Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Line einheitliche deutsche Aussprache

findet sich in diesen unglaublich subtil durchgearbeiteten Veduten: eine unverwüst¬
liche Heimathliebe, eine Zärtlichkeit für Baum und Busch des Vorgeländes, sür
die Linie des spiegelnden Stromes, für die entfernten Silhouetten der Kirchen
und Paläste im silbergrauen Duft. Ja, dieses Heimatgefühl wirkte auch phantastisch
in die Zukunft voraus: Roeszler erzählt, wie die Architekten sich mit Vorliebe an
Alt wandten, um von ihm ihre Projekte sozusagen ausmalen und verständlich
machen zu lassen. So entwarf Alt beispielsweise den idealen Prospekt der Ferstelschen
Museen und der projektierten Votivkirche; er malte das Parlamentsgebäude und
die Börse und ein sehr merkwürdiges Zukunftsbild jenes Stadtteiles, der durch
die Donauregulierung entstehen sollte, und alles, bevor es wirklich dastand. Das,
was wir heute an ihm schätzen, gab er freilich in diesen großen Prospekten kaum.
Wir sehen seine künstlerische Stärke eher in jenen winzigen und doch so großartig
wirkenden landschaftlichen Gelegenheitsblättern, oft nur ganz flüchtig angelegten
Skizzen in Wasserfarben, oder auch in seinen wenigen, aber zum Teil ganz vor¬
trefflichen Porträts. Er erreicht hier das seltene Ziel, trotz genauer Zeichnung
und Modellierung die Größe und charakteristische Form zu wahren. Die kleinen
Sammler haben ihn gekauft, und so ist er in einer Anzahl mittlerer Wiener Bürger¬
häuser als guter Hausgeist eingezogen und in Ehren gehalten worden, längst
schon, ehe die Jugend, die Sezession, den greisen alten Herrn den Grundstein zu
ihren: neuen Hause legen ließ. Er unterzog sich der späten Ehrung mit gutem
Humor. Wie denn überhaupt sein menschliches Teil ungemein erquicklich berührt.
Das bezeugen nicht zuletzt die von Roeßler hier mitgeteilten Briefe und Aussprüche.


Lügen Kalkschmidt


Eine einheitliche deutsche Aussprache

^?-Weit wir Deutschen politisch geeint sind, ist auf verschiedenen
anderen Gebieten der Ruf nach Einigung erklungen. So wandte
sich auch die Aufmerksamkeit einen: der vornehmsten nationalen
Güter, der deutschen Sprache, zu, und es wurde die Forderung
laut, das Reich als der berufenste Anwalt solle eine Anstalt, ein
Neichscnnt oder eine Akademie für die deutsche Sprache zu ihrer
Pflege, Aufzeichnung und Feststellung einsetzen. Über die Form und Auf¬
gabe herrschte allerdings keine Einigkeit. Die einen sahen die ^cant6mis
i^rancMss, die italienische ^Lacismia clella Ousca und die Spanische
Akademie, mit dem Zwecke, die äußere Gestalt der Sprache festzusetzen,
als Vorbilder an, andere verlangten nur eine wohl geleitete Zentralstelle
zum Sammeln und Bearbeiten der großen sprachlichen Aufgaben, zur
Pflege und Aufzeichnung der deutschen Mundarten und zur fachmännischer
Prüfung und Begutachtung wissenschaftlicher Fragen. Drei Aufgaben aber
lagen dem praktischen Bedürfnis am nächsten: Die Vollendung des Deutschen
Wörterbuchs der Gebrüder Grimm, solange bei den mangelnden Vorarbeiten
und Grundlagen an den ersehnten und umfassenden ?Ke8auru8 ImAuae


Line einheitliche deutsche Aussprache

findet sich in diesen unglaublich subtil durchgearbeiteten Veduten: eine unverwüst¬
liche Heimathliebe, eine Zärtlichkeit für Baum und Busch des Vorgeländes, sür
die Linie des spiegelnden Stromes, für die entfernten Silhouetten der Kirchen
und Paläste im silbergrauen Duft. Ja, dieses Heimatgefühl wirkte auch phantastisch
in die Zukunft voraus: Roeszler erzählt, wie die Architekten sich mit Vorliebe an
Alt wandten, um von ihm ihre Projekte sozusagen ausmalen und verständlich
machen zu lassen. So entwarf Alt beispielsweise den idealen Prospekt der Ferstelschen
Museen und der projektierten Votivkirche; er malte das Parlamentsgebäude und
die Börse und ein sehr merkwürdiges Zukunftsbild jenes Stadtteiles, der durch
die Donauregulierung entstehen sollte, und alles, bevor es wirklich dastand. Das,
was wir heute an ihm schätzen, gab er freilich in diesen großen Prospekten kaum.
Wir sehen seine künstlerische Stärke eher in jenen winzigen und doch so großartig
wirkenden landschaftlichen Gelegenheitsblättern, oft nur ganz flüchtig angelegten
Skizzen in Wasserfarben, oder auch in seinen wenigen, aber zum Teil ganz vor¬
trefflichen Porträts. Er erreicht hier das seltene Ziel, trotz genauer Zeichnung
und Modellierung die Größe und charakteristische Form zu wahren. Die kleinen
Sammler haben ihn gekauft, und so ist er in einer Anzahl mittlerer Wiener Bürger¬
häuser als guter Hausgeist eingezogen und in Ehren gehalten worden, längst
schon, ehe die Jugend, die Sezession, den greisen alten Herrn den Grundstein zu
ihren: neuen Hause legen ließ. Er unterzog sich der späten Ehrung mit gutem
Humor. Wie denn überhaupt sein menschliches Teil ungemein erquicklich berührt.
Das bezeugen nicht zuletzt die von Roeßler hier mitgeteilten Briefe und Aussprüche.


