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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Gast auf "Rote Erde". In meinem Reisetagebuch findet sich die Stelle: "... Es
ist im Bessemerstahlwerk. Von einer der Galerien blick ich hinunter in den endlosen
dunkeln Raum. Unten wimmelts von berußten, halbbekleideten Gestalten, die sich
an weißglühenden viereckigen Stahlblöcken, die auf dem Boden liegen, zu schaffen
machen. Andre, glühende Blöcke hängen mit Ketten an gewaltigen Krämer, die sich
bald hierhin, bald dorthin drehen, wie sie der Mann auf der Schaltbühne an der
Seite gerade lenkt. Dicht vor mir fließt helleuchtendes, geschmolzenes Metall aus
einem haushohen Zylinder, dem Kupolofen, dem mächtige Flammen entfahren, durch
eine Rinne in ein eiförmiges Niesengefäß, die sogenannte Thomasbirne, aus der
rote Glut emporbläst. Und dann durchsprüht mit einemmal ein prasselnder Funken¬
regen das Haus, alles wie ein Blitz erheitert. Eine der mächtigen Birnen bewegt
sich; sie dreht sich um ihre Achse, liegt wagerecht, und aus ihrer Öffnung ergießt
sich ein helleuchtender, feuriger Bach in einen pfannenartigen Bottich, der darunter
gefahren ist. Und dazu ein ohrenzerreißendes Getose, ein Rasseln von Ketten, das
Rollen von Karren, ein Quietschen der Maschinen, das Pusten der Ösen, dazwischen
Schrei-, Pfeifen- und Glockensignale. Tausende von Eindrücken, die gleichzeitig auf
einen einstürmen, und die einen benommen machen. Wohin soll man zuerst blicken?
Erst nach und nach gewöhnt man sich an das Bild, ganz allmählich findet man
den Faden, der alle Vorgänge eint. Man sieht, wie eins immer ins andre greift,
und langsam entschließt man sich, den Prozessen der Reihe nach zu folgen." Seit
damals hat mich das Bild in seinem Bann. Sobald der Name "Eisenhütte" an
mein Ohr schlägt, wird es wach, ich sehe wieder Stätten, gewaltig, riesengroß, im
Zeichen titanenhaften Schaffens. Und das Ganze wirkt so mächtig, allgewaltig, daß
man sich als Nichts fühlt, daß das Gefühl der eignen Persönlichkeit total verblaßt. Als
ob man hoch oben im Gebirge in einem weiten Kreise steinig kahler Gipfel steht.

Dieser eigenartige, von einer herben Poesie durchtränkte Eindruck ist es, den
ich noch in jedem Buch vermißte, das sich mit der Schilderung des Eisenhüttenwerks
befaßt. Und das ist nur natürlich. Selbst bei getreuester Fixierung mit Feder und
Kamera muß die Fülle der Prozesse eine Zersplitterung in tausend Einzelbilder zur
Folge haben. Und leider, leider geht so dem Fernerstehenden das Beste an einem
solchen Riesenwerk, die unmittelbare, wuchtige Wirkung des Ganzen, verloren, das,
was meines Empfindens für den Laien den eigentlichen Reiz ausmachen dürste, sich
der Lektüre seiner Beschreibung zu unterziehen.

