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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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sie so bereitwillig eSkomptiert hat, sich einstweilen nicht eingestellt hat, und daß
die Aussichten von Tag zu Tag düsterer werden. Namentlich ist die Situation
der Eisenindustrie in Amerika außerordentlich bedenklich; der Stahltrust arbeitet
nur mehr mit etwa 60 pCt. seiner Produktionsfähigkeit, die Berichte des
"Iron ÄZe" lenkten trostlos, und dementsprechend ist auch die New-Uorker Börse
einer Stagnation verfallen, die kaum mehr überboten werden kann. Bei uns
sieht es im Grunde genommen in der Industrie kaum besser aus. Zwar die
Produktionsziffern für Roheisen und Kohle steigen von Monat zu Monat --
aber der Absatz? Das Kohlensyndikat hat seine Anlage auf nicht weniger
als 12 pCt. erhöht, zum lebhaftesten Unmut der reinen Zeche", die die
Syndikatslasten allmählich unerschwinglich finden. Und alles dies nur, um die
vom Syndikat befolgte Politik der Auslandsverkäufe aufrecht erhalten zu können.
Man kann es den reinen Zechen nicht verdenken, wenn sie sich sträuben, diese
ungeheuren Opfer, die auf 50 bis 60 Millionen für das Jahr veranschlagt
werden können, in Zukunft weiter zu tragen, während die gemischten Betriebe
von dieser Steuer frei bleiben. Immer lauter ertönen die Stimmen derer,
welche einer Erneuerung des Syndikats auf dieser Grundlage widersprechen.
Die Auffassung der Industriellen spiegelt sich deutlich in der Kursbewegung
der Kohlenkuxe wieder. Namentlich die sogenannten schweren Kuxe, die sich in
den Händen der Großindustiellen selbst befinden, sind rapid zurückgegangen. So
ist das höchst bewertete Papier, der Kux "Graf Bismarck", um nicht weniger
als 18000 Mark im Preise gewichen, und bei den übrigen Zechen liegen
ähnliche Einbußen vor. Schon zeigen sich auch Ermäßigungen der Ausbeute,
und wenn eine Gewerkschaft ("Unser Fritz") eine seit vollen acht Jahren gezahlte
Quartalsallsbeute von 330 um 100 Mark herabsetzen muß, so wird man
hierin eine Erscheinung finden müssen, die zu denken gibt. Das Publikum ist
indessen einstweilen noch guten Mutes; es hält die zu hohen Kursen gekauften
Werte fest und läßt sich durch die Preisrückgänge in seiner Hoffnung auf neue
Konjunkturgewinne nicht beirre". Kein Zweifel aber kaun darüber bestehen,
daß große Posten auf Kredit gekaufter Wertpapiere sich in schwachen Händen
befinden. Es ist daher sehr leicht möglich, daß wir schon in allernächster Zeit
heftige Erschütterungen der Börse erleben werden. Setzt aber erst ein allgemeiner
Liquidationsprozcß ein, so wird mancher den bisherigen Optimismus büßen
spectator müssen.




Verantwortliche Schriftleiter-, für den politischen Teil der Herausgeber George Cleinow-Schöneberg, für den
literariichen Teil und die Redaktion Heinz Ameluug-Schöneberg. -- Mmmskriptseudnngen und Briefe werden
-mSschlichlich an die Adresse der Schriftlcitnng Berlin SV.Il, Bernbnrgcr Strada 22-1/23, erbeten, -- Sprechstunden
der Schriftleitung: Montags W--l2 Uhr, Donnerstags it--1 und -/z<t--Uhr. -- Verlag: Verlag der Grenz¬
boten G.in.b.H. in Berlin SV. N,
Druck: "Der Reichsbote" G. in. S. H, in Berlin SXV, II, Dessauer Straße 37.
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sie so bereitwillig eSkomptiert hat, sich einstweilen nicht eingestellt hat, und daß
die Aussichten von Tag zu Tag düsterer werden. Namentlich ist die Situation
der Eisenindustrie in Amerika außerordentlich bedenklich; der Stahltrust arbeitet
nur mehr mit etwa 60 pCt. seiner Produktionsfähigkeit, die Berichte des
„Iron ÄZe" lenkten trostlos, und dementsprechend ist auch die New-Uorker Börse
einer Stagnation verfallen, die kaum mehr überboten werden kann. Bei uns
sieht es im Grunde genommen in der Industrie kaum besser aus. Zwar die
Produktionsziffern für Roheisen und Kohle steigen von Monat zu Monat —
aber der Absatz? Das Kohlensyndikat hat seine Anlage auf nicht weniger
als 12 pCt. erhöht, zum lebhaftesten Unmut der reinen Zeche», die die
Syndikatslasten allmählich unerschwinglich finden. Und alles dies nur, um die
vom Syndikat befolgte Politik der Auslandsverkäufe aufrecht erhalten zu können.
Man kann es den reinen Zechen nicht verdenken, wenn sie sich sträuben, diese
ungeheuren Opfer, die auf 50 bis 60 Millionen für das Jahr veranschlagt
werden können, in Zukunft weiter zu tragen, während die gemischten Betriebe
von dieser Steuer frei bleiben. Immer lauter ertönen die Stimmen derer,
welche einer Erneuerung des Syndikats auf dieser Grundlage widersprechen.
