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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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gestellt wird. Für die Aktionäre bedeutet eine solche Transaktion natürlich ein
erhebliches Risiko, weil sich gar nicht absehen läßt, ob das neue Unternehmen
auf die Dauer imstande ist, Erträgnisse abzuwerfen, die mit demi geforderten
erheblichen Agio für die neuen Aktien im Einklang stehen. Ist aber wie
gegenwärtig das Börsenwetter günstig, so pflegt das Publikum blindlings
Gefolgschaft zu leisten und nimmt auch an einem noch so hohen Agio keinen
Anstoß. -- Hochkonjunktur!

Die wachsende Spekulationslust wendet sich anscheinend in steigendem
Maße auch wieder den ausländischen Börsen zu. In der Regel tritt diese
Spekulation an der Londoner und New-Aorker Börse nicht offen in Erscheinung.
Nur wenn sie wieder einmal ein Opfer gefordert hat, das die breitere Öffent¬
lichkeit interessiert, fällt ein Licht auf den bedrohlichen Umfang und die ungeheure
Gefahr dieser besonderen Art des Börsenspiels. Ist doch der aufsehenerregende
Zusammenbruch der altangesehenen Bremer Firma Gebr. Plate nur
auf solche Spekulationsverluste des Juniorpartners in Höhe von nicht weniger
als IV2 Millionen Mark zurückzuführen! -- Wenn diese Beteiligung des
deutschen Publikums am ausländischen Börsenspiel einen so außer¬
ordentlichen Umfang angenommen hat, so ist dies hauptsächlich dem Umstand
zu danken, daß hierfür eine weitreichende und wirksame Organisation durch
besondere Vertreter und Agenten besteht. Hierauf hat auch Dernburg in
seiner Broschüre hingewiesen. Es gibt in Deutschland Hunderte von sogenannten
Remisiers, Vertreter Londoner und Pariser Börsenfirmen, welche
angesehene und zahlungsfähige Privatpersonen, namentlich auch solche, die sich
in auch nur einigermaßen gut bezahlter Stellung befinden, zum Börsenspiel auf¬
fordern und durch günstige Bedingungen zu verleiten wissen. Oft wird gar
kein oder nur ein sehr geringer Einschuß für die Übernahme und Ausführung
spekulativer Aufträge verlangt; eine Provision und Kosten für deutschen Schlu߬
notenstempel kommen nicht in Ansatz. Die Spekulation ist daher dem äußeren
Anschein nach weit billiger als in Deutschland, denn der Auftraggeber übersieht,
daß er sehr erhebliche Provisionen für das Bankhaus wie für den Remisier in
einem Kursaufschlag entrichtet! -- So wird das Betreten dieser höchst gefahr¬
vollen Bahn nach jeder Richtung hin erleichtert; einen Rückweg gibt es kaum,
weil, solange noch eine Hoffnung besteht, erlittene Verluste wieder einzuholen,
der Spekulant, gestützt auf den Rat seines Remisiers, Engagement an Engagement
reiht, bis mit dem Versiegen sämtlicher Hilfsquellen das Interesse des Remisiers
an seinem Opfer geschwunden ist. Wie viel Existenzen hat nicht dieser Moloch
schon verschlungen! Gelänge es, diesen tiefgreifenden Schäden durch geeignete
Maßnahmen vorzubeugen, so würde man dem öffentlichen Wohl einen unschätz¬
baren Dienst erweisen. In der Tat ist die Tätigkeit dieser Remisiers weit
gefährlicher als die der sogenannten "Buckel-Shops", gegen welche der Zentral¬
verband des deutschen Bank- und Bankrergewerbes neuerdings einen so dankens¬
werten und erfolgreichen Feldzug eröffnet hat. Vielleicht ließe sich gegen das


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gestellt wird. Für die Aktionäre bedeutet eine solche Transaktion natürlich ein
erhebliches Risiko, weil sich gar nicht absehen läßt, ob das neue Unternehmen
auf die Dauer imstande ist, Erträgnisse abzuwerfen, die mit demi geforderten
erheblichen Agio für die neuen Aktien im Einklang stehen. Ist aber wie
gegenwärtig das Börsenwetter günstig, so pflegt das Publikum blindlings
Gefolgschaft zu leisten und nimmt auch an einem noch so hohen Agio keinen
Anstoß. — Hochkonjunktur!

