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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Dingen mit den Zuständen in Rußland nach dem Tode Plehwes (1904), daß wir
gezwungen sind, der Lage bei uns mit dem größten Ernst gegenüberzutreten. Wie in
Rußland, sind es aber auch bei uns nicht die Grundlagen des nationalen Lebens, die
erschüttert erscheinen, sondern lediglich die äußernOrgane der Staatsgewalt. Wir stehn
vor dem unbehaglichen Eindruck, als seien ganze Teile der Exekutivgewalt abgestorben.
Dies Absterben hat sich auch in Nußland lange vor dem Ausbruch der Revolution
bemerkbar gemacht. Es wurde zur Gefahr, nachdem der Zeitpunkt zur Erneuerung
des Staatslebens ungenutzt vorübergegangen war. Plehwe und Fürst Bülow
besanden sich darin in ähnlicher Lage. Sie suchten, jeder mit den ihnen durch die
Staatsverfassung zur Verfügung stehenden Mitteln, die Autorität des Staates
aufrecht zu halten. Beide wurden gestürzt. An ihre Stelle kamen aber keine
Reformatoren großen Stils, sondern Männer des Ausgleichs, Männer mit gleichen
guten Absichten für den Staat und die Nation -- aber Männer ohne starke Initiative.
In Rußland Fürst Swjatopolk-Mirski, in Deutschland Herr von Bethmann Hollweg.
Beide gaben die Parole aus: "Vertrauen zur Regierung und Sammlung der
staatserhaltenden Parteien". Beide zogen sich alsdann aus der Öffentlichkeit zurück.
Beider Beschäftigung während der Zurückgezogenheit bestand hauptsächlich in der
"Reformation" der höchsten Regierungsorgane; beide hatten auch das Glück, zwei
und drei tüchtige Männer für sich zu gewinnen, freilich ohne daß es ihnen
gelungen wäre, sich je einer gewissen Persönlichkeit zu entledigen, deren Verbleiben
in den betreffenden Stellen für beide verhängnisvoll werden sollte. Zu einer Zu¬
sammenfassung der Kräfte, die besonders bei uns vor einem Jahre vorhanden waren,
ist aber kein Versuch gemacht worden. Beide Minister standen auch den modernen In¬
strumenten der Staatskunst vollständig ratlos gegenüber. Beide Minister wurden eines
schönen Tages durch "friedliche" Straßendemonstrationen überrascht, -- so über¬
rascht, daß sie ihre Unterorgane nicht rechtzeitig zu unterweisen vermochten. Diese
aber handelten falsch. Der Militärgouverneur von Se. Petersburg lockte die durch
Gapon irre geleiteten Demonstranten in eine Falle,, während diese unter Vorantritt
barhäuptiger Polizeioffiziere zum Winterpalais zogen, -- der Polizeipräsident
von Berlin gab Anordnungen, die er nicht aufrecht erhalten konnte, -- er gab ein
wichtiges staatliches Organ der Lächerlichkeit preis. Daneben vermehrten sich, hüben
und drüben Erscheinungen, die aller Welt offenbarten, daß den obersten Regierungs¬
organen der Zusammenhalt fehlte. Prozesse werden verschleppt, Staatsanwälte
desavouiert. Alles das ist natürlich nicht nur uns bekannt, sondern auch den
sozialdeinokratischenAgitatoren. Jeder von ihnen weiß aber auch, daß es unter den an¬
gedeuteten Zuständen für das Gros unserer nicht mit Glücksgütern gesegneten
Beamten schwer ist, durchgreifende Entschlüsse zu fassen. Wäre es anders, so
brauchte über Unbotmäßigkeit in der niederen Beamtenschaft nicht geklagt zu werden.
Denn, und darin liegt wieder eine Analogie mit dem Rußland von 1905, ein das Gesetz
streng handhabender Beamter weiß heute nicht, ob ihm seine Tatkraft nicht vielleicht
von seinen Vorgesetzten verdacht wird. Das hemmt die Entschlußfähigkeit bis in die
höchsten Stellen. -- Die häßlichen Vorgänge in Moabit wären trotz der Ablehnung der
Erbschaftssteuer nicht vorgekommen, wenn wir eine straff und einheitlich organisierte,
unabhängige Regierung hätten. Sie sind eine Folgeerscheinung der Planlosigkeit,
Inkonsequenz und Unsicherheit, die in den höchsten Organen der Regierung
herrschen.

Unter diesem Gesichtswinkel betrachtet müssen wir auch die Berliner Regierung
als den Hauptschuldigen an dem jüngsten Auftreten der Revolutionäre bezeichnen.
