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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Zur Schicksalsstmide des ehemaligen Uönigreichs Hannover

Da setzt nun die Gründung des Zollvereins durch Preußen ein, dieses
klug und weitsichtig angelegten, unter tausend Hindernissen mit unendlicher Zähig¬
keit und Geduld durchgeführten Einigungswerks auf wirtschaftlichem Gebiet,
als Vorstufe für das künftige nationale.

Es ist diese Tat Preußens von England immer als ein höchst eigen-
machtiger Eingriff in seine gesamte deutsch-merkantile Ausbeutungssphäre sowohl
wie in die ihm als besonders bevorrechtet geltende von Hannover empfunden
worden. Deshalb befand sich, neben Sachsen und Kurhessen, Hannover in der
vordersten Reihe aller gegen die Zollpolitik Preußens gerichteten, von Österreich
unterstützten feindseligen Bestrebungen. Einen Beweis, wie tief eingewurzelt
die Abneigung war, sich an Preußen anzulehnen, gab der König von Hannover
selbst. Er holte nämlich die Ansicht des greisen Herzogs von Wellington
darüber ein, ob es nicht gut wäre, wenn .Hannover bei der Vereinbarung mit
Preußen, zu der es augenblicklich (1848/49) gezwungen sei, freie Hand be¬
halte, um Österreich Zeit zu geben, seinen Einfluß wieder geltend zu machen.
Der Herzog gab ihm zu bedenken, daß es ungewiß sei, ob Österreich bei der
geographischen Lage seines Staates imstande sein werde, ihn dann gegen
Preußen zu schützen. Die Unterlassung leidenschaftsloser Prüfung dieser reinen
Machtfrage sollte ihm später zum Verderben gereichen. Jedenfalls beharrte
Hannover, indem es die Hoffnung, durch Auflösung des Zollvereins die
politische Stellung Preußens geschwächt zu sehen, nicht aufgab, in seiner
zurückweisenden Haltung. Erst durch das kraftvolle Auftreten des preußischen
Münsters des Auswärtigen wurde dieser Widerstand überwunden. So war
denn die Handelseinheit Deutschlands nach vierzigjährigen Federkriege zur
endgiltig vollendeten Tatsache geworden. Seitdem drängte die schnelle Auf¬
einanderfolge der politischen Ereignisse und die geschickte Art, wie sie
preußischerseits konsequent nach einem Ziele hin gestaltet und verwertet wurden,
fast mit elementarer Gewalt auf die Beseitigung des naturwidriger öster¬
reichisch-preußischen Dualismus. Es handelte sich um den Austrag der
Frage, wer zur Führerschaft in Deutschland auch in politischer Hinsicht das
Zeug habe und deshalb berufen sei, künftighin "Hüter und Mehrer des Reiches"
zu sein.

Schon längst war ja Österreich seinem traditionellen deutschen Berufe durch
das Schwergewicht seiner außerdeutschen Kronländer entfremdet worden. Aber
es konnte ihm auch nicht verarge werden, daß es Stellung und Einfluß in
Deutschland mit allen Mitteln zu behaupten, ja auszudehnen den Willen
zeigte. Von diesem Standpunkte aus wurden demnach, ebenso wie beim Zoll¬
streit, alle Fragen behandelt. Der guerillakriegsmäßig geführte Federstreit um
die Reform der Bundesverfassung ist sonach nur die Einleitung zum gewalt¬
samen Austrage gewesen.

Da gab die Aufrollung der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit den un¬
mittelbaren Anlaß zum offnen Kampfe um die Vorherrschaft in Deutschland.


Zur Schicksalsstmide des ehemaligen Uönigreichs Hannover

Da setzt nun die Gründung des Zollvereins durch Preußen ein, dieses
klug und weitsichtig angelegten, unter tausend Hindernissen mit unendlicher Zähig¬
keit und Geduld durchgeführten Einigungswerks auf wirtschaftlichem Gebiet,
als Vorstufe für das künftige nationale.

Es ist diese Tat Preußens von England immer als ein höchst eigen-
machtiger Eingriff in seine gesamte deutsch-merkantile Ausbeutungssphäre sowohl
wie in die ihm als besonders bevorrechtet geltende von Hannover empfunden
worden. Deshalb befand sich, neben Sachsen und Kurhessen, Hannover in der
vordersten Reihe aller gegen die Zollpolitik Preußens gerichteten, von Österreich
unterstützten feindseligen Bestrebungen. Einen Beweis, wie tief eingewurzelt
die Abneigung war, sich an Preußen anzulehnen, gab der König von Hannover
selbst. Er holte nämlich die Ansicht des greisen Herzogs von Wellington
darüber ein, ob es nicht gut wäre, wenn .Hannover bei der Vereinbarung mit
Preußen, zu der es augenblicklich (1848/49) gezwungen sei, freie Hand be¬
halte, um Österreich Zeit zu geben, seinen Einfluß wieder geltend zu machen.
Der Herzog gab ihm zu bedenken, daß es ungewiß sei, ob Österreich bei der
geographischen Lage seines Staates imstande sein werde, ihn dann gegen
Preußen zu schützen. Die Unterlassung leidenschaftsloser Prüfung dieser reinen
Machtfrage sollte ihm später zum Verderben gereichen. Jedenfalls beharrte
Hannover, indem es die Hoffnung, durch Auflösung des Zollvereins die
politische Stellung Preußens geschwächt zu sehen, nicht aufgab, in seiner
zurückweisenden Haltung. Erst durch das kraftvolle Auftreten des preußischen
Münsters des Auswärtigen wurde dieser Widerstand überwunden. So war
denn die Handelseinheit Deutschlands nach vierzigjährigen Federkriege zur
endgiltig vollendeten Tatsache geworden. Seitdem drängte die schnelle Auf¬
einanderfolge der politischen Ereignisse und die geschickte Art, wie sie
preußischerseits konsequent nach einem Ziele hin gestaltet und verwertet wurden,
fast mit elementarer Gewalt auf die Beseitigung des naturwidriger öster¬
reichisch-preußischen Dualismus. Es handelte sich um den Austrag der
Frage, wer zur Führerschaft in Deutschland auch in politischer Hinsicht das
Zeug habe und deshalb berufen sei, künftighin „Hüter und Mehrer des Reiches"
zu sein.

