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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Die Amerikaner auf Hawai

stünden als die Eingebornen. Die Amerikaner handeln hier eben wiederum nur
nach dem nackten Grundsatze: Macht geht vor moralischem Recht. Und wenn
sie sich auf Hawai halten wollen, so müssen sie wohl danach.handeln. Denn
sobald die Japaner das Stimmrecht erhielten, würde zu befürchten sein, daß
das Parlament einen Antrag annähme, die Inseln mit Japan zu vereinigen
oder wenigstens Japan in kommerzieller Beziehung besondre Vorrechte einzu¬
räumen, die den Amerikanern nicht passen würden. In Japan allerdings hofft
man in gewissen Kreisen noch immer, daß es einmal dahin kommen werde.

Die Zuckcrplantagcnbesitzer auf Hawai haben den Japanern gegenüber im
Laufe der Zeit ihre Stellung mehrfach gewechselt. Als die Einwandrung
chinesischer Kukis großen Umfang annahm, da wünschte man die Übeln Folgen,
die dies mit sich führen konnte, dadurch aufzuheben oder wenigstens zu mildern,
daß man japanische Einwandrer heranzog. Nach wenig Jahren aber kam man
zu der Ansicht, daß die Chinesen doch vorzuziehn seien. Und so hat, noch
verstärkt durch die Annexion Hawais, infolge deren das Chinesenausschlußgesetz
der Union auch auf die Sandwichinseln Anwendung finden mußte, die Haltung
gegenüber der chinesischen und japanischen Einwandrung mehrfach hin und
her geschwankt. In den letzten Jahren sind fast ausschließlich Japaner nach Hawai
gekommen. Sie sind den Zuckerplantagenbesitzern weit weniger angenehm als
Chinesen, obwohl sie zäher und kräftiger sind als diese. Aber sie zeigen ebenfalls
die bei den Chinesen oft beobachtete Eigenschaft, daß sie sich, sobald sie Er¬
sparnisse gemacht haben, als Ladenbesitzer in dem nächsten kleinen Städtchen
niederlassen. Außerdem wacht die japanische Regierung aufmerksam über den
Rechten und der Wohlfahrt der Japaner in Hawai, viel aufmerksamer als die
chinesische Regierung über ihren Landeskindern; der Wal Wu Pu hat sich
gegenüber der Union bis vor kurzem zu energischem Auftreten nie aufzuschwingen
gewagt.

Der Handel Hawais mit den Vereinigten Staaten ist seit der Angliederung
nicht so stark gewachsen, wie man meinen könnte. Denn schon der Handelsvertrag
des Jahres 1876 hatte einen lebhaften Aufschwung gebracht: 1876 betrug die
Gesamteinfuhr erst 1811770 Dollars, die Gesamtausfuhr 2241041 Dollars,
1899 dagegen betrug die Gesamteinfuhr 19059606 Dollars, die Gesamtausfuhr
22628742 Dollars. Von dieser gingen nicht weniger als 99,51 Prozent in
die Vereinigten Staaten. Im Jahre 1906 betrug die Ausfuhr nach den Ver¬
einigten Staaten 26850463 Dollars (nur 4 Millionen Dollars mehr), die
Einfuhr von dort 11771155 Dollars. Insgesamt macht dies einen Handels¬
verkehr von 38^2 Millionen Dollars, das heißt von 115 Millionen Mark
jährlich aus. Die Vereinigten Staaten werden deshalb schon aus kommerziellen
Gründen Hawai mit aller Kraft festhalten.

Noch wichtiger müssen dafür aber militärische Gründe erscheinen. Schon
1884, zu einer Zeit, wo man an die Erwerbung überseeischer Kolonien noch
kaum dachte, pachteten die Vereinigten Staaten auf Hawai den Pearl Harbour,


Die Amerikaner auf Hawai

stünden als die Eingebornen. Die Amerikaner handeln hier eben wiederum nur
nach dem nackten Grundsatze: Macht geht vor moralischem Recht. Und wenn
sie sich auf Hawai halten wollen, so müssen sie wohl danach.handeln. Denn
sobald die Japaner das Stimmrecht erhielten, würde zu befürchten sein, daß
das Parlament einen Antrag annähme, die Inseln mit Japan zu vereinigen
oder wenigstens Japan in kommerzieller Beziehung besondre Vorrechte einzu¬
räumen, die den Amerikanern nicht passen würden. In Japan allerdings hofft
man in gewissen Kreisen noch immer, daß es einmal dahin kommen werde.

Die Zuckcrplantagcnbesitzer auf Hawai haben den Japanern gegenüber im
Laufe der Zeit ihre Stellung mehrfach gewechselt. Als die Einwandrung
chinesischer Kukis großen Umfang annahm, da wünschte man die Übeln Folgen,
die dies mit sich führen konnte, dadurch aufzuheben oder wenigstens zu mildern,
daß man japanische Einwandrer heranzog. Nach wenig Jahren aber kam man
zu der Ansicht, daß die Chinesen doch vorzuziehn seien. Und so hat, noch
verstärkt durch die Annexion Hawais, infolge deren das Chinesenausschlußgesetz
der Union auch auf die Sandwichinseln Anwendung finden mußte, die Haltung
gegenüber der chinesischen und japanischen Einwandrung mehrfach hin und
her geschwankt. In den letzten Jahren sind fast ausschließlich Japaner nach Hawai
gekommen. Sie sind den Zuckerplantagenbesitzern weit weniger angenehm als
Chinesen, obwohl sie zäher und kräftiger sind als diese. Aber sie zeigen ebenfalls
die bei den Chinesen oft beobachtete Eigenschaft, daß sie sich, sobald sie Er¬
sparnisse gemacht haben, als Ladenbesitzer in dem nächsten kleinen Städtchen
niederlassen. Außerdem wacht die japanische Regierung aufmerksam über den
Rechten und der Wohlfahrt der Japaner in Hawai, viel aufmerksamer als die
chinesische Regierung über ihren Landeskindern; der Wal Wu Pu hat sich
gegenüber der Union bis vor kurzem zu energischem Auftreten nie aufzuschwingen
gewagt.

