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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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schauender Voraussicht unter Erwägung aller technischen Möglichkeiten und Not¬
wendigkeiten ein organisches Ganzes zu schaffen. So etwas ist nicht von heute
auf morgen gemacht. Einer der wichtigsten Gründe für diesen Stillstand liegt
indessen in dem Umstände, daß die Elektrizitätsfirmen nicht mit absoluter Gewi߬
heit das Funktionieren der notwendigen Zentralen während einer Mobilmachung
garantieren können.

Es ist aber wohl kaum daran zu zweifeln, daß einmal ein Tag kommt,
wo auch dieses große Werk in Angriff genommen werden wird. Inzwischen gilt
es aber, für die in der Elektrizitätsindustrie angelegten Kapitalien und sür ihr
zahlreiches Arbeiterheer Beschäftigung zu schaffen. Das liegt nicht allein im
Interesse der Kapitalisten und Arbeiter, sondern auch der ganzen Volks¬
wirtschaft. Die Bestrebungen sind also durchaus berechtigt. Mau hat nun
zunächst an diejenigen Gegenden unseres Vaterlandes gedacht, die bisher noch
nicht mit elektrischem Strom versehen sind. Das sind die, in denen vorwiegend
Landwirtschaft getrieben wird, während daneben in den kleinen Landstädten in
der Hauptsache nur noch Handwerk und Kleinindustrie gedeihen. Hier stößt man
aber auf die Gegnerschaft der Fabrikanten von Verbrennungskraftmaschinen, die
sich in ihrem Absätze bedroht fühlen.

Die Gegner können schon jetzt, wo die ganze Bewegung erst in Fluß
zu kommeu anfängt, mit Recht auf eine ganze Reihe mißlungener oder in
bedenkliche Lage geratener Unternehmungen hinweisen. Ist das ein Wunder?
Wenn man sieht, wie es gemacht wird? Wie es notgedrungen gemacht werden
muß? Betrachten wir uns, um einen Vergleich zu haben, zunächst, wie heutzutage
eine Kleinbahn hergestellt wird, wenn die Sache richtig angefaßt wird. Es
besteht die Absicht, eine bestimmte Gegend aufzuschließen, bestimmte Orte mit
dem Staatsbahnnetze in Verbindung zu bringen. Die Entfernungen ergeben
sich aus der Generalstabskarte. Es ist bekannt oder leicht in Erfahrung zu
bringen, was ähnliche Bahnen unter ähnlichen Verhältnissen sür das Kilometer
gekostet haben; also ist auch die Höhe des erforderlichen Kapitals mit ziemlicher
Genauigkeit vorher festzustellen. Das kann um 10 oder 15 Prozent nach oben
oder unten abweichen, die Übersicht ist aber doch genau genug, um ein ungefähres
Bild davon gewinnen zu lassen, woher man das Geld bekommen kann. Finden
sich dann Private, Gemeinden, Kreise, die bereit sind, das Geld aufzubringen,
so hat man damit zunächst jemand, der die Vorarbeiten bezahlt. Die Höhe
der dafür aufzuwendenden Kosten läßt sich ebenfalls ziemlich genau vorher
berechnen; Eisenbahnbau-Ingenieure und Feldmesser sind ohne Schwierigkeit zu
haben. Diese prüfen, wo sich Zweifel über die Linienführung ergeben, die ein¬
zelnen Möglichkeiten, stellen einen bestimmten Entwurf und einen Kostenanschlag
fertig, aus dem die Größe des Grunderwerbs, die zu bewegenden Erdmassen,
Lage, Art und Ausführung der Bauwerke, Menge und Art des Betriebsmaterials
hervorgehen. Dann werden diese Arbeiten getrennt oder im ganzen in öffent¬
licher oder engerer Verdingung vergeben. Unternehmer melden sich reichlich,


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schauender Voraussicht unter Erwägung aller technischen Möglichkeiten und Not¬
wendigkeiten ein organisches Ganzes zu schaffen. So etwas ist nicht von heute
auf morgen gemacht. Einer der wichtigsten Gründe für diesen Stillstand liegt
indessen in dem Umstände, daß die Elektrizitätsfirmen nicht mit absoluter Gewi߬
heit das Funktionieren der notwendigen Zentralen während einer Mobilmachung
garantieren können.

Es ist aber wohl kaum daran zu zweifeln, daß einmal ein Tag kommt,
wo auch dieses große Werk in Angriff genommen werden wird. Inzwischen gilt
es aber, für die in der Elektrizitätsindustrie angelegten Kapitalien und sür ihr
zahlreiches Arbeiterheer Beschäftigung zu schaffen. Das liegt nicht allein im
Interesse der Kapitalisten und Arbeiter, sondern auch der ganzen Volks¬
wirtschaft. Die Bestrebungen sind also durchaus berechtigt. Mau hat nun
zunächst an diejenigen Gegenden unseres Vaterlandes gedacht, die bisher noch
nicht mit elektrischem Strom versehen sind. Das sind die, in denen vorwiegend
Landwirtschaft getrieben wird, während daneben in den kleinen Landstädten in
der Hauptsache nur noch Handwerk und Kleinindustrie gedeihen. Hier stößt man
aber auf die Gegnerschaft der Fabrikanten von Verbrennungskraftmaschinen, die
sich in ihrem Absätze bedroht fühlen.