Schon längst war ja Österreich seinem traditionellen deutschen Berufe durch
das Schwergewicht seiner außerdeutschen Kronländer entfremdet worden. Aber
es konnte ihm auch nicht verarge werden, daß es Stellung und Einfluß in
Deutschland mit allen Mitteln zu behaupten, ja auszudehnen den Willen
zeigte. Von diesem Standpunkte aus wurden demnach, ebenso wie beim Zoll¬
streit, alle Fragen behandelt. Der guerillakriegsmäßig geführte Federstreit um
die Reform der Bundesverfassung ist sonach nur die Einleitung zum gewalt¬
samen Austrage gewesen.

Da gab die Aufrollung der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit den un¬
mittelbaren Anlaß zum offnen Kampfe um die Vorherrschaft in Deutschland.


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[0018] Zur Schicksalsstmide des ehemaligen Uönigreichs Hannover Da setzt nun die Gründung des Zollvereins durch Preußen ein, dieses klug und weitsichtig angelegten, unter tausend Hindernissen mit unendlicher Zähig¬ keit und Geduld durchgeführten Einigungswerks auf wirtschaftlichem Gebiet, als Vorstufe für das künftige nationale. Es ist diese Tat Preußens von England immer als ein höchst eigen- machtiger Eingriff in seine gesamte deutsch-merkantile Ausbeutungssphäre sowohl wie in die ihm als besonders bevorrechtet geltende von Hannover empfunden worden. Deshalb befand sich, neben Sachsen und Kurhessen, Hannover in der vordersten Reihe aller gegen die Zollpolitik Preußens gerichteten, von Österreich unterstützten feindseligen Bestrebungen. Einen Beweis, wie tief eingewurzelt die Abneigung war, sich an Preußen anzulehnen, gab der König von Hannover selbst. Er holte nämlich die Ansicht des greisen Herzogs von Wellington darüber ein, ob es nicht gut wäre, wenn .Hannover bei der Vereinbarung mit Preußen, zu der es augenblicklich (1848/49) gezwungen sei, freie Hand be¬ halte, um Österreich Zeit zu geben, seinen Einfluß wieder geltend zu machen. Der Herzog gab ihm zu bedenken, daß es ungewiß sei, ob Österreich bei der geographischen Lage seines Staates imstande sein werde, ihn dann gegen Preußen zu schützen. Die Unterlassung leidenschaftsloser Prüfung dieser reinen Machtfrage sollte ihm später zum Verderben gereichen. Jedenfalls beharrte Hannover, indem es die Hoffnung, durch Auflösung des Zollvereins die politische Stellung Preußens geschwächt zu sehen, nicht aufgab, in seiner zurückweisenden Haltung. Erst durch das kraftvolle Auftreten des preußischen Münsters des Auswärtigen wurde dieser Widerstand überwunden. So war denn die Handelseinheit Deutschlands nach vierzigjährigen Federkriege zur endgiltig vollendeten Tatsache geworden. Seitdem drängte die schnelle Auf¬ einanderfolge der politischen Ereignisse und die geschickte Art, wie sie preußischerseits konsequent nach einem Ziele hin gestaltet und verwertet wurden, fast mit elementarer Gewalt auf die Beseitigung des naturwidriger öster¬ reichisch-preußischen Dualismus. Es handelte sich um den Austrag der Frage, wer zur Führerschaft in Deutschland auch in politischer Hinsicht das Zeug habe und deshalb berufen sei, künftighin „Hüter und Mehrer des Reiches" zu sein. Schon längst war ja Österreich seinem traditionellen deutschen Berufe durch das Schwergewicht seiner außerdeutschen Kronländer entfremdet worden. Aber es konnte ihm auch nicht verarge werden, daß es Stellung und Einfluß in Deutschland mit allen Mitteln zu behaupten, ja auszudehnen den Willen zeigte. Von diesem Standpunkte aus wurden demnach, ebenso wie beim Zoll¬ streit, alle Fragen behandelt. Der guerillakriegsmäßig geführte Federstreit um die Reform der Bundesverfassung ist sonach nur die Einleitung zum gewalt¬ samen Austrage gewesen. Da gab die Aufrollung der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit den un¬ mittelbaren Anlaß zum offnen Kampfe um die Vorherrschaft in Deutschland.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/18>, abgerufen am 10.05.2024.