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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

unter dem Titel "Glücksinseln und Träume"
erzählte, hatten mich zu meinem Rundgang
durch die schwäbischen Veteranenhäuser an¬
geregt. Diesen Erinnerungen gegenüber war
meine Sammlung figuren- und farbenarm,
aber sie vertrug sich mit ihnen wie ein
uaturrauher, schlichter Rahmen mit einem
feinen Bild. Solche Rahmenzcichnungen zu
sammeln war nur inzwischen nicht mehr
möglich, aber ich habe bekannte Offiziere, in
denen ich Kriegsteilnehmer verehrte, zur
Fixierung ihrer Erinnerungsbilder zu be¬
wegen gesucht, weil ich, seitdem mir meine
Mutter in kranken Kindheits tagen die Bilder
des Kriegs in der Hallbergerschen Chronik
"Bom Kriegsschauplatz" gedeutet hat, weis;,
wie erhebend und stärkend die Kunde von
der Mühsal und den Opfern, den Leiden
und dem Leide jener Zeit auf deutsche
Herzen wirkt. Doch hat meine Anregung
bis jetzt keinen Erfolg gehabt.

Das jüngste Buch mit KriegSeriimeruugen,
das mir in den ernsten Jahrestagen von
Villiers zuging, dankt Wohl der Frage aus
Kindermund: Wie bist du durch den Krieg
gekommen, das; wir dich haben? seine Ent¬
stehung. Ein bayerischer Offizier, General¬
major z. D. Gottlieb v. Thäter, schildert
darin mit kräftigen Strichen und frischen
Farben seine Erlebnisse"). Süddeutsch ist
die Melodie seiner Sprache, aber die mili¬
tärischen und politischen Anschauungen, die
da und dort zutage treten, zeigen nirgends
Stammesdünkel oder Sondersucht, sie sind
deutsch. Von allgemeinem Interesse, wie die
schlicht erzählten Taten des junge" Drauf¬
gängers, ist sein in nicht allzu grüner
Jugend -- mit dreiundzwanzig Jahren nach
dem Abschlüsse des juristischen Universitäts-
studiums -- gefaßtes und nach zwei¬
undvierzig Dienstjahren gefälltes Urteil
über die bayerische Armee bon 1370/71.
Rittertum und Landsknechttum, Bildung und
Unbildung im Offizierkorps bunt gemischt,
die Bekleidung der Truppen schlecht, weil


[Spaltenumbruch]

der Praktische und ethische Wert einer Kriegs¬
garnitur noch nicht erkannt war und die
Leute in einer älteren Garnitur ausrücken
mußten, -- kein Wunder, das; in den Schlacht¬
stürmen und Märschen des Sommers und
des Frühherbstes Spreu berstob. Um so
wertboller ist aus dem Munde eines so
scharf urteilenden Beobachters das Lob.
Nach Wörth: "Viel Persönliche Werte besaß
die bayerische Armee, das ist selbstverständlich --
auch sie war deutsch. Aber auf ihr lastete
der noch frische Mißerfolg des Jahres 186S
und das damals erwachte Gefühl der
Mangelhaftigkeit, die durch ernste Arbeit
weniger Jahre mich nicht ausgeglichen sein
konnte." Bei Beaugency: "Die Leute, die
durch all diese Unordnung sich durchgefristet
hatten, das waren herrliche Menschen trotz
ihrer Lumpen. Da war alle Spreu hinweg¬
gefegt und uur hülle Weizenkörner waren
geblieben." Am 7. März 1871 bor dem
Kaiser auf dem Plateau bon Villiers: "Unser
Vorbeimarsch freilich mag sein berwöhntes
Auge nicht sonderlich erbaut haben. Tritt
und Richtung waren schwankend und unsere
Gesamterscheinung ohnehin im Nachteile gegen
die funkelnden Helme und das weiße Leder¬
zeug Preußischer Truppen. Ich glaube aber,
er hatte uns doch gerne, und unsere zerfetzten
Fahnen wnszten jn gewiß dick Rühmliches zu
erzählen. Aber wir mußten nachlernen, das
war uns klar."

Die bayerische Armee hat alles nach¬
gelernt. Gottlieb b. Thäter wendet sich
mit seinem Buche an die jüngere Generation,
deren Wehrhaftigkeit "der künstlichen Er¬
nährung bedarf". Er scheint auch zu wissen,
daß die Wehrhaftigkeit der deutschen, beson¬
ders der bayerischen Jngend unterernährt
ist. Denn er widmet sein Buch den jungen
bayerischen Offizieren des Vereins Wehrkraft,
die in Deutschland auf militärischer Seite
zuerst um dle Stählung unserer in der
Schule verliegenden Jugend gingen. --
Das Buch ist ein voller Trunk aus dem dünner
fließenden, in tausend Gräbern tropfenweise
versickernden Kraftauell der Kriegserinncrun-
gen, die man tropfenweise zu sammeln nicht
müde werden sollte.