Die Auffassung der Industriellen spiegelt sich deutlich in der Kursbewegung
der Kohlenkuxe wieder. Namentlich die sogenannten schweren Kuxe, die sich in
den Händen der Großindustiellen selbst befinden, sind rapid zurückgegangen. So
ist das höchst bewertete Papier, der Kux „Graf Bismarck", um nicht weniger
als 18000 Mark im Preise gewichen, und bei den übrigen Zechen liegen
ähnliche Einbußen vor. Schon zeigen sich auch Ermäßigungen der Ausbeute,
und wenn eine Gewerkschaft („Unser Fritz") eine seit vollen acht Jahren gezahlte
Quartalsallsbeute von 330 um 100 Mark herabsetzen muß, so wird man
hierin eine Erscheinung finden müssen, die zu denken gibt. Das Publikum ist
indessen einstweilen noch guten Mutes; es hält die zu hohen Kursen gekauften
Werte fest und läßt sich durch die Preisrückgänge in seiner Hoffnung auf neue
Konjunkturgewinne nicht beirre». Kein Zweifel aber kaun darüber bestehen,
daß große Posten auf Kredit gekaufter Wertpapiere sich in schwachen Händen
befinden. Es ist daher sehr leicht möglich, daß wir schon in allernächster Zeit
heftige Erschütterungen der Börse erleben werden. Setzt aber erst ein allgemeiner
Liquidationsprozcß ein, so wird mancher den bisherigen Optimismus büßen
spectator müssen.




Verantwortliche Schriftleiter-, für den politischen Teil der Herausgeber George Cleinow-Schöneberg, für den
literariichen Teil und die Redaktion Heinz Ameluug-Schöneberg. — Mmmskriptseudnngen und Briefe werden
-mSschlichlich an die Adresse der Schriftlcitnng Berlin SV.Il, Bernbnrgcr Strada 22-1/23, erbeten, — Sprechstunden
der Schriftleitung: Montags W—l2 Uhr, Donnerstags it—1 und -/z<t—Uhr. — Verlag: Verlag der Grenz¬
boten G.in.b.H. in Berlin SV. N,
Druck: „Der Reichsbote" G. in. S. H, in Berlin SXV, II, Dessauer Straße 37.
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[0348] Rcichsspiegcl sie so bereitwillig eSkomptiert hat, sich einstweilen nicht eingestellt hat, und daß die Aussichten von Tag zu Tag düsterer werden. Namentlich ist die Situation der Eisenindustrie in Amerika außerordentlich bedenklich; der Stahltrust arbeitet nur mehr mit etwa 60 pCt. seiner Produktionsfähigkeit, die Berichte des „Iron ÄZe" lenkten trostlos, und dementsprechend ist auch die New-Uorker Börse einer Stagnation verfallen, die kaum mehr überboten werden kann. Bei uns sieht es im Grunde genommen in der Industrie kaum besser aus. Zwar die Produktionsziffern für Roheisen und Kohle steigen von Monat zu Monat — aber der Absatz? Das Kohlensyndikat hat seine Anlage auf nicht weniger als 12 pCt. erhöht, zum lebhaftesten Unmut der reinen Zeche», die die Syndikatslasten allmählich unerschwinglich finden. Und alles dies nur, um die vom Syndikat befolgte Politik der Auslandsverkäufe aufrecht erhalten zu können. Man kann es den reinen Zechen nicht verdenken, wenn sie sich sträuben, diese ungeheuren Opfer, die auf 50 bis 60 Millionen für das Jahr veranschlagt werden können, in Zukunft weiter zu tragen, während die gemischten Betriebe von dieser Steuer frei bleiben. Immer lauter ertönen die Stimmen derer, welche einer Erneuerung des Syndikats auf dieser Grundlage widersprechen. Die Auffassung der Industriellen spiegelt sich deutlich in der Kursbewegung der Kohlenkuxe wieder. Namentlich die sogenannten schweren Kuxe, die sich in den Händen der Großindustiellen selbst befinden, sind rapid zurückgegangen. So ist das höchst bewertete Papier, der Kux „Graf Bismarck", um nicht weniger als 18000 Mark im Preise gewichen, und bei den übrigen Zechen liegen ähnliche Einbußen vor. Schon zeigen sich auch Ermäßigungen der Ausbeute, und wenn eine Gewerkschaft („Unser Fritz") eine seit vollen acht Jahren gezahlte Quartalsallsbeute von 330 um 100 Mark herabsetzen muß, so wird man hierin eine Erscheinung finden müssen, die zu denken gibt. Das Publikum ist indessen einstweilen noch guten Mutes; es hält die zu hohen Kursen gekauften Werte fest und läßt sich durch die Preisrückgänge in seiner Hoffnung auf neue Konjunkturgewinne nicht beirre». Kein Zweifel aber kaun darüber bestehen, daß große Posten auf Kredit gekaufter Wertpapiere sich in schwachen Händen befinden. Es ist daher sehr leicht möglich, daß wir schon in allernächster Zeit heftige Erschütterungen der Börse erleben werden. Setzt aber erst ein allgemeiner Liquidationsprozcß ein, so wird mancher den bisherigen Optimismus büßen spectator müssen. Verantwortliche Schriftleiter-, für den politischen Teil der Herausgeber George Cleinow-Schöneberg, für den literariichen Teil und die Redaktion Heinz Ameluug-Schöneberg. — Mmmskriptseudnngen und Briefe werden -mSschlichlich an die Adresse der Schriftlcitnng Berlin SV.Il, Bernbnrgcr Strada 22-1/23, erbeten, — Sprechstunden der Schriftleitung: Montags W—l2 Uhr, Donnerstags it—1 und -/z<t—Uhr. — Verlag: Verlag der Grenz¬ boten G.in.b.H. in Berlin SV. N, Druck: „Der Reichsbote" G. in. S. H, in Berlin SXV, II, Dessauer Straße 37.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/348>, abgerufen am 17.06.2024.