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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Die britische Reichskonferenz

etwa auch Vertreter der Kronkolonien oder Indiens der Konferenz angehören
sollten; es wurde eben der größte Wert auf die Homogenität und Gleich¬
berechtigung der Teilnehmer gelegt.

Der Konferenz steht ein Sekretariat zur Seite. Darüber hat man lange
Kämpfe geführt. Der, letzte konservative Kolonialsekretär, Mr. Lyttelton. hatte
kurz vor dem Sturz des Kabinetts Balfour deu Vorschlag gemacht, daß zur
Ergänzung der Konferenz, die ja nur alle vier Jahre für wenige Wochen
zusammentritt, eine ständige Kommission mit einem permanenten Sekretariat
geschaffen werden sollte, die gewissermaßen die Funktion der Konferenz dauernd
übernehmen würde. Dieser Vorschlag stieß ans den Widerstand Kanadas; der
kanadische Premierminister Sir Wilfried Laurier hatte konstitutionelle Bedenken,
da es nicht klar war, wem das Sekretariat politisch verantwortlich sein würde.
Die Konferenz von 1907 beschloß, daß ein ständiges Sekretariat für die Kon¬
ferenz geschaffen würde, und die Frage der Verantwortung wurde dadurch gelöst,
daß es dem englischen Kolonialsekretär unterstellt wurde.

Gerade hierüber gab es große Meinungsverschiedenheiten. Vor allem
bekämpfte der damalige australische Premierminister Mr. Deakin diesen Vorschlag.
Er wollte das Sekretariat direkt nnter den englischen Premierminister gestellt
sehen. Aber Sir Henry Campbell-Bannerman lehnte ab, da er bei seinen
übrigen Pflichten diese neue Verantwortung nicht übernehmen könnte. Der
Standpunkt Mr. Deakins war der, daß die autonomen Kolonien von dem
englischen Kolonialamt loskommen sollten; nach seiner Meinung entsprach es nicht
mehr ihrer Würde, demselben Ressort unterstellt zu sein wie die Kronkolonien,
und er fand darin die warme Unterstützung Dr. Iamesons, des Premierministers
der Kapkolonie. Aber sie drangen damit nicht durch. Das einzige, was sie
damals erreichten, war. daß das Kolonialamt eine besondere Abteilung für die
Dominions einrichtete, in der allein deren Angelegenheiten, soweit diese zur
Kompetenz der englischen Regierung gehören, bearbeitet werden. Für die Kron¬
kolonien ist eine andere Abteilung eingerichtet worden. Aber mit dieser
bescheidenen Anerkennung des höheren Ranges der Dominions waren nicht alle
Kolonien zufrieden. Zumal Mr. Deakin hat in seiner Korrespondenz mit
Downing Street seinem Standpunkt einen ziemlich schroffen Ausdruck gegeben.
Er betonte von neuem, daß die Dominions von dem Kolonialamt befreit
werden und daß ein besonderes Sekretariat geschaffen werden müßte,
das der Reichskonferenz selbst verantwortlich wäre, und dessen Kosten nicht
allein von England, sondern zum Teil auch von den Dominions aufgebracht
werden sollte. ' .

^^
In England steht man heute dieser Idee nicht mehr so ablehnend gegen¬
über wie zur Zeit Sir H. Campbell-Bannermans. Es ist neuerdings vielfach
die Rede davon gewesen, daß ein besonderes Staatssekretariat für Imperml
^irs" geschaffen werden sollte, und man glaubt, das dies neue Munstermm
bald nach der Konferenz eingerichtet werden wird.


Grenzboten II 1911
Die britische Reichskonferenz

etwa auch Vertreter der Kronkolonien oder Indiens der Konferenz angehören
sollten; es wurde eben der größte Wert auf die Homogenität und Gleich¬
berechtigung der Teilnehmer gelegt.

Der Konferenz steht ein Sekretariat zur Seite. Darüber hat man lange
Kämpfe geführt. Der, letzte konservative Kolonialsekretär, Mr. Lyttelton. hatte
kurz vor dem Sturz des Kabinetts Balfour deu Vorschlag gemacht, daß zur
Ergänzung der Konferenz, die ja nur alle vier Jahre für wenige Wochen
zusammentritt, eine ständige Kommission mit einem permanenten Sekretariat
geschaffen werden sollte, die gewissermaßen die Funktion der Konferenz dauernd
übernehmen würde. Dieser Vorschlag stieß ans den Widerstand Kanadas; der
kanadische Premierminister Sir Wilfried Laurier hatte konstitutionelle Bedenken,
da es nicht klar war, wem das Sekretariat politisch verantwortlich sein würde.
Die Konferenz von 1907 beschloß, daß ein ständiges Sekretariat für die Kon¬
ferenz geschaffen würde, und die Frage der Verantwortung wurde dadurch gelöst,
daß es dem englischen Kolonialsekretär unterstellt wurde.

