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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Einiges über das Klima Italiens

Luft immer etwas bewegt, da ein Austausch der See- und Landluft regelmäßig
von Ende April bis Ende Oktober und auch im Winter bei schönem Wetter
stattfindet. Bei anhaltendem klaren Wetter pflegt in der Morgenstunde ein leichter
Landwind von der kühlern Küste gegen das wärmere Meer zu wehen. Die
Temperatur des Landes beginnt dann bei Sonnenschein zu steigen, worauf der
Seewind einsetzt, der eine merkliche Abkühlung herbeiführt. Die Luft wird aber
wieder durch die Sonnenstrahlen erwärmt, worauf dann der Wind vom kühlen
Meere gegen die wärmere Küste einsetzt.

An der ligurischen Küste wie in der Provence weht oft der Mistral, der
aus Norden und Nordosten kommt. Er tritt mit großer Regelmäßigkeit auf,
indem er sich über das Mittelmeer fächerartig verbreitet. Er ist nur angenehm
kalt und stürzt mit elementarer Gewalt vom Gebirge, indem er mächtige Staub¬
wolken auf den Straßen aufwirbelt. Sein Hauptverbreitungsgebiet liegt im
Rhonetal; doch kommt er auch an einzelnen Stellen der Riviera vor, sobald
nämlich das Gebirge Lücken zeigt oder niedriger wird. Sonst bietet die hohe
Kette der Seealpen der Küste Schutz, weshalb der Mistral erst weiter von der
Küste entfernt das Meer erreicht. Er ist trocken und bringt infolgedessen heiteres
Wetter. Er fegt den Himmel rein von Wolken, pfeift bei Sonnenschein, weht
in kurzen Stößen und klingt dvnnerartig. Er entsteht dadurch, daß der Äquatorial¬
strom von dem mittelfranzösischen Hochlande und von den Alpen nach Süden
abgelenkt wird. Wenn er sich mit dem Nordwind vereinigt, wird er so kalt, daß
er das Thermometer mit einem Schlage um 7 bis 8 Grad zum Sinken bringt.
Wenn er heftig auftritt, weht er oft einige Wochen, besonders im Herbst und
im Winter. Der Mistral ist der Vegetation äußerst nachteilig, weshalb auch nur
in den vor ihm geschützten Lagen der Riviera Zitronen und Orangen fortkommen.
Selbst Nizza hat schon etwas unter dem Mistral zu leiden, noch mehr Hyeres,
dann Toulon, und er macht sich mit dem Verschwinden der Voralpen alsbald
fühlbar. In der Provence macht er oft die Küste eiskalt und neblig.

Um die schädliche Wirkung des Mistral auf die Vegetation abzuschwächen,
hat man überall in der Provence auf den Feldern Schutzvorrichtungen errichtet,
die aus lebenden Hecken, namentlich aus dicht nebeneinander stehenden Zypressen,
Maulbeerbäumen, ebenso aus Rohrmatten bestehen. In der Regel sieht man
an Nord- und Ostrand der Felder die Zypressenhecken, während auf dem Felde
selbst die etwa 1^ bis 2 Meter hohen Nohrmatten in Entfernung von etwa
20 bis 30 Metern angebracht sind. In der Hauptsache verwendet man die
Schutzvorrichtung für empfindlichere Kulturen, wie Gemüse, Obst u. tgi., während
sie für Getreide meist entbehrt werden kann.

Am windigsten ist es an der Riviera im Frühjahr, und zwar im April.
Der feuchtwarme Südwestwind (Libeccio), der im Sommer die schwülsten Tage
bringt (durchschnittlich 21 Tage im Jahre), wirkt sehr erschlaffend.

Was schließlich die Niederschläge betrifft, so regnet es an der Riviera nur
an wenigen Tagen, dabei äußerst heftig. Die durchschnittliche Regenmenge beträgt


Einiges über das Klima Italiens

Luft immer etwas bewegt, da ein Austausch der See- und Landluft regelmäßig
von Ende April bis Ende Oktober und auch im Winter bei schönem Wetter
stattfindet. Bei anhaltendem klaren Wetter pflegt in der Morgenstunde ein leichter
Landwind von der kühlern Küste gegen das wärmere Meer zu wehen. Die
Temperatur des Landes beginnt dann bei Sonnenschein zu steigen, worauf der
Seewind einsetzt, der eine merkliche Abkühlung herbeiführt. Die Luft wird aber
wieder durch die Sonnenstrahlen erwärmt, worauf dann der Wind vom kühlen
Meere gegen die wärmere Küste einsetzt.

An der ligurischen Küste wie in der Provence weht oft der Mistral, der
aus Norden und Nordosten kommt. Er tritt mit großer Regelmäßigkeit auf,
indem er sich über das Mittelmeer fächerartig verbreitet. Er ist nur angenehm
kalt und stürzt mit elementarer Gewalt vom Gebirge, indem er mächtige Staub¬
wolken auf den Straßen aufwirbelt. Sein Hauptverbreitungsgebiet liegt im
Rhonetal; doch kommt er auch an einzelnen Stellen der Riviera vor, sobald
nämlich das Gebirge Lücken zeigt oder niedriger wird. Sonst bietet die hohe
Kette der Seealpen der Küste Schutz, weshalb der Mistral erst weiter von der
Küste entfernt das Meer erreicht. Er ist trocken und bringt infolgedessen heiteres
Wetter. Er fegt den Himmel rein von Wolken, pfeift bei Sonnenschein, weht
in kurzen Stößen und klingt dvnnerartig. Er entsteht dadurch, daß der Äquatorial¬
strom von dem mittelfranzösischen Hochlande und von den Alpen nach Süden
abgelenkt wird. Wenn er sich mit dem Nordwind vereinigt, wird er so kalt, daß
er das Thermometer mit einem Schlage um 7 bis 8 Grad zum Sinken bringt.
Wenn er heftig auftritt, weht er oft einige Wochen, besonders im Herbst und
im Winter. Der Mistral ist der Vegetation äußerst nachteilig, weshalb auch nur
in den vor ihm geschützten Lagen der Riviera Zitronen und Orangen fortkommen.
Selbst Nizza hat schon etwas unter dem Mistral zu leiden, noch mehr Hyeres,
dann Toulon, und er macht sich mit dem Verschwinden der Voralpen alsbald
fühlbar. In der Provence macht er oft die Küste eiskalt und neblig.

Um die schädliche Wirkung des Mistral auf die Vegetation abzuschwächen,
hat man überall in der Provence auf den Feldern Schutzvorrichtungen errichtet,
die aus lebenden Hecken, namentlich aus dicht nebeneinander stehenden Zypressen,
Maulbeerbäumen, ebenso aus Rohrmatten bestehen. In der Regel sieht man
an Nord- und Ostrand der Felder die Zypressenhecken, während auf dem Felde
selbst die etwa 1^ bis 2 Meter hohen Nohrmatten in Entfernung von etwa
20 bis 30 Metern angebracht sind. In der Hauptsache verwendet man die
Schutzvorrichtung für empfindlichere Kulturen, wie Gemüse, Obst u. tgi., während
sie für Getreide meist entbehrt werden kann.

Am windigsten ist es an der Riviera im Frühjahr, und zwar im April.
Der feuchtwarme Südwestwind (Libeccio), der im Sommer die schwülsten Tage
bringt (durchschnittlich 21 Tage im Jahre), wirkt sehr erschlaffend.

Was schließlich die Niederschläge betrifft, so regnet es an der Riviera nur
an wenigen Tagen, dabei äußerst heftig. Die durchschnittliche Regenmenge beträgt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/36>, abgerufen am 09.05.2024.