Die wachsende Spekulationslust wendet sich anscheinend in steigendem
Maße auch wieder den ausländischen Börsen zu. In der Regel tritt diese
Spekulation an der Londoner und New-Aorker Börse nicht offen in Erscheinung.
Nur wenn sie wieder einmal ein Opfer gefordert hat, das die breitere Öffent¬
lichkeit interessiert, fällt ein Licht auf den bedrohlichen Umfang und die ungeheure
Gefahr dieser besonderen Art des Börsenspiels. Ist doch der aufsehenerregende
Zusammenbruch der altangesehenen Bremer Firma Gebr. Plate nur
auf solche Spekulationsverluste des Juniorpartners in Höhe von nicht weniger
als IV2 Millionen Mark zurückzuführen! — Wenn diese Beteiligung des
deutschen Publikums am ausländischen Börsenspiel einen so außer¬
ordentlichen Umfang angenommen hat, so ist dies hauptsächlich dem Umstand
zu danken, daß hierfür eine weitreichende und wirksame Organisation durch
besondere Vertreter und Agenten besteht. Hierauf hat auch Dernburg in
seiner Broschüre hingewiesen. Es gibt in Deutschland Hunderte von sogenannten
Remisiers, Vertreter Londoner und Pariser Börsenfirmen, welche
angesehene und zahlungsfähige Privatpersonen, namentlich auch solche, die sich
in auch nur einigermaßen gut bezahlter Stellung befinden, zum Börsenspiel auf¬
fordern und durch günstige Bedingungen zu verleiten wissen. Oft wird gar
kein oder nur ein sehr geringer Einschuß für die Übernahme und Ausführung
spekulativer Aufträge verlangt; eine Provision und Kosten für deutschen Schlu߬
notenstempel kommen nicht in Ansatz. Die Spekulation ist daher dem äußeren
Anschein nach weit billiger als in Deutschland, denn der Auftraggeber übersieht,
daß er sehr erhebliche Provisionen für das Bankhaus wie für den Remisier in
einem Kursaufschlag entrichtet! — So wird das Betreten dieser höchst gefahr¬
vollen Bahn nach jeder Richtung hin erleichtert; einen Rückweg gibt es kaum,
weil, solange noch eine Hoffnung besteht, erlittene Verluste wieder einzuholen,
der Spekulant, gestützt auf den Rat seines Remisiers, Engagement an Engagement
reiht, bis mit dem Versiegen sämtlicher Hilfsquellen das Interesse des Remisiers
an seinem Opfer geschwunden ist. Wie viel Existenzen hat nicht dieser Moloch
schon verschlungen! Gelänge es, diesen tiefgreifenden Schäden durch geeignete
Maßnahmen vorzubeugen, so würde man dem öffentlichen Wohl einen unschätz¬
baren Dienst erweisen. In der Tat ist die Tätigkeit dieser Remisiers weit
gefährlicher als die der sogenannten „Buckel-Shops", gegen welche der Zentral¬
verband des deutschen Bank- und Bankrergewerbes neuerdings einen so dankens¬
werten und erfolgreichen Feldzug eröffnet hat. Vielleicht ließe sich gegen das


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[0105] Reichssxiegcl gestellt wird. Für die Aktionäre bedeutet eine solche Transaktion natürlich ein erhebliches Risiko, weil sich gar nicht absehen läßt, ob das neue Unternehmen auf die Dauer imstande ist, Erträgnisse abzuwerfen, die mit demi geforderten erheblichen Agio für die neuen Aktien im Einklang stehen. Ist aber wie gegenwärtig das Börsenwetter günstig, so pflegt das Publikum blindlings Gefolgschaft zu leisten und nimmt auch an einem noch so hohen Agio keinen Anstoß. — Hochkonjunktur! Die wachsende Spekulationslust wendet sich anscheinend in steigendem Maße auch wieder den ausländischen Börsen zu. In der Regel tritt diese Spekulation an der Londoner und New-Aorker Börse nicht offen in Erscheinung. Nur wenn sie wieder einmal ein Opfer gefordert hat, das die breitere Öffent¬ lichkeit interessiert, fällt ein Licht auf den bedrohlichen Umfang und die ungeheure Gefahr dieser besonderen Art des Börsenspiels. Ist doch der aufsehenerregende Zusammenbruch der altangesehenen Bremer Firma Gebr. Plate nur auf solche Spekulationsverluste des Juniorpartners in Höhe von nicht weniger als IV2 Millionen Mark zurückzuführen! — Wenn diese Beteiligung des deutschen Publikums am ausländischen Börsenspiel einen so außer¬ ordentlichen Umfang angenommen hat, so ist dies hauptsächlich dem Umstand zu danken, daß hierfür eine weitreichende und wirksame Organisation durch besondere Vertreter und Agenten besteht. Hierauf hat auch Dernburg in seiner Broschüre hingewiesen. Es gibt in Deutschland Hunderte von sogenannten Remisiers, Vertreter Londoner und Pariser Börsenfirmen, welche angesehene und zahlungsfähige Privatpersonen, namentlich auch solche, die sich in auch nur einigermaßen gut bezahlter Stellung befinden, zum Börsenspiel auf¬ fordern und durch günstige Bedingungen zu verleiten wissen. Oft wird gar kein oder nur ein sehr geringer Einschuß für die Übernahme und Ausführung spekulativer Aufträge verlangt; eine Provision und Kosten für deutschen Schlu߬ notenstempel kommen nicht in Ansatz. Die Spekulation ist daher dem äußeren Anschein nach weit billiger als in Deutschland, denn der Auftraggeber übersieht, daß er sehr erhebliche Provisionen für das Bankhaus wie für den Remisier in einem Kursaufschlag entrichtet! — So wird das Betreten dieser höchst gefahr¬ vollen Bahn nach jeder Richtung hin erleichtert; einen Rückweg gibt es kaum, weil, solange noch eine Hoffnung besteht, erlittene Verluste wieder einzuholen, der Spekulant, gestützt auf den Rat seines Remisiers, Engagement an Engagement reiht, bis mit dem Versiegen sämtlicher Hilfsquellen das Interesse des Remisiers an seinem Opfer geschwunden ist. Wie viel Existenzen hat nicht dieser Moloch schon verschlungen! Gelänge es, diesen tiefgreifenden Schäden durch geeignete Maßnahmen vorzubeugen, so würde man dem öffentlichen Wohl einen unschätz¬ baren Dienst erweisen. In der Tat ist die Tätigkeit dieser Remisiers weit gefährlicher als die der sogenannten „Buckel-Shops", gegen welche der Zentral¬ verband des deutschen Bank- und Bankrergewerbes neuerdings einen so dankens¬ werten und erfolgreichen Feldzug eröffnet hat. Vielleicht ließe sich gegen das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/105>, abgerufen am 17.06.2024.