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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Grundfragen der privatangestelltenverstcherung

fortsetzen müssen. Wenn der Staat die Angestellten bevormundet und ihnen
vorschreibt, wie sie sich versichern müssen, dann hat er die Pflicht und Schuldigkeit,
auch dafür zu sorgen, daß die Versicherung in der zweckmäßigsten Weise durch¬
geführt wird. Es wäre schon im höchsten Grade unzweckmäßig, wenn ein
Angestellter, der bereits, sei es vielleicht auch nur fünf oder zehn Jahre, in der
Invalidenversicherung versichert war, diese Versicherung nicht fortsetzen würde.
In den meisten Fällen wird die Invalidenrente bei seinem Ausscheiden schon
einen höheren oder den gleichen Betrag erreicht haben, wie er ihn als Ruhegeld
in der Privatbeamtenversicherung erhalten würde. Es wäre das Ungeschickteste,
was er tun könnte, wenn er diesen Anspruch aufgeben würde. Auf der anderen
Seite drängt aber bei den gegenwärtigen Bestimmungen das Gesetz zur Aufgabe
der Invalidenversicherung. Wenn z. B. ein Beamter zunächst 1950 Mark bezieht,
so werden für ihn

für die Privatangestelltenversicherung jährlich . . 115,20 M.
" " Invalidenversicherung " . . 23,92 "
zusammen 139,12 M.

bezahlt, wovon auf ihn selbst 69,56 Mark entfallen. Sobald sein Einkommen
den Betrag von 2000 Mark überschritten hat, ist für ihn für die Privatbeamten¬
versicherung allein ein Betrag von 158,40 Mark zu entrichten, von dem auf ihn
selbst 79,20 Mark entfallen, also schon 10 Mark mehr, als er bisher für seine
Versicherungen aufgewendet hat. Es wird ihm kaum möglich sein, aus seiner
Gehaltserhöhung, die selbst vielleicht noch nicht einmal 60 Mark erreicht, anßer
dieser Mehrleistung noch 24 Mark Beiträge für die freiwillige Fortsetzung der
Invalidenversicherung zu decken. Sobald man sich über diesen Puukt klar
geworden ist, wird man verlangen müssen, daß alle Angestellten, die vorher
in der Invalidenversicherung gewesen sind, auch nach Überschreitung der Ein¬
kommensgrenze von 2000 Mark nicht bloß freiwillige, sondern Pflichtversicherte
der Invalidenversicherung bleiben und daß auch für diese Versicherung der Beitrag
zur Hälfte vom Arbeitgeber getragen wird. Da die Anzahl derjenigen Angestellten,
die niemals der Invalidenversicherung angehört haben, verhältnismäßig nur
sehr klein sein wird und Verschiedenheiten in der Behandlung von Angestellten
mit gleichem Gehalt zweckmäßigerweise vermieden werden müssen, wird man
dazu kommen müssen, daß alle Pflichtversicherten der Privatangestelltenversicherung
much dann Pflichtversicherte der Invalidenversicherung sein müssen, wenn ihr
Einkommen 2000 Mark übersteigt, und zwar in deren höchster Gehaltsklasse. Es
ist klar, daß diese Fortbildung der freiwilligen Fortsetzung der Invaliden¬
versicherung in eine Pflichtversicherung auch das Reich in hohem Maße
belasten muß. (Schluß folgt.)




Grundfragen der privatangestelltenverstcherung

fortsetzen müssen. Wenn der Staat die Angestellten bevormundet und ihnen
vorschreibt, wie sie sich versichern müssen, dann hat er die Pflicht und Schuldigkeit,
auch dafür zu sorgen, daß die Versicherung in der zweckmäßigsten Weise durch¬
geführt wird. Es wäre schon im höchsten Grade unzweckmäßig, wenn ein
Angestellter, der bereits, sei es vielleicht auch nur fünf oder zehn Jahre, in der
Invalidenversicherung versichert war, diese Versicherung nicht fortsetzen würde.
In den meisten Fällen wird die Invalidenrente bei seinem Ausscheiden schon
einen höheren oder den gleichen Betrag erreicht haben, wie er ihn als Ruhegeld
in der Privatbeamtenversicherung erhalten würde. Es wäre das Ungeschickteste,
was er tun könnte, wenn er diesen Anspruch aufgeben würde. Auf der anderen
Seite drängt aber bei den gegenwärtigen Bestimmungen das Gesetz zur Aufgabe
der Invalidenversicherung. Wenn z. B. ein Beamter zunächst 1950 Mark bezieht,
so werden für ihn

für die Privatangestelltenversicherung jährlich . . 115,20 M.
„ „ Invalidenversicherung „ . . 23,92 „
zusammen 139,12 M.