Ich fürchte, daß aus demselben Grunde auch die ganz prächtige Monographie
Seitlich-Steudels: Eisenhütte (Verlag von R. Voigtländer in Leipzig) das
Geschick erleiden wird, einen viel kleinern Leserkreis zu finden, als sie ihrer Ab¬
fassung und Ausstattung nach verdient. Hier hat sich der Nationalökonom mit dem
Techniker vereint, um -- soweit es im Rahmen eines Buches eben möglich ist --
etwas vollendetes zu schaffen. Die volkswirtschaftliche Studie Stillichs leitet das
Ganze ein. Die sonst bei einer derartigen Einteilung bestehende Gefahr, den Leser
durch einen gewöhnlich sehr trocken ausfallenden Bericht schon im Anfang zu er¬
nüchtern, weiß Seitlich mit großem Geschick zu vermeiden. Seine Ausführungen
sind bei aller Gründlichkeit von der ersten bis zur letzten Zeile fesselnd. Denn er
versteht es, seine Zahlen und Tabelle" mit so viel Historischen und Technischen zu
umranken, daß man nicht einen Augenblick ermüdet und ihm willig selbst durch alle
Winkel seiner finanztechnischen Ausführungen folgt. Und der Techniker tat das Beste,
was er tun konnte. Er ließ dem Photographen die Vorhand, der wahre Meister¬
werke schuf, zu denen er seine Beschreibung nur als Kommentar lieferte. An der Hand
der ganzseitigen, mustergiltig reproduzierten Bilder führt er den Leser Schritt für
Schritt durch Hütte und Walzwerk und läßt ihn nicht nur bei der Aufbereitung
des Rohmaterials, sondern auch bei Herstellung der Fertigprodukte, wie Schienen,
Eisenbahnräder usw., zuschauen.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Gast auf „Rote Erde". In meinem Reisetagebuch findet sich die Stelle: „... Es
ist im Bessemerstahlwerk. Von einer der Galerien blick ich hinunter in den endlosen
dunkeln Raum. Unten wimmelts von berußten, halbbekleideten Gestalten, die sich
an weißglühenden viereckigen Stahlblöcken, die auf dem Boden liegen, zu schaffen
machen. Andre, glühende Blöcke hängen mit Ketten an gewaltigen Krämer, die sich
bald hierhin, bald dorthin drehen, wie sie der Mann auf der Schaltbühne an der
Seite gerade lenkt. Dicht vor mir fließt helleuchtendes, geschmolzenes Metall aus
einem haushohen Zylinder, dem Kupolofen, dem mächtige Flammen entfahren, durch
eine Rinne in ein eiförmiges Niesengefäß, die sogenannte Thomasbirne, aus der
rote Glut emporbläst. Und dann durchsprüht mit einemmal ein prasselnder Funken¬
regen das Haus, alles wie ein Blitz erheitert. Eine der mächtigen Birnen bewegt
sich; sie dreht sich um ihre Achse, liegt wagerecht, und aus ihrer Öffnung ergießt
sich ein helleuchtender, feuriger Bach in einen pfannenartigen Bottich, der darunter
gefahren ist. Und dazu ein ohrenzerreißendes Getose, ein Rasseln von Ketten, das
Rollen von Karren, ein Quietschen der Maschinen, das Pusten der Ösen, dazwischen
Schrei-, Pfeifen- und Glockensignale. Tausende von Eindrücken, die gleichzeitig auf
einen einstürmen, und die einen benommen machen. Wohin soll man zuerst blicken?
Erst nach und nach gewöhnt man sich an das Bild, ganz allmählich findet man
den Faden, der alle Vorgänge eint. Man sieht, wie eins immer ins andre greift,
und langsam entschließt man sich, den Prozessen der Reihe nach zu folgen." Seit
damals hat mich das Bild in seinem Bann. Sobald der Name „Eisenhütte" an
mein Ohr schlägt, wird es wach, ich sehe wieder Stätten, gewaltig, riesengroß, im
Zeichen titanenhaften Schaffens. Und das Ganze wirkt so mächtig, allgewaltig, daß
man sich als Nichts fühlt, daß das Gefühl der eignen Persönlichkeit total verblaßt. Als
ob man hoch oben im Gebirge in einem weiten Kreise steinig kahler Gipfel steht.

Dieser eigenartige, von einer herben Poesie durchtränkte Eindruck ist es, den
ich noch in jedem Buch vermißte, das sich mit der Schilderung des Eisenhüttenwerks
befaßt. Und das ist nur natürlich. Selbst bei getreuester Fixierung mit Feder und
Kamera muß die Fülle der Prozesse eine Zersplitterung in tausend Einzelbilder zur
Folge haben. Und leider, leider geht so dem Fernerstehenden das Beste an einem
solchen Riesenwerk, die unmittelbare, wuchtige Wirkung des Ganzen, verloren, das,
was meines Empfindens für den Laien den eigentlichen Reiz ausmachen dürste, sich
der Lektüre seiner Beschreibung zu unterziehen.

Ich fürchte, daß aus demselben Grunde auch die ganz prächtige Monographie
Seitlich-Steudels: Eisenhütte (Verlag von R. Voigtländer in Leipzig) das
Geschick erleiden wird, einen viel kleinern Leserkreis zu finden, als sie ihrer Ab¬
fassung und Ausstattung nach verdient. Hier hat sich der Nationalökonom mit dem
Techniker vereint, um — soweit es im Rahmen eines Buches eben möglich ist —
etwas vollendetes zu schaffen. Die volkswirtschaftliche Studie Stillichs leitet das
Ganze ein. Die sonst bei einer derartigen Einteilung bestehende Gefahr, den Leser
durch einen gewöhnlich sehr trocken ausfallenden Bericht schon im Anfang zu er¬
nüchtern, weiß Seitlich mit großem Geschick zu vermeiden. Seine Ausführungen
sind bei aller Gründlichkeit von der ersten bis zur letzten Zeile fesselnd. Denn er
versteht es, seine Zahlen und Tabelle» mit so viel Historischen und Technischen zu
umranken, daß man nicht einen Augenblick ermüdet und ihm willig selbst durch alle
Winkel seiner finanztechnischen Ausführungen folgt. Und der Techniker tat das Beste,
was er tun konnte. Er ließ dem Photographen die Vorhand, der wahre Meister¬
werke schuf, zu denen er seine Beschreibung nur als Kommentar lieferte. An der Hand
der ganzseitigen, mustergiltig reproduzierten Bilder führt er den Leser Schritt für
Schritt durch Hütte und Walzwerk und läßt ihn nicht nur bei der Aufbereitung
des Rohmaterials, sondern auch bei Herstellung der Fertigprodukte, wie Schienen,
Eisenbahnräder usw., zuschauen.