Lügen Kalkschmidt


Eine einheitliche deutsche Aussprache

^?-Weit wir Deutschen politisch geeint sind, ist auf verschiedenen
anderen Gebieten der Ruf nach Einigung erklungen. So wandte
sich auch die Aufmerksamkeit einen: der vornehmsten nationalen
Güter, der deutschen Sprache, zu, und es wurde die Forderung
laut, das Reich als der berufenste Anwalt solle eine Anstalt, ein
Neichscnnt oder eine Akademie für die deutsche Sprache zu ihrer
Pflege, Aufzeichnung und Feststellung einsetzen. Über die Form und Auf¬
gabe herrschte allerdings keine Einigkeit. Die einen sahen die ^cant6mis
i^rancMss, die italienische ^Lacismia clella Ousca und die Spanische
Akademie, mit dem Zwecke, die äußere Gestalt der Sprache festzusetzen,
als Vorbilder an, andere verlangten nur eine wohl geleitete Zentralstelle
zum Sammeln und Bearbeiten der großen sprachlichen Aufgaben, zur
Pflege und Aufzeichnung der deutschen Mundarten und zur fachmännischer
Prüfung und Begutachtung wissenschaftlicher Fragen. Drei Aufgaben aber
lagen dem praktischen Bedürfnis am nächsten: Die Vollendung des Deutschen
Wörterbuchs der Gebrüder Grimm, solange bei den mangelnden Vorarbeiten
und Grundlagen an den ersehnten und umfassenden ?Ke8auru8 ImAuae


