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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Rolonialpolitik und Kolonialwirtschaft

des Gründungsvorgangs und des Markes in Kolonialwerten. Da auf allen
diesen Gebieten offensichtliche Mißstände vorliegen, so kann man im großen und
ganzen in den Ruf Dr. Schachts nach staatlicher Regelung nur einstimmen.
Es wäre namentlich ganz gut, wenn ein Kontrollorgan geschaffen würde, das
die Gründungsvorgänge prüft und namentlich die Veröffentlichung von schwindel¬
hafter Prospekten und Rentabilitätsberechnungen unterbindet. Wie gewissenlos
in dieser Beziehung vielfach vorgegangen wird, dürfte ein Fall zeigen, der mir
selbst vor einiger Zeit passiert ist. Kommt da eines Tages ein Gründer zu
mir und will von mir ein paar Bilder zur Jllustrierung seines Prospektes
leihen. Es sollten Ansichten von schönen Baumwoll- und Sisalpflanzungen sein.
Offenbar waren seine eigenen Pflanzungen, auf die sich eine glänzende "Renta¬
bilitätsberechnung" gründete, so wenig vorführbar, daß er den Lesern seines
Prospekts mit Ansichten fremder Pflanzungen Sand in die Augen streuen wollte.
Ich ließ den Mann natürlich abfallen. Ich hatte das Rechte getroffen, denn
die betr. Gründung hat in letzter Zeit sehr unrühmlich von sich reden gemacht
und wird hoffentlich nicht zustande kommen.

Leider wird dem Unfug der kolonialen Gründungsprospekte von einer Seite
Vorschub geleistet, von der man eigentlich größere Gewissenhaftigkeit erwarten
sollte. Es ist gang und gäbe geworden, daß die Prospekte von allerlei angesehenen
Leuten mitunterzeichnet werden, die gar nicht daran denken, sich selbst zu beteiligen
und meist gar nicht genügend geschäftliche Erfahrung und Sachkenntnis besitzen,
um die Reellität des Unternehmens beurteilen zu können. Da man vielfach noch
mit der "patriotischen Bedeutung" des Unternehmens manipuliert, so halten es
viele Leute für Ehrensache, solchen Gründern ein paar tausend Mark in den
Rachen zu werfen. Das ist 'ganz falsch. Es dient der vaterländischen Sache
gar nicht, wenn gewissenlosen Gründern das Geldmacher leicht gemacht wird,
im Gegenteil, reelle Unternehmungen, die solide und weniger glänzende Renta¬
bilitätsberechnungen aufmachen, finden hier kein Geld und sind dann, wie das
in letzter Zeit wiederholt vorgekommen ist, gezwungen, sich an das ausländische
Kapital zu wenden.

Das koloniale Gründungswesen in der heutigen dilettantischen und unreellen
Form ist ein Krebsschaden für unsre Kolonialwirtschast und muß je eher desto
besser reformiert werden. Wir werden auf diese für die Kolonien so wichtige
Frage demnächst noch näher eingehen.

An sich bieten unsre Kolonien gewiß genug Raum für solide und aussichts¬
volle Unternehmungen. Wenn wir auch draußen in mancher Hinsicht im Versuchs¬
stadium stecken, so ist doch auf allen Gebieten ein Fortschritt zu beobachten.
Es ist hier natürlich nicht möglich, auf alle Zweige der Kolonialwirtschaft näher
einzugehen. Es genügt die Feststellung, daß auch in den rein fachmännischer
Sitzungen des Kolonialkongresses mit einer selbstverständlichen Sicherheit ver¬
handelt wurde, die erkennen ließ, daß der Praktiker mit Vertrauen bei seiner
Arbeit ist. Die positiven Tatsachen, die der Vorsitzende der Hamburger Handels-


Rolonialpolitik und Kolonialwirtschaft

des Gründungsvorgangs und des Markes in Kolonialwerten. Da auf allen
diesen Gebieten offensichtliche Mißstände vorliegen, so kann man im großen und
ganzen in den Ruf Dr. Schachts nach staatlicher Regelung nur einstimmen.
Es wäre namentlich ganz gut, wenn ein Kontrollorgan geschaffen würde, das
die Gründungsvorgänge prüft und namentlich die Veröffentlichung von schwindel¬
hafter Prospekten und Rentabilitätsberechnungen unterbindet. Wie gewissenlos
in dieser Beziehung vielfach vorgegangen wird, dürfte ein Fall zeigen, der mir
selbst vor einiger Zeit passiert ist. Kommt da eines Tages ein Gründer zu
mir und will von mir ein paar Bilder zur Jllustrierung seines Prospektes
leihen. Es sollten Ansichten von schönen Baumwoll- und Sisalpflanzungen sein.
Offenbar waren seine eigenen Pflanzungen, auf die sich eine glänzende „Renta¬
bilitätsberechnung" gründete, so wenig vorführbar, daß er den Lesern seines
Prospekts mit Ansichten fremder Pflanzungen Sand in die Augen streuen wollte.
Ich ließ den Mann natürlich abfallen. Ich hatte das Rechte getroffen, denn
die betr. Gründung hat in letzter Zeit sehr unrühmlich von sich reden gemacht
und wird hoffentlich nicht zustande kommen.

