Ausübender Rat" von acht Mitgliedern, die zugleich die
Vorstände der verschiednen Verwaltungsgcbiete sind. Da sie seine Unter¬
gebnen sind, so haben sie ihre Arbeit nach den Befehlen des Gouverneurs
auszuführen. Außerdem besteht noch ein „Gesetzgebender Rat", der sich zu¬
sammensetzt aus den acht offiziellen Mitgliedern des Ausübenden Rats sowie


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[0074] An den ivegen des Weltverkehrs einen Staatenbund machten, dessen Verwaltung unter der Oberleitung der britischen Regierung stehen sollte. Von militärischem Standpunkt aus betrachtet bietet der befestigte Hafen von Singapore größere Vorteile als die stärkern Häfen von Gibraltar und Aden, da diese beiden nicht umgeben sind von eignem Gebiet mit freundlich gesinnter/Bevölkerung, die imstande und geneigt wäre,' Hilfsmittel aller Art und nötigenfalls auch Streitkräfte zur örtlichen Verteidigung zu liefern/ Die eingeborne Bevölkerung der Straits settlements, die außer Singapore auch die Dindings, die Provinz Weitesten und Pencmg umfassen, hat ungefähr eine Stärke von 600060, die der Verbündeten Malaienstaaten von annähernd 800000 Seelen. Im Falle eines Krieges hätte der Feind mit dem Widerstände dieser gesamten Bevölkerung zu rechnen, da die Häuptlinge der Verbündeten Staaten vertragsmäßig verpflichtet sind, die britische Negierung mit Truppenaufgeboten bei der Verteidigung der Kolonie der Straits settlements zu unterstützen. Singapore ist ein schlagendes Beispiel für den Einfluß kaufmännischen Unternehmungsgeistes auf die Entwicklung des britischen Reiches. Sir Stamford Raffles, der damalige Gouverneur von Bencoolen, der Niederlassung der Ost¬ indischen Kompagnie auf Sumatra, hatte im Jahre 1819 nicht aus militärischen Gründen, sondern für Handelszwecke Singapore besetzt. Offiziell wurde es dann im Jahre 1824 durch den Sultan von Johore an die britische Re¬ gierung abgetreten. Die Erwerbung Singaporcs aber hat alle Hoffnungen Sir Stamford Raffles in reichem Maße erfüllt. Von kleinen Anfängen an entwickelte sich die Insel allmählich zu einer Niederlage für den gesamten Handel von Siam, der Malaiischen Halbinsel und des Malaiischen Archipels. Heute steht Singapore als achter Hafenplatz auf der Liste der größern Häfen der Welt. Abgesehen von den Eingebörnenfahrzeugen haben im Jahre 1906 10571 Fahrzeuge mit einem Gesamttonnengehalt von mehr als 13 Millionen Tonnen den Hafen aufgesucht und ihre Ladung ausklariert. Über 50 ozean¬ fahrende Dampfschifflinien benutzen heute Singapore als Anlaufhafen. Gegen 200000 Tonnen Kohlen sind dort als normaler Vorrat angehäuft. Der Hafen steht der ganzen Welt offen; Zölle werden nur erhoben für Opium, Spiri- tuosen, Wein und Bier, die in der Kolonie verbraucht werden. ' Die Straits-settlements-Kolonie, deren Hauptsitz Singapore ist, ist eine britische Kronkolonic, d. h. ein Herrschaftsgebiet, das unter der britischen Reichsregierung steht, deren Leitmlg jedoch in den Händen eines eignen Gouverneurs liegt. Dieser ist bei der weiten Entfernung von seiner vorge¬ setzten Behörde in Downing Street in gewissem Sinne Selbstherrscher. Ihm zur Seite steht ein „Ausübender Rat" von acht Mitgliedern, die zugleich die Vorstände der verschiednen Verwaltungsgcbiete sind. Da sie seine Unter¬ gebnen sind, so haben sie ihre Arbeit nach den Befehlen des Gouverneurs auszuführen. Außerdem besteht noch ein „Gesetzgebender Rat", der sich zu¬ sammensetzt aus den acht offiziellen Mitgliedern des Ausübenden Rats sowie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/74>, abgerufen am 27.05.2024.