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316399"/>
            <fw type="header" place="top"> Line einheitliche deutsche Aussprache</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_380" prev="#ID_379"> findet sich in diesen unglaublich subtil durchgearbeiteten Veduten: eine unverwüst¬<lb/>
liche Heimathliebe, eine Zärtlichkeit für Baum und Busch des Vorgeländes, sür<lb/>
die Linie des spiegelnden Stromes, für die entfernten Silhouetten der Kirchen<lb/>
und Paläste im silbergrauen Duft. Ja, dieses Heimatgefühl wirkte auch phantastisch<lb/>
in die Zukunft voraus: Roeszler erzählt, wie die Architekten sich mit Vorliebe an<lb/>
Alt wandten, um von ihm ihre Projekte sozusagen ausmalen und verständlich<lb/>
machen zu lassen. So entwarf Alt beispielsweise den idealen Prospekt der Ferstelschen<lb/>
Museen und der projektierten Votivkirche; er malte das Parlamentsgebäude und<lb/>
die Börse und ein sehr merkwürdiges Zukunftsbild jenes Stadtteiles, der durch<lb/>
die Donauregulierung entstehen sollte, und alles, bevor es wirklich dastand. Das,<lb/>
was wir heute an ihm schätzen, gab er freilich in diesen großen Prospekten kaum.<lb/>
Wir sehen seine künstlerische Stärke eher in jenen winzigen und doch so großartig<lb/>
wirkenden landschaftlichen Gelegenheitsblättern, oft nur ganz flüchtig angelegten<lb/>
Skizzen in Wasserfarben, oder auch in seinen wenigen, aber zum Teil ganz vor¬<lb/>
trefflichen Porträts. Er erreicht hier das seltene Ziel, trotz genauer Zeichnung<lb/>
und Modellierung die Größe und charakteristische Form zu wahren. Die kleinen<lb/>
Sammler haben ihn gekauft, und so ist er in einer Anzahl mittlerer Wiener Bürger¬<lb/>
häuser als guter Hausgeist eingezogen und in Ehren gehalten worden, längst<lb/>
schon, ehe die Jugend, die Sezession, den greisen alten Herrn den Grundstein zu<lb/>
ihren: neuen Hause legen ließ. Er unterzog sich der späten Ehrung mit gutem<lb/>
Humor. Wie denn überhaupt sein menschliches Teil ungemein erquicklich berührt.<lb/>
Das bezeugen nicht zuletzt die von Roeßler hier mitgeteilten Briefe und Aussprüche.</p><lb/>
            <note type="byline"> Lügen Kalkschmidt</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Eine einheitliche deutsche Aussprache</head><lb/>
          <p xml:id="ID_381" next="#ID_382"> ^?-Weit wir Deutschen politisch geeint sind, ist auf verschiedenen<lb/>
anderen Gebieten der Ruf nach Einigung erklungen. So wandte<lb/>
sich auch die Aufmerksamkeit einen: der vornehmsten nationalen<lb/>
Güter, der deutschen Sprache, zu, und es wurde die Forderung<lb/>
laut, das Reich als der berufenste Anwalt solle eine Anstalt, ein<lb/>
Neichscnnt oder eine Akademie für die deutsche Sprache zu ihrer<lb/>
Pflege, Aufzeichnung und Feststellung einsetzen. Über die Form und Auf¬<lb/>
gabe herrschte allerdings keine Einigkeit. Die einen sahen die ^cant6mis<lb/>
i^rancMss, die italienische ^Lacismia clella Ousca und die Spanische<lb/>
Akademie, mit dem Zwecke, die äußere Gestalt der Sprache festzusetzen,<lb/>
als Vorbilder an, andere verlangten nur eine wohl geleitete Zentralstelle<lb/>
zum Sammeln und Bearbeiten der großen sprachlichen Aufgaben, zur<lb/>
Pflege und Aufzeichnung der deutschen Mundarten und zur fachmännischer<lb/>
Prüfung und Begutachtung wissenschaftlicher Fragen. Drei Aufgaben aber<lb/>
lagen dem praktischen Bedürfnis am nächsten: Die Vollendung des Deutschen<lb/>
Wörterbuchs der Gebrüder Grimm, solange bei den mangelnden Vorarbeiten<lb/>
und Grundlagen an den ersehnten und umfassenden ?Ke8auru8 ImAuae</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0110] Line einheitliche deutsche Aussprache findet sich in diesen unglaublich subtil durchgearbeiteten Veduten: eine unverwüst¬ liche Heimathliebe, eine Zärtlichkeit für Baum und Busch des Vorgeländes, sür die Linie des spiegelnden Stromes, für die entfernten Silhouetten der Kirchen und Paläste im silbergrauen Duft. Ja, dieses Heimatgefühl wirkte auch phantastisch in die Zukunft voraus: Roeszler erzählt, wie die Architekten sich mit Vorliebe an Alt wandten, um von ihm ihre Projekte sozusagen ausmalen und verständlich machen zu lassen. So entwarf Alt beispielsweise den idealen Prospekt der Ferstelschen Museen und der projektierten Votivkirche; er malte das Parlamentsgebäude und die Börse und ein sehr merkwürdiges Zukunftsbild jenes Stadtteiles, der durch die Donauregulierung entstehen sollte, und alles, bevor es wirklich dastand. Das, was wir heute an ihm schätzen, gab er freilich in diesen großen Prospekten kaum. Wir sehen seine künstlerische Stärke eher in jenen winzigen und doch so großartig wirkenden landschaftlichen Gelegenheitsblättern, oft nur ganz flüchtig angelegten Skizzen in Wasserfarben, oder auch in seinen wenigen, aber zum Teil ganz vor¬ trefflichen Porträts. Er erreicht hier das seltene Ziel, trotz genauer Zeichnung und Modellierung die Größe und charakteristische Form zu wahren. Die kleinen Sammler haben ihn gekauft, und so ist er in einer Anzahl mittlerer Wiener Bürger¬ häuser als guter Hausgeist eingezogen und in Ehren gehalten worden, längst schon, ehe die Jugend, die Sezession, den greisen alten Herrn den Grundstein zu ihren: neuen Hause legen ließ. Er unterzog sich der späten Ehrung mit gutem Humor. Wie denn überhaupt sein menschliches Teil ungemein erquicklich berührt. Das bezeugen nicht zuletzt die von Roeßler hier mitgeteilten Briefe und Aussprüche. Lügen Kalkschmidt Eine einheitliche deutsche Aussprache ^?-Weit wir Deutschen politisch geeint sind, ist auf verschiedenen anderen Gebieten der Ruf nach Einigung erklungen. So wandte sich auch die Aufmerksamkeit einen: der vornehmsten nationalen Güter, der deutschen Sprache, zu, und es wurde die Forderung laut, das Reich als der berufenste Anwalt solle eine Anstalt, ein Neichscnnt oder eine Akademie für die deutsche Sprache zu ihrer Pflege, Aufzeichnung und Feststellung einsetzen. Über die Form und Auf¬ gabe herrschte allerdings keine Einigkeit. Die einen sahen die ^cant6mis i^rancMss, die italienische ^Lacismia clella Ousca und die Spanische Akademie, mit dem Zwecke, die äußere Gestalt der Sprache festzusetzen, als Vorbilder an, andere verlangten nur eine wohl geleitete Zentralstelle zum Sammeln und Bearbeiten der großen sprachlichen Aufgaben, zur Pflege und Aufzeichnung der deutschen Mundarten und zur fachmännischer Prüfung und Begutachtung wissenschaftlicher Fragen. Drei Aufgaben aber lagen dem praktischen Bedürfnis am nächsten: Die Vollendung des Deutschen Wörterbuchs der Gebrüder Grimm, solange bei den mangelnden Vorarbeiten und Grundlagen an den ersehnten und umfassenden ?Ke8auru8 ImAuae

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/110
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/110>, abgerufen am 27.05.2024.