Ludwig Aemmer- [Ende Spaltensatz]

B, München 19U.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

unter dem Titel „Glücksinseln und Träume"
erzählte, hatten mich zu meinem Rundgang
durch die schwäbischen Veteranenhäuser an¬
geregt. Diesen Erinnerungen gegenüber war
meine Sammlung figuren- und farbenarm,
aber sie vertrug sich mit ihnen wie ein
uaturrauher, schlichter Rahmen mit einem
feinen Bild. Solche Rahmenzcichnungen zu
sammeln war nur inzwischen nicht mehr
möglich, aber ich habe bekannte Offiziere, in
denen ich Kriegsteilnehmer verehrte, zur
Fixierung ihrer Erinnerungsbilder zu be¬
wegen gesucht, weil ich, seitdem mir meine
Mutter in kranken Kindheits tagen die Bilder
des Kriegs in der Hallbergerschen Chronik
„Bom Kriegsschauplatz" gedeutet hat, weis;,
wie erhebend und stärkend die Kunde von
der Mühsal und den Opfern, den Leiden
und dem Leide jener Zeit auf deutsche
Herzen wirkt. Doch hat meine Anregung
bis jetzt keinen Erfolg gehabt.

Das jüngste Buch mit KriegSeriimeruugen,
das mir in den ernsten Jahrestagen von
Villiers zuging, dankt Wohl der Frage aus
Kindermund: Wie bist du durch den Krieg
gekommen, das; wir dich haben? seine Ent¬
stehung. Ein bayerischer Offizier, General¬
major z. D. Gottlieb v. Thäter, schildert
darin mit kräftigen Strichen und frischen
Farben seine Erlebnisse"). Süddeutsch ist
die Melodie seiner Sprache, aber die mili¬
tärischen und politischen Anschauungen, die
da und dort zutage treten, zeigen nirgends
Stammesdünkel oder Sondersucht, sie sind
deutsch. Von allgemeinem Interesse, wie die
schlicht erzählten Taten des junge» Drauf¬
gängers, ist sein in nicht allzu grüner
Jugend — mit dreiundzwanzig Jahren nach
dem Abschlüsse des juristischen Universitäts-
studiums — gefaßtes und nach zwei¬
undvierzig Dienstjahren gefälltes Urteil
über die bayerische Armee bon 1370/71.
Rittertum und Landsknechttum, Bildung und
Unbildung im Offizierkorps bunt gemischt,
die Bekleidung der Truppen schlecht, weil


[Spaltenumbruch]

der Praktische und ethische Wert einer Kriegs¬
garnitur noch nicht erkannt war und die
Leute in einer älteren Garnitur ausrücken
mußten, — kein Wunder, das; in den Schlacht¬
stürmen und Märschen des Sommers und
des Frühherbstes Spreu berstob. Um so
wertboller ist aus dem Munde eines so
scharf urteilenden Beobachters das Lob.
Nach Wörth: „Viel Persönliche Werte besaß
die bayerische Armee, das ist selbstverständlich —
auch sie war deutsch. Aber auf ihr lastete
der noch frische Mißerfolg des Jahres 186S
und das damals erwachte Gefühl der
Mangelhaftigkeit, die durch ernste Arbeit
weniger Jahre mich nicht ausgeglichen sein
konnte." Bei Beaugency: „Die Leute, die
durch all diese Unordnung sich durchgefristet
hatten, das waren herrliche Menschen trotz
ihrer Lumpen. Da war alle Spreu hinweg¬
gefegt und uur hülle Weizenkörner waren
geblieben." Am 7. März 1871 bor dem
Kaiser auf dem Plateau bon Villiers: „Unser
Vorbeimarsch freilich mag sein berwöhntes
Auge nicht sonderlich erbaut haben. Tritt
und Richtung waren schwankend und unsere
Gesamterscheinung ohnehin im Nachteile gegen
die funkelnden Helme und das weiße Leder¬
zeug Preußischer Truppen. Ich glaube aber,
er hatte uns doch gerne, und unsere zerfetzten
Fahnen wnszten jn gewiß dick Rühmliches zu
erzählen. Aber wir mußten nachlernen, das
war uns klar."

Die bayerische Armee hat alles nach¬
gelernt. Gottlieb b. Thäter wendet sich
mit seinem Buche an die jüngere Generation,
deren Wehrhaftigkeit „der künstlichen Er¬
nährung bedarf". Er scheint auch zu wissen,
daß die Wehrhaftigkeit der deutschen, beson¬
ders der bayerischen Jngend unterernährt
ist. Denn er widmet sein Buch den jungen
bayerischen Offizieren des Vereins Wehrkraft,
die in Deutschland auf militärischer Seite
zuerst um dle Stählung unserer in der
Schule verliegenden Jugend gingen. —
Das Buch ist ein voller Trunk aus dem dünner
fließenden, in tausend Gräbern tropfenweise
versickernden Kraftauell der Kriegserinncrun-
gen, die man tropfenweise zu sammeln nicht
müde werden sollte.