bezahlt, wovon auf ihn selbst 69,56 Mark entfallen. Sobald sein Einkommen
den Betrag von 2000 Mark überschritten hat, ist für ihn für die Privatbeamten¬
versicherung allein ein Betrag von 158,40 Mark zu entrichten, von dem auf ihn
selbst 79,20 Mark entfallen, also schon 10 Mark mehr, als er bisher für seine
Versicherungen aufgewendet hat. Es wird ihm kaum möglich sein, aus seiner
Gehaltserhöhung, die selbst vielleicht noch nicht einmal 60 Mark erreicht, anßer
dieser Mehrleistung noch 24 Mark Beiträge für die freiwillige Fortsetzung der
Invalidenversicherung zu decken. Sobald man sich über diesen Puukt klar
geworden ist, wird man verlangen müssen, daß alle Angestellten, die vorher
in der Invalidenversicherung gewesen sind, auch nach Überschreitung der Ein¬
kommensgrenze von 2000 Mark nicht bloß freiwillige, sondern Pflichtversicherte
der Invalidenversicherung bleiben und daß auch für diese Versicherung der Beitrag
zur Hälfte vom Arbeitgeber getragen wird. Da die Anzahl derjenigen Angestellten,
die niemals der Invalidenversicherung angehört haben, verhältnismäßig nur
sehr klein sein wird und Verschiedenheiten in der Behandlung von Angestellten
mit gleichem Gehalt zweckmäßigerweise vermieden werden müssen, wird man
dazu kommen müssen, daß alle Pflichtversicherten der Privatangestelltenversicherung
much dann Pflichtversicherte der Invalidenversicherung sein müssen, wenn ihr
Einkommen 2000 Mark übersteigt, und zwar in deren höchster Gehaltsklasse. Es
ist klar, daß diese Fortbildung der freiwilligen Fortsetzung der Invaliden¬
versicherung in eine Pflichtversicherung auch das Reich in hohem Maße
belasten muß. (Schluß folgt.)




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[0489] Grundfragen der privatangestelltenverstcherung fortsetzen müssen. Wenn der Staat die Angestellten bevormundet und ihnen vorschreibt, wie sie sich versichern müssen, dann hat er die Pflicht und Schuldigkeit, auch dafür zu sorgen, daß die Versicherung in der zweckmäßigsten Weise durch¬ geführt wird. Es wäre schon im höchsten Grade unzweckmäßig, wenn ein Angestellter, der bereits, sei es vielleicht auch nur fünf oder zehn Jahre, in der Invalidenversicherung versichert war, diese Versicherung nicht fortsetzen würde. In den meisten Fällen wird die Invalidenrente bei seinem Ausscheiden schon einen höheren oder den gleichen Betrag erreicht haben, wie er ihn als Ruhegeld in der Privatbeamtenversicherung erhalten würde. Es wäre das Ungeschickteste, was er tun könnte, wenn er diesen Anspruch aufgeben würde. Auf der anderen Seite drängt aber bei den gegenwärtigen Bestimmungen das Gesetz zur Aufgabe der Invalidenversicherung. Wenn z. B. ein Beamter zunächst 1950 Mark bezieht, so werden für ihn für die Privatangestelltenversicherung jährlich . . 115,20 M. „ „ Invalidenversicherung „ . . 23,92 „ zusammen 139,12 M. bezahlt, wovon auf ihn selbst 69,56 Mark entfallen. Sobald sein Einkommen den Betrag von 2000 Mark überschritten hat, ist für ihn für die Privatbeamten¬ versicherung allein ein Betrag von 158,40 Mark zu entrichten, von dem auf ihn selbst 79,20 Mark entfallen, also schon 10 Mark mehr, als er bisher für seine Versicherungen aufgewendet hat. Es wird ihm kaum möglich sein, aus seiner Gehaltserhöhung, die selbst vielleicht noch nicht einmal 60 Mark erreicht, anßer dieser Mehrleistung noch 24 Mark Beiträge für die freiwillige Fortsetzung der Invalidenversicherung zu decken. Sobald man sich über diesen Puukt klar geworden ist, wird man verlangen müssen, daß alle Angestellten, die vorher in der Invalidenversicherung gewesen sind, auch nach Überschreitung der Ein¬ kommensgrenze von 2000 Mark nicht bloß freiwillige, sondern Pflichtversicherte der Invalidenversicherung bleiben und daß auch für diese Versicherung der Beitrag zur Hälfte vom Arbeitgeber getragen wird. Da die Anzahl derjenigen Angestellten, die niemals der Invalidenversicherung angehört haben, verhältnismäßig nur sehr klein sein wird und Verschiedenheiten in der Behandlung von Angestellten mit gleichem Gehalt zweckmäßigerweise vermieden werden müssen, wird man dazu kommen müssen, daß alle Pflichtversicherten der Privatangestelltenversicherung much dann Pflichtversicherte der Invalidenversicherung sein müssen, wenn ihr Einkommen 2000 Mark übersteigt, und zwar in deren höchster Gehaltsklasse. Es ist klar, daß diese Fortbildung der freiwilligen Fortsetzung der Invaliden¬ versicherung in eine Pflichtversicherung auch das Reich in hohem Maße belasten muß. (Schluß folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/489>, abgerufen am 21.05.2024.