Die Gegner können schon jetzt, wo die ganze Bewegung erst in Fluß
zu kommeu anfängt, mit Recht auf eine ganze Reihe mißlungener oder in
bedenkliche Lage geratener Unternehmungen hinweisen. Ist das ein Wunder?
Wenn man sieht, wie es gemacht wird? Wie es notgedrungen gemacht werden
muß? Betrachten wir uns, um einen Vergleich zu haben, zunächst, wie heutzutage
eine Kleinbahn hergestellt wird, wenn die Sache richtig angefaßt wird. Es
besteht die Absicht, eine bestimmte Gegend aufzuschließen, bestimmte Orte mit
dem Staatsbahnnetze in Verbindung zu bringen. Die Entfernungen ergeben
sich aus der Generalstabskarte. Es ist bekannt oder leicht in Erfahrung zu
bringen, was ähnliche Bahnen unter ähnlichen Verhältnissen sür das Kilometer
gekostet haben; also ist auch die Höhe des erforderlichen Kapitals mit ziemlicher
Genauigkeit vorher festzustellen. Das kann um 10 oder 15 Prozent nach oben
oder unten abweichen, die Übersicht ist aber doch genau genug, um ein ungefähres
Bild davon gewinnen zu lassen, woher man das Geld bekommen kann. Finden
sich dann Private, Gemeinden, Kreise, die bereit sind, das Geld aufzubringen,
so hat man damit zunächst jemand, der die Vorarbeiten bezahlt. Die Höhe
der dafür aufzuwendenden Kosten läßt sich ebenfalls ziemlich genau vorher
berechnen; Eisenbahnbau-Ingenieure und Feldmesser sind ohne Schwierigkeit zu
haben. Diese prüfen, wo sich Zweifel über die Linienführung ergeben, die ein¬
zelnen Möglichkeiten, stellen einen bestimmten Entwurf und einen Kostenanschlag
fertig, aus dem die Größe des Grunderwerbs, die zu bewegenden Erdmassen,
Lage, Art und Ausführung der Bauwerke, Menge und Art des Betriebsmaterials
hervorgehen. Dann werden diese Arbeiten getrennt oder im ganzen in öffent¬
licher oder engerer Verdingung vergeben. Unternehmer melden sich reichlich,


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[0374] Elektrische Übcrlandzcntralcn schauender Voraussicht unter Erwägung aller technischen Möglichkeiten und Not¬ wendigkeiten ein organisches Ganzes zu schaffen. So etwas ist nicht von heute auf morgen gemacht. Einer der wichtigsten Gründe für diesen Stillstand liegt indessen in dem Umstände, daß die Elektrizitätsfirmen nicht mit absoluter Gewi߬ heit das Funktionieren der notwendigen Zentralen während einer Mobilmachung garantieren können. Es ist aber wohl kaum daran zu zweifeln, daß einmal ein Tag kommt, wo auch dieses große Werk in Angriff genommen werden wird. Inzwischen gilt es aber, für die in der Elektrizitätsindustrie angelegten Kapitalien und sür ihr zahlreiches Arbeiterheer Beschäftigung zu schaffen. Das liegt nicht allein im Interesse der Kapitalisten und Arbeiter, sondern auch der ganzen Volks¬ wirtschaft. Die Bestrebungen sind also durchaus berechtigt. Mau hat nun zunächst an diejenigen Gegenden unseres Vaterlandes gedacht, die bisher noch nicht mit elektrischem Strom versehen sind. Das sind die, in denen vorwiegend Landwirtschaft getrieben wird, während daneben in den kleinen Landstädten in der Hauptsache nur noch Handwerk und Kleinindustrie gedeihen. Hier stößt man aber auf die Gegnerschaft der Fabrikanten von Verbrennungskraftmaschinen, die sich in ihrem Absätze bedroht fühlen. Die Gegner können schon jetzt, wo die ganze Bewegung erst in Fluß zu kommeu anfängt, mit Recht auf eine ganze Reihe mißlungener oder in bedenkliche Lage geratener Unternehmungen hinweisen. Ist das ein Wunder? Wenn man sieht, wie es gemacht wird? Wie es notgedrungen gemacht werden muß? Betrachten wir uns, um einen Vergleich zu haben, zunächst, wie heutzutage eine Kleinbahn hergestellt wird, wenn die Sache richtig angefaßt wird. Es besteht die Absicht, eine bestimmte Gegend aufzuschließen, bestimmte Orte mit dem Staatsbahnnetze in Verbindung zu bringen. Die Entfernungen ergeben sich aus der Generalstabskarte. Es ist bekannt oder leicht in Erfahrung zu bringen, was ähnliche Bahnen unter ähnlichen Verhältnissen sür das Kilometer gekostet haben; also ist auch die Höhe des erforderlichen Kapitals mit ziemlicher Genauigkeit vorher festzustellen. Das kann um 10 oder 15 Prozent nach oben oder unten abweichen, die Übersicht ist aber doch genau genug, um ein ungefähres Bild davon gewinnen zu lassen, woher man das Geld bekommen kann. Finden sich dann Private, Gemeinden, Kreise, die bereit sind, das Geld aufzubringen, so hat man damit zunächst jemand, der die Vorarbeiten bezahlt. Die Höhe der dafür aufzuwendenden Kosten läßt sich ebenfalls ziemlich genau vorher berechnen; Eisenbahnbau-Ingenieure und Feldmesser sind ohne Schwierigkeit zu haben. Diese prüfen, wo sich Zweifel über die Linienführung ergeben, die ein¬ zelnen Möglichkeiten, stellen einen bestimmten Entwurf und einen Kostenanschlag fertig, aus dem die Größe des Grunderwerbs, die zu bewegenden Erdmassen, Lage, Art und Ausführung der Bauwerke, Menge und Art des Betriebsmaterials hervorgehen. Dann werden diese Arbeiten getrennt oder im ganzen in öffent¬ licher oder engerer Verdingung vergeben. Unternehmer melden sich reichlich,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/374>, abgerufen am 15.05.2024.