Ludwig Aemmer- [Ende Spaltensatz]

B, München 19U.
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[0110] Maßgebliches und Unmaßgebliches unter dem Titel „Glücksinseln und Träume" erzählte, hatten mich zu meinem Rundgang durch die schwäbischen Veteranenhäuser an¬ geregt. Diesen Erinnerungen gegenüber war meine Sammlung figuren- und farbenarm, aber sie vertrug sich mit ihnen wie ein uaturrauher, schlichter Rahmen mit einem feinen Bild. Solche Rahmenzcichnungen zu sammeln war nur inzwischen nicht mehr möglich, aber ich habe bekannte Offiziere, in denen ich Kriegsteilnehmer verehrte, zur Fixierung ihrer Erinnerungsbilder zu be¬ wegen gesucht, weil ich, seitdem mir meine Mutter in kranken Kindheits tagen die Bilder des Kriegs in der Hallbergerschen Chronik „Bom Kriegsschauplatz" gedeutet hat, weis;, wie erhebend und stärkend die Kunde von der Mühsal und den Opfern, den Leiden und dem Leide jener Zeit auf deutsche Herzen wirkt. Doch hat meine Anregung bis jetzt keinen Erfolg gehabt. Das jüngste Buch mit KriegSeriimeruugen, das mir in den ernsten Jahrestagen von Villiers zuging, dankt Wohl der Frage aus Kindermund: Wie bist du durch den Krieg gekommen, das; wir dich haben? seine Ent¬ stehung. Ein bayerischer Offizier, General¬ major z. D. Gottlieb v. Thäter, schildert darin mit kräftigen Strichen und frischen Farben seine Erlebnisse"). Süddeutsch ist die Melodie seiner Sprache, aber die mili¬ tärischen und politischen Anschauungen, die da und dort zutage treten, zeigen nirgends Stammesdünkel oder Sondersucht, sie sind deutsch. Von allgemeinem Interesse, wie die schlicht erzählten Taten des junge» Drauf¬ gängers, ist sein in nicht allzu grüner Jugend — mit dreiundzwanzig Jahren nach dem Abschlüsse des juristischen Universitäts- studiums — gefaßtes und nach zwei¬ undvierzig Dienstjahren gefälltes Urteil über die bayerische Armee bon 1370/71. Rittertum und Landsknechttum, Bildung und Unbildung im Offizierkorps bunt gemischt, die Bekleidung der Truppen schlecht, weil der Praktische und ethische Wert einer Kriegs¬ garnitur noch nicht erkannt war und die Leute in einer älteren Garnitur ausrücken mußten, — kein Wunder, das; in den Schlacht¬ stürmen und Märschen des Sommers und des Frühherbstes Spreu berstob. Um so wertboller ist aus dem Munde eines so scharf urteilenden Beobachters das Lob. Nach Wörth: „Viel Persönliche Werte besaß die bayerische Armee, das ist selbstverständlich — auch sie war deutsch. Aber auf ihr lastete der noch frische Mißerfolg des Jahres 186S und das damals erwachte Gefühl der Mangelhaftigkeit, die durch ernste Arbeit weniger Jahre mich nicht ausgeglichen sein konnte." Bei Beaugency: „Die Leute, die durch all diese Unordnung sich durchgefristet hatten, das waren herrliche Menschen trotz ihrer Lumpen. Da war alle Spreu hinweg¬ gefegt und uur hülle Weizenkörner waren geblieben." Am 7. März 1871 bor dem Kaiser auf dem Plateau bon Villiers: „Unser Vorbeimarsch freilich mag sein berwöhntes Auge nicht sonderlich erbaut haben. Tritt und Richtung waren schwankend und unsere Gesamterscheinung ohnehin im Nachteile gegen die funkelnden Helme und das weiße Leder¬ zeug Preußischer Truppen. Ich glaube aber, er hatte uns doch gerne, und unsere zerfetzten Fahnen wnszten jn gewiß dick Rühmliches zu erzählen. Aber wir mußten nachlernen, das war uns klar." Die bayerische Armee hat alles nach¬ gelernt. Gottlieb b. Thäter wendet sich mit seinem Buche an die jüngere Generation, deren Wehrhaftigkeit „der künstlichen Er¬ nährung bedarf". Er scheint auch zu wissen, daß die Wehrhaftigkeit der deutschen, beson¬ ders der bayerischen Jngend unterernährt ist. Denn er widmet sein Buch den jungen bayerischen Offizieren des Vereins Wehrkraft, die in Deutschland auf militärischer Seite zuerst um dle Stählung unserer in der Schule verliegenden Jugend gingen. — Das Buch ist ein voller Trunk aus dem dünner fließenden, in tausend Gräbern tropfenweise versickernden Kraftauell der Kriegserinncrun- gen, die man tropfenweise zu sammeln nicht müde werden sollte. Ludwig Aemmer- B, München 19U.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/110>, abgerufen am 21.05.2024.