Der Handel Hawais mit den Vereinigten Staaten ist seit der Angliederung
nicht so stark gewachsen, wie man meinen könnte. Denn schon der Handelsvertrag
des Jahres 1876 hatte einen lebhaften Aufschwung gebracht: 1876 betrug die
Gesamteinfuhr erst 1811770 Dollars, die Gesamtausfuhr 2241041 Dollars,
1899 dagegen betrug die Gesamteinfuhr 19059606 Dollars, die Gesamtausfuhr
22628742 Dollars. Von dieser gingen nicht weniger als 99,51 Prozent in
die Vereinigten Staaten. Im Jahre 1906 betrug die Ausfuhr nach den Ver¬
einigten Staaten 26850463 Dollars (nur 4 Millionen Dollars mehr), die
Einfuhr von dort 11771155 Dollars. Insgesamt macht dies einen Handels¬
verkehr von 38^2 Millionen Dollars, das heißt von 115 Millionen Mark
jährlich aus. Die Vereinigten Staaten werden deshalb schon aus kommerziellen
Gründen Hawai mit aller Kraft festhalten.

Noch wichtiger müssen dafür aber militärische Gründe erscheinen. Schon
1884, zu einer Zeit, wo man an die Erwerbung überseeischer Kolonien noch
kaum dachte, pachteten die Vereinigten Staaten auf Hawai den Pearl Harbour,


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[0555] Die Amerikaner auf Hawai stünden als die Eingebornen. Die Amerikaner handeln hier eben wiederum nur nach dem nackten Grundsatze: Macht geht vor moralischem Recht. Und wenn sie sich auf Hawai halten wollen, so müssen sie wohl danach.handeln. Denn sobald die Japaner das Stimmrecht erhielten, würde zu befürchten sein, daß das Parlament einen Antrag annähme, die Inseln mit Japan zu vereinigen oder wenigstens Japan in kommerzieller Beziehung besondre Vorrechte einzu¬ räumen, die den Amerikanern nicht passen würden. In Japan allerdings hofft man in gewissen Kreisen noch immer, daß es einmal dahin kommen werde. Die Zuckcrplantagcnbesitzer auf Hawai haben den Japanern gegenüber im Laufe der Zeit ihre Stellung mehrfach gewechselt. Als die Einwandrung chinesischer Kukis großen Umfang annahm, da wünschte man die Übeln Folgen, die dies mit sich führen konnte, dadurch aufzuheben oder wenigstens zu mildern, daß man japanische Einwandrer heranzog. Nach wenig Jahren aber kam man zu der Ansicht, daß die Chinesen doch vorzuziehn seien. Und so hat, noch verstärkt durch die Annexion Hawais, infolge deren das Chinesenausschlußgesetz der Union auch auf die Sandwichinseln Anwendung finden mußte, die Haltung gegenüber der chinesischen und japanischen Einwandrung mehrfach hin und her geschwankt. In den letzten Jahren sind fast ausschließlich Japaner nach Hawai gekommen. Sie sind den Zuckerplantagenbesitzern weit weniger angenehm als Chinesen, obwohl sie zäher und kräftiger sind als diese. Aber sie zeigen ebenfalls die bei den Chinesen oft beobachtete Eigenschaft, daß sie sich, sobald sie Er¬ sparnisse gemacht haben, als Ladenbesitzer in dem nächsten kleinen Städtchen niederlassen. Außerdem wacht die japanische Regierung aufmerksam über den Rechten und der Wohlfahrt der Japaner in Hawai, viel aufmerksamer als die chinesische Regierung über ihren Landeskindern; der Wal Wu Pu hat sich gegenüber der Union bis vor kurzem zu energischem Auftreten nie aufzuschwingen gewagt. Der Handel Hawais mit den Vereinigten Staaten ist seit der Angliederung nicht so stark gewachsen, wie man meinen könnte. Denn schon der Handelsvertrag des Jahres 1876 hatte einen lebhaften Aufschwung gebracht: 1876 betrug die Gesamteinfuhr erst 1811770 Dollars, die Gesamtausfuhr 2241041 Dollars, 1899 dagegen betrug die Gesamteinfuhr 19059606 Dollars, die Gesamtausfuhr 22628742 Dollars. Von dieser gingen nicht weniger als 99,51 Prozent in die Vereinigten Staaten. Im Jahre 1906 betrug die Ausfuhr nach den Ver¬ einigten Staaten 26850463 Dollars (nur 4 Millionen Dollars mehr), die Einfuhr von dort 11771155 Dollars. Insgesamt macht dies einen Handels¬ verkehr von 38^2 Millionen Dollars, das heißt von 115 Millionen Mark jährlich aus. Die Vereinigten Staaten werden deshalb schon aus kommerziellen Gründen Hawai mit aller Kraft festhalten. Noch wichtiger müssen dafür aber militärische Gründe erscheinen. Schon 1884, zu einer Zeit, wo man an die Erwerbung überseeischer Kolonien noch kaum dachte, pachteten die Vereinigten Staaten auf Hawai den Pearl Harbour,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/555>, abgerufen am 28.05.2024.