Dennoch können wir der "Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" zustimmen, wenn
sie als Urheber jener Vorgänge die Leiter der sozialdemokratischen Partei bezeichnet.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Dingen mit den Zuständen in Rußland nach dem Tode Plehwes (1904), daß wir
gezwungen sind, der Lage bei uns mit dem größten Ernst gegenüberzutreten. Wie in
Rußland, sind es aber auch bei uns nicht die Grundlagen des nationalen Lebens, die
erschüttert erscheinen, sondern lediglich die äußernOrgane der Staatsgewalt. Wir stehn
vor dem unbehaglichen Eindruck, als seien ganze Teile der Exekutivgewalt abgestorben.
Dies Absterben hat sich auch in Nußland lange vor dem Ausbruch der Revolution
bemerkbar gemacht. Es wurde zur Gefahr, nachdem der Zeitpunkt zur Erneuerung
des Staatslebens ungenutzt vorübergegangen war. Plehwe und Fürst Bülow
besanden sich darin in ähnlicher Lage. Sie suchten, jeder mit den ihnen durch die
Staatsverfassung zur Verfügung stehenden Mitteln, die Autorität des Staates
aufrecht zu halten. Beide wurden gestürzt. An ihre Stelle kamen aber keine
Reformatoren großen Stils, sondern Männer des Ausgleichs, Männer mit gleichen
guten Absichten für den Staat und die Nation — aber Männer ohne starke Initiative.
In Rußland Fürst Swjatopolk-Mirski, in Deutschland Herr von Bethmann Hollweg.
Beide gaben die Parole aus: „Vertrauen zur Regierung und Sammlung der
staatserhaltenden Parteien". Beide zogen sich alsdann aus der Öffentlichkeit zurück.
Beider Beschäftigung während der Zurückgezogenheit bestand hauptsächlich in der
„Reformation" der höchsten Regierungsorgane; beide hatten auch das Glück, zwei
und drei tüchtige Männer für sich zu gewinnen, freilich ohne daß es ihnen
gelungen wäre, sich je einer gewissen Persönlichkeit zu entledigen, deren Verbleiben
in den betreffenden Stellen für beide verhängnisvoll werden sollte. Zu einer Zu¬
sammenfassung der Kräfte, die besonders bei uns vor einem Jahre vorhanden waren,
ist aber kein Versuch gemacht worden. Beide Minister standen auch den modernen In¬
strumenten der Staatskunst vollständig ratlos gegenüber. Beide Minister wurden eines
schönen Tages durch „friedliche" Straßendemonstrationen überrascht, — so über¬
rascht, daß sie ihre Unterorgane nicht rechtzeitig zu unterweisen vermochten. Diese
aber handelten falsch. Der Militärgouverneur von Se. Petersburg lockte die durch
Gapon irre geleiteten Demonstranten in eine Falle,, während diese unter Vorantritt
barhäuptiger Polizeioffiziere zum Winterpalais zogen, — der Polizeipräsident
von Berlin gab Anordnungen, die er nicht aufrecht erhalten konnte, — er gab ein
wichtiges staatliches Organ der Lächerlichkeit preis. Daneben vermehrten sich, hüben
und drüben Erscheinungen, die aller Welt offenbarten, daß den obersten Regierungs¬
organen der Zusammenhalt fehlte. Prozesse werden verschleppt, Staatsanwälte
desavouiert. Alles das ist natürlich nicht nur uns bekannt, sondern auch den
sozialdeinokratischenAgitatoren. Jeder von ihnen weiß aber auch, daß es unter den an¬
gedeuteten Zuständen für das Gros unserer nicht mit Glücksgütern gesegneten
Beamten schwer ist, durchgreifende Entschlüsse zu fassen. Wäre es anders, so
brauchte über Unbotmäßigkeit in der niederen Beamtenschaft nicht geklagt zu werden.
Denn, und darin liegt wieder eine Analogie mit dem Rußland von 1905, ein das Gesetz
streng handhabender Beamter weiß heute nicht, ob ihm seine Tatkraft nicht vielleicht
von seinen Vorgesetzten verdacht wird. Das hemmt die Entschlußfähigkeit bis in die
höchsten Stellen. — Die häßlichen Vorgänge in Moabit wären trotz der Ablehnung der
Erbschaftssteuer nicht vorgekommen, wenn wir eine straff und einheitlich organisierte,
unabhängige Regierung hätten. Sie sind eine Folgeerscheinung der Planlosigkeit,
Inkonsequenz und Unsicherheit, die in den höchsten Organen der Regierung
herrschen.

Unter diesem Gesichtswinkel betrachtet müssen wir auch die Berliner Regierung
als den Hauptschuldigen an dem jüngsten Auftreten der Revolutionäre bezeichnen.
Dennoch können wir der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" zustimmen, wenn
sie als Urheber jener Vorgänge die Leiter der sozialdemokratischen Partei bezeichnet.