Leider wird dem Unfug der kolonialen Gründungsprospekte von einer Seite
Vorschub geleistet, von der man eigentlich größere Gewissenhaftigkeit erwarten
sollte. Es ist gang und gäbe geworden, daß die Prospekte von allerlei angesehenen
Leuten mitunterzeichnet werden, die gar nicht daran denken, sich selbst zu beteiligen
und meist gar nicht genügend geschäftliche Erfahrung und Sachkenntnis besitzen,
um die Reellität des Unternehmens beurteilen zu können. Da man vielfach noch
mit der „patriotischen Bedeutung" des Unternehmens manipuliert, so halten es
viele Leute für Ehrensache, solchen Gründern ein paar tausend Mark in den
Rachen zu werfen. Das ist 'ganz falsch. Es dient der vaterländischen Sache
gar nicht, wenn gewissenlosen Gründern das Geldmacher leicht gemacht wird,
im Gegenteil, reelle Unternehmungen, die solide und weniger glänzende Renta¬
bilitätsberechnungen aufmachen, finden hier kein Geld und sind dann, wie das
in letzter Zeit wiederholt vorgekommen ist, gezwungen, sich an das ausländische
Kapital zu wenden.

Das koloniale Gründungswesen in der heutigen dilettantischen und unreellen
Form ist ein Krebsschaden für unsre Kolonialwirtschast und muß je eher desto
besser reformiert werden. Wir werden auf diese für die Kolonien so wichtige
Frage demnächst noch näher eingehen.

An sich bieten unsre Kolonien gewiß genug Raum für solide und aussichts¬
volle Unternehmungen. Wenn wir auch draußen in mancher Hinsicht im Versuchs¬
stadium stecken, so ist doch auf allen Gebieten ein Fortschritt zu beobachten.
Es ist hier natürlich nicht möglich, auf alle Zweige der Kolonialwirtschaft näher
einzugehen. Es genügt die Feststellung, daß auch in den rein fachmännischer
Sitzungen des Kolonialkongresses mit einer selbstverständlichen Sicherheit ver¬
handelt wurde, die erkennen ließ, daß der Praktiker mit Vertrauen bei seiner
Arbeit ist. Die positiven Tatsachen, die der Vorsitzende der Hamburger Handels-


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[0519] Rolonialpolitik und Kolonialwirtschaft des Gründungsvorgangs und des Markes in Kolonialwerten. Da auf allen diesen Gebieten offensichtliche Mißstände vorliegen, so kann man im großen und ganzen in den Ruf Dr. Schachts nach staatlicher Regelung nur einstimmen. Es wäre namentlich ganz gut, wenn ein Kontrollorgan geschaffen würde, das die Gründungsvorgänge prüft und namentlich die Veröffentlichung von schwindel¬ hafter Prospekten und Rentabilitätsberechnungen unterbindet. Wie gewissenlos in dieser Beziehung vielfach vorgegangen wird, dürfte ein Fall zeigen, der mir selbst vor einiger Zeit passiert ist. Kommt da eines Tages ein Gründer zu mir und will von mir ein paar Bilder zur Jllustrierung seines Prospektes leihen. Es sollten Ansichten von schönen Baumwoll- und Sisalpflanzungen sein. Offenbar waren seine eigenen Pflanzungen, auf die sich eine glänzende „Renta¬ bilitätsberechnung" gründete, so wenig vorführbar, daß er den Lesern seines Prospekts mit Ansichten fremder Pflanzungen Sand in die Augen streuen wollte. Ich ließ den Mann natürlich abfallen. Ich hatte das Rechte getroffen, denn die betr. Gründung hat in letzter Zeit sehr unrühmlich von sich reden gemacht und wird hoffentlich nicht zustande kommen. Leider wird dem Unfug der kolonialen Gründungsprospekte von einer Seite Vorschub geleistet, von der man eigentlich größere Gewissenhaftigkeit erwarten sollte. Es ist gang und gäbe geworden, daß die Prospekte von allerlei angesehenen Leuten mitunterzeichnet werden, die gar nicht daran denken, sich selbst zu beteiligen und meist gar nicht genügend geschäftliche Erfahrung und Sachkenntnis besitzen, um die Reellität des Unternehmens beurteilen zu können. Da man vielfach noch mit der „patriotischen Bedeutung" des Unternehmens manipuliert, so halten es viele Leute für Ehrensache, solchen Gründern ein paar tausend Mark in den Rachen zu werfen. Das ist 'ganz falsch. Es dient der vaterländischen Sache gar nicht, wenn gewissenlosen Gründern das Geldmacher leicht gemacht wird, im Gegenteil, reelle Unternehmungen, die solide und weniger glänzende Renta¬ bilitätsberechnungen aufmachen, finden hier kein Geld und sind dann, wie das in letzter Zeit wiederholt vorgekommen ist, gezwungen, sich an das ausländische Kapital zu wenden. Das koloniale Gründungswesen in der heutigen dilettantischen und unreellen Form ist ein Krebsschaden für unsre Kolonialwirtschast und muß je eher desto besser reformiert werden. Wir werden auf diese für die Kolonien so wichtige Frage demnächst noch näher eingehen. An sich bieten unsre Kolonien gewiß genug Raum für solide und aussichts¬ volle Unternehmungen. Wenn wir auch draußen in mancher Hinsicht im Versuchs¬ stadium stecken, so ist doch auf allen Gebieten ein Fortschritt zu beobachten. Es ist hier natürlich nicht möglich, auf alle Zweige der Kolonialwirtschaft näher einzugehen. Es genügt die Feststellung, daß auch in den rein fachmännischer Sitzungen des Kolonialkongresses mit einer selbstverständlichen Sicherheit ver¬ handelt wurde, die erkennen ließ, daß der Praktiker mit Vertrauen bei seiner Arbeit ist. Die positiven Tatsachen, die der Vorsitzende der Hamburger Handels-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/519>, abgerufen am 15.05.2024.