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[0589] Maßgebliches und Unmaßgebliches Gast auf „Rote Erde". In meinem Reisetagebuch findet sich die Stelle: „... Es ist im Bessemerstahlwerk. Von einer der Galerien blick ich hinunter in den endlosen dunkeln Raum. Unten wimmelts von berußten, halbbekleideten Gestalten, die sich an weißglühenden viereckigen Stahlblöcken, die auf dem Boden liegen, zu schaffen machen. Andre, glühende Blöcke hängen mit Ketten an gewaltigen Krämer, die sich bald hierhin, bald dorthin drehen, wie sie der Mann auf der Schaltbühne an der Seite gerade lenkt. Dicht vor mir fließt helleuchtendes, geschmolzenes Metall aus einem haushohen Zylinder, dem Kupolofen, dem mächtige Flammen entfahren, durch eine Rinne in ein eiförmiges Niesengefäß, die sogenannte Thomasbirne, aus der rote Glut emporbläst. Und dann durchsprüht mit einemmal ein prasselnder Funken¬ regen das Haus, alles wie ein Blitz erheitert. Eine der mächtigen Birnen bewegt sich; sie dreht sich um ihre Achse, liegt wagerecht, und aus ihrer Öffnung ergießt sich ein helleuchtender, feuriger Bach in einen pfannenartigen Bottich, der darunter gefahren ist. Und dazu ein ohrenzerreißendes Getose, ein Rasseln von Ketten, das Rollen von Karren, ein Quietschen der Maschinen, das Pusten der Ösen, dazwischen Schrei-, Pfeifen- und Glockensignale. Tausende von Eindrücken, die gleichzeitig auf einen einstürmen, und die einen benommen machen. Wohin soll man zuerst blicken? Erst nach und nach gewöhnt man sich an das Bild, ganz allmählich findet man den Faden, der alle Vorgänge eint. Man sieht, wie eins immer ins andre greift, und langsam entschließt man sich, den Prozessen der Reihe nach zu folgen." Seit damals hat mich das Bild in seinem Bann. Sobald der Name „Eisenhütte" an mein Ohr schlägt, wird es wach, ich sehe wieder Stätten, gewaltig, riesengroß, im Zeichen titanenhaften Schaffens. Und das Ganze wirkt so mächtig, allgewaltig, daß man sich als Nichts fühlt, daß das Gefühl der eignen Persönlichkeit total verblaßt. Als ob man hoch oben im Gebirge in einem weiten Kreise steinig kahler Gipfel steht. Dieser eigenartige, von einer herben Poesie durchtränkte Eindruck ist es, den ich noch in jedem Buch vermißte, das sich mit der Schilderung des Eisenhüttenwerks befaßt. Und das ist nur natürlich. Selbst bei getreuester Fixierung mit Feder und Kamera muß die Fülle der Prozesse eine Zersplitterung in tausend Einzelbilder zur Folge haben. Und leider, leider geht so dem Fernerstehenden das Beste an einem solchen Riesenwerk, die unmittelbare, wuchtige Wirkung des Ganzen, verloren, das, was meines Empfindens für den Laien den eigentlichen Reiz ausmachen dürste, sich der Lektüre seiner Beschreibung zu unterziehen. Ich fürchte, daß aus demselben Grunde auch die ganz prächtige Monographie Seitlich-Steudels: Eisenhütte (Verlag von R. Voigtländer in Leipzig) das Geschick erleiden wird, einen viel kleinern Leserkreis zu finden, als sie ihrer Ab¬ fassung und Ausstattung nach verdient. Hier hat sich der Nationalökonom mit dem Techniker vereint, um — soweit es im Rahmen eines Buches eben möglich ist — etwas vollendetes zu schaffen. Die volkswirtschaftliche Studie Stillichs leitet das Ganze ein. Die sonst bei einer derartigen Einteilung bestehende Gefahr, den Leser durch einen gewöhnlich sehr trocken ausfallenden Bericht schon im Anfang zu er¬ nüchtern, weiß Seitlich mit großem Geschick zu vermeiden. Seine Ausführungen sind bei aller Gründlichkeit von der ersten bis zur letzten Zeile fesselnd. Denn er versteht es, seine Zahlen und Tabelle» mit so viel Historischen und Technischen zu umranken, daß man nicht einen Augenblick ermüdet und ihm willig selbst durch alle Winkel seiner finanztechnischen Ausführungen folgt. Und der Techniker tat das Beste, was er tun konnte. Er ließ dem Photographen die Vorhand, der wahre Meister¬ werke schuf, zu denen er seine Beschreibung nur als Kommentar lieferte. An der Hand der ganzseitigen, mustergiltig reproduzierten Bilder führt er den Leser Schritt für Schritt durch Hütte und Walzwerk und läßt ihn nicht nur bei der Aufbereitung des Rohmaterials, sondern auch bei Herstellung der Fertigprodukte, wie Schienen, Eisenbahnräder usw., zuschauen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/589>, abgerufen am 12.05.2024.