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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Jndustriepolitik

verband Deutscher Industrieller alle übrigen Verbände aufgehen zu lassen, auch
nur die geringste Aussicht auf Erfolg hat. Sein Häuflein würde den Bund
der Landwirte, dessen politischer Stern auch im Osten der Monarchie schon zu sinken
beginnt, nur vorübergehend stärken, aber gleichzeitig auch der Sozialdemokratie wirk¬
samen Agitationsstoff für die Dauer liefern und die im Hansabunde so glücklich
angebahnte Schaffung eines bürgerlichen Wirtschaftsblocks aufhalten, der der
Gesamtindustrie neue, vor einem halben Menschenalter kaum geahnte Entwicklungs¬
möglichkeiten eröffnet. Denn darüber besteht wohl kaum ein Zweifel mehr, daß
der Hansabund weit über die Bedeutung einer wirtschaftlichen
Organisation hinaus Träger hoher sozialer und nationaler Auf¬
gaben ist. Wenn seine innere Organisation der Größe der Aufgabe entspricht,
und dafür bieten die Namen seiner Leiter eine gewisse Sicherheit, dann darf mit
aller Bestimmtheit am letzten Ende ein allgemeiner Sieg über den schlimmsten
Feind der Nation, über die Sozialdemokratie, erwartet werden.

Unsere Anschauungen über die Aufgaben der Jndustriepolitik werden, wie wir
feststellen können, erfreulicherweise in weiten Kreisen des deutschen Gewerbe¬
standes geteilt.

Das ^ und 0 einer erfolgreichen Jndustriepolitik, einer Verhinderung
derartiger Gesetzentwürfe, wie sie gelegentlich der letzten Reichsfinanzreform der
Industrie im weitesten Sinne aufgelegt werden sollten und zum Teil aufgelegt
worden sind, ist nur möglich durch eine systematische Aufklärung und durch eine
entsprechende Änderung der psychologischen Grundlagen unserer Gesetzgebung.
Es ist in der Tat nicht zu weit übers Ziel geschossen, wenn der Hansabund
in seinen Ausrufer von einer Mißachtung der Bedeutung von Handel, Gewerbe
und Industrie durch die großagrarischen Kreise spricht. Dies zu beseitigen, ist
die "Forderung des Tages" und damit des Hcmsabundes, hierin liegt die
derzeitig wichtigste Aufgabe der Jndustriepolitik I Wenn man aber hiernach
den strategischen Feldzugsplan entwirft, so gilt es vor allem, die Parteien und
ihre demagogischen, nur dem Bund der Landwirte dienenden Ausartungen teils zu
modernisieren, teils zu eleminieren. Die Arbeiterschaft ist lebhaft interessiert an
einer gedeihlichen Lage der Industrie im weitesten Sinne, weil sie ihr Brot und
Arbeit gibt. In derselben Lage befindet sich die Beamtenschaft aller privaten
und aller staatlichen Betriebe. Scheint die Sonne der Gesetzgebung und
der staatlichen Förderung in gleicher Weise über der Industrie wie über der
Landwirtschaft, so wird es auch tatsächlich um so leichter sein, den uferlosen
Zielen der Sozialdemokratie zu begegnen, indem man schon unter dem gegen¬
wärtigen Wirtschaftssystem die soziale und wirtschaftliche Stellung des Arbeiter¬
standes, entsprechend seiner Bedeutung für den Staat, heben kann, -- so wird
es auch ein Leichtes sein, den stärker und stärker werdenden Beamtenorganisationen
di A. G, e staatsgefährliche Spitze zu nehmen.




Jndustriepolitik

verband Deutscher Industrieller alle übrigen Verbände aufgehen zu lassen, auch
nur die geringste Aussicht auf Erfolg hat. Sein Häuflein würde den Bund
der Landwirte, dessen politischer Stern auch im Osten der Monarchie schon zu sinken
beginnt, nur vorübergehend stärken, aber gleichzeitig auch der Sozialdemokratie wirk¬
samen Agitationsstoff für die Dauer liefern und die im Hansabunde so glücklich
angebahnte Schaffung eines bürgerlichen Wirtschaftsblocks aufhalten, der der
Gesamtindustrie neue, vor einem halben Menschenalter kaum geahnte Entwicklungs¬
möglichkeiten eröffnet. Denn darüber besteht wohl kaum ein Zweifel mehr, daß
der Hansabund weit über die Bedeutung einer wirtschaftlichen
Organisation hinaus Träger hoher sozialer und nationaler Auf¬
gaben ist. Wenn seine innere Organisation der Größe der Aufgabe entspricht,
und dafür bieten die Namen seiner Leiter eine gewisse Sicherheit, dann darf mit
aller Bestimmtheit am letzten Ende ein allgemeiner Sieg über den schlimmsten
Feind der Nation, über die Sozialdemokratie, erwartet werden.

Unsere Anschauungen über die Aufgaben der Jndustriepolitik werden, wie wir
feststellen können, erfreulicherweise in weiten Kreisen des deutschen Gewerbe¬
standes geteilt.

Das ^ und 0 einer erfolgreichen Jndustriepolitik, einer Verhinderung
derartiger Gesetzentwürfe, wie sie gelegentlich der letzten Reichsfinanzreform der
Industrie im weitesten Sinne aufgelegt werden sollten und zum Teil aufgelegt
worden sind, ist nur möglich durch eine systematische Aufklärung und durch eine
entsprechende Änderung der psychologischen Grundlagen unserer Gesetzgebung.
Es ist in der Tat nicht zu weit übers Ziel geschossen, wenn der Hansabund
in seinen Ausrufer von einer Mißachtung der Bedeutung von Handel, Gewerbe
und Industrie durch die großagrarischen Kreise spricht. Dies zu beseitigen, ist
die „Forderung des Tages" und damit des Hcmsabundes, hierin liegt die
derzeitig wichtigste Aufgabe der Jndustriepolitik I Wenn man aber hiernach
den strategischen Feldzugsplan entwirft, so gilt es vor allem, die Parteien und
ihre demagogischen, nur dem Bund der Landwirte dienenden Ausartungen teils zu
modernisieren, teils zu eleminieren. Die Arbeiterschaft ist lebhaft interessiert an
einer gedeihlichen Lage der Industrie im weitesten Sinne, weil sie ihr Brot und
Arbeit gibt. In derselben Lage befindet sich die Beamtenschaft aller privaten
und aller staatlichen Betriebe. Scheint die Sonne der Gesetzgebung und
der staatlichen Förderung in gleicher Weise über der Industrie wie über der
Landwirtschaft, so wird es auch tatsächlich um so leichter sein, den uferlosen
Zielen der Sozialdemokratie zu begegnen, indem man schon unter dem gegen¬
wärtigen Wirtschaftssystem die soziale und wirtschaftliche Stellung des Arbeiter¬
standes, entsprechend seiner Bedeutung für den Staat, heben kann, — so wird
es auch ein Leichtes sein, den stärker und stärker werdenden Beamtenorganisationen
di A. G, e staatsgefährliche Spitze zu nehmen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/308>, abgerufen am 16.05.2024.