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[0050] Maßgebliches und Unmaßgebliches Dingen mit den Zuständen in Rußland nach dem Tode Plehwes (1904), daß wir gezwungen sind, der Lage bei uns mit dem größten Ernst gegenüberzutreten. Wie in Rußland, sind es aber auch bei uns nicht die Grundlagen des nationalen Lebens, die erschüttert erscheinen, sondern lediglich die äußernOrgane der Staatsgewalt. Wir stehn vor dem unbehaglichen Eindruck, als seien ganze Teile der Exekutivgewalt abgestorben. Dies Absterben hat sich auch in Nußland lange vor dem Ausbruch der Revolution bemerkbar gemacht. Es wurde zur Gefahr, nachdem der Zeitpunkt zur Erneuerung des Staatslebens ungenutzt vorübergegangen war. Plehwe und Fürst Bülow besanden sich darin in ähnlicher Lage. Sie suchten, jeder mit den ihnen durch die Staatsverfassung zur Verfügung stehenden Mitteln, die Autorität des Staates aufrecht zu halten. Beide wurden gestürzt. An ihre Stelle kamen aber keine Reformatoren großen Stils, sondern Männer des Ausgleichs, Männer mit gleichen guten Absichten für den Staat und die Nation — aber Männer ohne starke Initiative. In Rußland Fürst Swjatopolk-Mirski, in Deutschland Herr von Bethmann Hollweg. Beide gaben die Parole aus: „Vertrauen zur Regierung und Sammlung der staatserhaltenden Parteien". Beide zogen sich alsdann aus der Öffentlichkeit zurück. Beider Beschäftigung während der Zurückgezogenheit bestand hauptsächlich in der „Reformation" der höchsten Regierungsorgane; beide hatten auch das Glück, zwei und drei tüchtige Männer für sich zu gewinnen, freilich ohne daß es ihnen gelungen wäre, sich je einer gewissen Persönlichkeit zu entledigen, deren Verbleiben in den betreffenden Stellen für beide verhängnisvoll werden sollte. Zu einer Zu¬ sammenfassung der Kräfte, die besonders bei uns vor einem Jahre vorhanden waren, ist aber kein Versuch gemacht worden. Beide Minister standen auch den modernen In¬ strumenten der Staatskunst vollständig ratlos gegenüber. Beide Minister wurden eines schönen Tages durch „friedliche" Straßendemonstrationen überrascht, — so über¬ rascht, daß sie ihre Unterorgane nicht rechtzeitig zu unterweisen vermochten. Diese aber handelten falsch. Der Militärgouverneur von Se. Petersburg lockte die durch Gapon irre geleiteten Demonstranten in eine Falle,, während diese unter Vorantritt barhäuptiger Polizeioffiziere zum Winterpalais zogen, — der Polizeipräsident von Berlin gab Anordnungen, die er nicht aufrecht erhalten konnte, — er gab ein wichtiges staatliches Organ der Lächerlichkeit preis. Daneben vermehrten sich, hüben und drüben Erscheinungen, die aller Welt offenbarten, daß den obersten Regierungs¬ organen der Zusammenhalt fehlte. Prozesse werden verschleppt, Staatsanwälte desavouiert. Alles das ist natürlich nicht nur uns bekannt, sondern auch den sozialdeinokratischenAgitatoren. Jeder von ihnen weiß aber auch, daß es unter den an¬ gedeuteten Zuständen für das Gros unserer nicht mit Glücksgütern gesegneten Beamten schwer ist, durchgreifende Entschlüsse zu fassen. Wäre es anders, so brauchte über Unbotmäßigkeit in der niederen Beamtenschaft nicht geklagt zu werden. Denn, und darin liegt wieder eine Analogie mit dem Rußland von 1905, ein das Gesetz streng handhabender Beamter weiß heute nicht, ob ihm seine Tatkraft nicht vielleicht von seinen Vorgesetzten verdacht wird. Das hemmt die Entschlußfähigkeit bis in die höchsten Stellen. — Die häßlichen Vorgänge in Moabit wären trotz der Ablehnung der Erbschaftssteuer nicht vorgekommen, wenn wir eine straff und einheitlich organisierte, unabhängige Regierung hätten. Sie sind eine Folgeerscheinung der Planlosigkeit, Inkonsequenz und Unsicherheit, die in den höchsten Organen der Regierung herrschen. Unter diesem Gesichtswinkel betrachtet müssen wir auch die Berliner Regierung als den Hauptschuldigen an dem jüngsten Auftreten der Revolutionäre bezeichnen. Dennoch können wir der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" zustimmen, wenn sie als Urheber jener Vorgänge die Leiter der sozialdemokratischen Partei bezeichnet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/50>, abgerufen am 16.05.2024.