Gerade hierüber gab es große Meinungsverschiedenheiten. Vor allem
bekämpfte der damalige australische Premierminister Mr. Deakin diesen Vorschlag.
Er wollte das Sekretariat direkt nnter den englischen Premierminister gestellt
sehen. Aber Sir Henry Campbell-Bannerman lehnte ab, da er bei seinen
übrigen Pflichten diese neue Verantwortung nicht übernehmen könnte. Der
Standpunkt Mr. Deakins war der, daß die autonomen Kolonien von dem
englischen Kolonialamt loskommen sollten; nach seiner Meinung entsprach es nicht
mehr ihrer Würde, demselben Ressort unterstellt zu sein wie die Kronkolonien,
und er fand darin die warme Unterstützung Dr. Iamesons, des Premierministers
der Kapkolonie. Aber sie drangen damit nicht durch. Das einzige, was sie
damals erreichten, war. daß das Kolonialamt eine besondere Abteilung für die
Dominions einrichtete, in der allein deren Angelegenheiten, soweit diese zur
Kompetenz der englischen Regierung gehören, bearbeitet werden. Für die Kron¬
kolonien ist eine andere Abteilung eingerichtet worden. Aber mit dieser
bescheidenen Anerkennung des höheren Ranges der Dominions waren nicht alle
Kolonien zufrieden. Zumal Mr. Deakin hat in seiner Korrespondenz mit
Downing Street seinem Standpunkt einen ziemlich schroffen Ausdruck gegeben.
Er betonte von neuem, daß die Dominions von dem Kolonialamt befreit
werden und daß ein besonderes Sekretariat geschaffen werden müßte,
das der Reichskonferenz selbst verantwortlich wäre, und dessen Kosten nicht
allein von England, sondern zum Teil auch von den Dominions aufgebracht
werden sollte. ' .

^^
In England steht man heute dieser Idee nicht mehr so ablehnend gegen¬
über wie zur Zeit Sir H. Campbell-Bannermans. Es ist neuerdings vielfach
die Rede davon gewesen, daß ein besonderes Staatssekretariat für Imperml
^irs" geschaffen werden sollte, und man glaubt, das dies neue Munstermm
bald nach der Konferenz eingerichtet werden wird.


Grenzboten II 1911
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[0365] Die britische Reichskonferenz etwa auch Vertreter der Kronkolonien oder Indiens der Konferenz angehören sollten; es wurde eben der größte Wert auf die Homogenität und Gleich¬ berechtigung der Teilnehmer gelegt. Der Konferenz steht ein Sekretariat zur Seite. Darüber hat man lange Kämpfe geführt. Der, letzte konservative Kolonialsekretär, Mr. Lyttelton. hatte kurz vor dem Sturz des Kabinetts Balfour deu Vorschlag gemacht, daß zur Ergänzung der Konferenz, die ja nur alle vier Jahre für wenige Wochen zusammentritt, eine ständige Kommission mit einem permanenten Sekretariat geschaffen werden sollte, die gewissermaßen die Funktion der Konferenz dauernd übernehmen würde. Dieser Vorschlag stieß ans den Widerstand Kanadas; der kanadische Premierminister Sir Wilfried Laurier hatte konstitutionelle Bedenken, da es nicht klar war, wem das Sekretariat politisch verantwortlich sein würde. Die Konferenz von 1907 beschloß, daß ein ständiges Sekretariat für die Kon¬ ferenz geschaffen würde, und die Frage der Verantwortung wurde dadurch gelöst, daß es dem englischen Kolonialsekretär unterstellt wurde. Gerade hierüber gab es große Meinungsverschiedenheiten. Vor allem bekämpfte der damalige australische Premierminister Mr. Deakin diesen Vorschlag. Er wollte das Sekretariat direkt nnter den englischen Premierminister gestellt sehen. Aber Sir Henry Campbell-Bannerman lehnte ab, da er bei seinen übrigen Pflichten diese neue Verantwortung nicht übernehmen könnte. Der Standpunkt Mr. Deakins war der, daß die autonomen Kolonien von dem englischen Kolonialamt loskommen sollten; nach seiner Meinung entsprach es nicht mehr ihrer Würde, demselben Ressort unterstellt zu sein wie die Kronkolonien, und er fand darin die warme Unterstützung Dr. Iamesons, des Premierministers der Kapkolonie. Aber sie drangen damit nicht durch. Das einzige, was sie damals erreichten, war. daß das Kolonialamt eine besondere Abteilung für die Dominions einrichtete, in der allein deren Angelegenheiten, soweit diese zur Kompetenz der englischen Regierung gehören, bearbeitet werden. Für die Kron¬ kolonien ist eine andere Abteilung eingerichtet worden. Aber mit dieser bescheidenen Anerkennung des höheren Ranges der Dominions waren nicht alle Kolonien zufrieden. Zumal Mr. Deakin hat in seiner Korrespondenz mit Downing Street seinem Standpunkt einen ziemlich schroffen Ausdruck gegeben. Er betonte von neuem, daß die Dominions von dem Kolonialamt befreit werden und daß ein besonderes Sekretariat geschaffen werden müßte, das der Reichskonferenz selbst verantwortlich wäre, und dessen Kosten nicht allein von England, sondern zum Teil auch von den Dominions aufgebracht werden sollte. ' . ^^ In England steht man heute dieser Idee nicht mehr so ablehnend gegen¬ über wie zur Zeit Sir H. Campbell-Bannermans. Es ist neuerdings vielfach die Rede davon gewesen, daß ein besonderes Staatssekretariat für Imperml ^irs" geschaffen werden sollte, und man glaubt, das dies neue Munstermm bald nach der Konferenz eingerichtet werden wird. Grenzboten II 1911

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/365>, abgerufen am 17.06.2024.