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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Alte Beziehungen zwischen dem Indien des Ostens und Europa

machten sich schlaue Holländer im Archipel breit, Gott Mammon allein huldigend
und mehr durch das stets befolgte "clivicts et impera", als durch Gewaltakte
die Herrschaft über jenen an köstlichen und goldenen Naturgaben so reichen
Winkel der Welt an sich bringend. Die eine wie die andere von diesen Nationen
hat nun mehr oder weniger tiefe Spuren in den: Völkerleben der Malaienländer
hinterlassen, umgekehrt aber hat auch nicht eine von ihnen, bei der namentlich
in früherer Zeit sehr tiefstehenden Kulturstufe der letzteren, malaiische Sitten,
Gewohnheiten, Einrichtungen oder Kulturerrungenschaften dabei übernommen.
Abgesehen von wahrem oder auch erheuchelten religiösen Bekehrungseifer erschienen
den Jndiafahrern von einst bis jetzt die Eingeborenen auf jenen fernen Eilanden
eigentlich nur mehr als Kuriosa und nebenbei auch zweibeinige Arbeitsmaschinen
zum Gewinnen und Einsammeln von wertvollen Naturerzeugnissen, wie das ein
holländischer Schriftsteller treffend gerade von seinen kolonisierenden Landsleuten
dort im Oriente sagt. Nur die alten Hindus, die einzigen wirklichen Koloni¬
satoren im Archipel, machten hiervon eine glänzende Ausnahme. Aber auch sie
haben ganz ohne Frage aus dem Vollen von all den wunderbaren Naturgaben
geschöpft, von welchen der indische Archipel solange eine wahre Schatzkammer
gewesen ist, von der Goldinsel Suwarna dvipa oder Sumatra im Westen an
bis zu den Spezerei- oder Gewürzinseln, den Molukken, im Osten.

Wie früh einzelne Handelswaren ihren Weg direkt oder indirekt aus dem
kontinentalen Indien nach unserem Erdteil gefunden haben, dürfte unter anderem
schon der Umstand beweisen, daß in den Homerischen Gesängen, also etwa
1000 Jahre v. Chr.. das zur Bronzedarstellung nötige Zinn mit einem dem
Sanskritworte Kastira verwandten Namen, Kassiteros, belegt wird. Auch das
Wort Elephas für Elfenbein, das in die altgrichische Sprache bereits sehr früh
aufgenommen erscheint, könnte man in gleichem Sinne deuten; denn es dürfte
sich aus dem arabischen eleph herleiten, nämlich ans el und dem Sanskritworte
idem, welches den domestizierten Elefanten bezeichnet.

Auch ein Haustier will ich hier nennen, das aus einer wilden Form
hervorgegangen ist, die nur das kontinentale Indien und die malaiischen Inseln
bewohnt haben und schon sehr frühzeitig nach Europa übergebracht sein muß. Es
ist dieses unser von dem (Zallus bankiwg, abstammendes Haushuhn. Den alten
Syriern galt der Haushahn als Symbol des Sonnengottes und in den Gesängen
des Pindar (518 bis 446 v. Chr.) werden schon Hahnenkämpfe als Volks¬
belustigung erwähnt. Zu Cäsars Zeit wurde der Haushahn, freilich mehr als
Schaustück und Kuriosum in Käfigen, bereits in Britannien und Germanien
gehalten, und als Vogel des Tor ist er auch schon gewiß sehr lange in Deutsch¬
land bekannt.

Für verschiedene Handelsprodukte ist sichtlich das alte Ägypten der Ver¬
mittler zwischen Indien und Europa gewesen, doch ist es zuweilen sehr schwer,
wenn nicht überhaupt unmöglich, zu sagen, ob dieses oder jenes uralte Kultur¬
erzeugnis, wie z. B. die Cerealie des Reis (Or^a sativa), aus Indien nach


Grenzboten II 1911 50
Alte Beziehungen zwischen dem Indien des Ostens und Europa

machten sich schlaue Holländer im Archipel breit, Gott Mammon allein huldigend
und mehr durch das stets befolgte „clivicts et impera", als durch Gewaltakte
die Herrschaft über jenen an köstlichen und goldenen Naturgaben so reichen
Winkel der Welt an sich bringend. Die eine wie die andere von diesen Nationen
hat nun mehr oder weniger tiefe Spuren in den: Völkerleben der Malaienländer
hinterlassen, umgekehrt aber hat auch nicht eine von ihnen, bei der namentlich
in früherer Zeit sehr tiefstehenden Kulturstufe der letzteren, malaiische Sitten,
Gewohnheiten, Einrichtungen oder Kulturerrungenschaften dabei übernommen.
Abgesehen von wahrem oder auch erheuchelten religiösen Bekehrungseifer erschienen
den Jndiafahrern von einst bis jetzt die Eingeborenen auf jenen fernen Eilanden
eigentlich nur mehr als Kuriosa und nebenbei auch zweibeinige Arbeitsmaschinen
zum Gewinnen und Einsammeln von wertvollen Naturerzeugnissen, wie das ein
holländischer Schriftsteller treffend gerade von seinen kolonisierenden Landsleuten
dort im Oriente sagt. Nur die alten Hindus, die einzigen wirklichen Koloni¬
satoren im Archipel, machten hiervon eine glänzende Ausnahme. Aber auch sie
haben ganz ohne Frage aus dem Vollen von all den wunderbaren Naturgaben
geschöpft, von welchen der indische Archipel solange eine wahre Schatzkammer
gewesen ist, von der Goldinsel Suwarna dvipa oder Sumatra im Westen an
bis zu den Spezerei- oder Gewürzinseln, den Molukken, im Osten.

Wie früh einzelne Handelswaren ihren Weg direkt oder indirekt aus dem
kontinentalen Indien nach unserem Erdteil gefunden haben, dürfte unter anderem
schon der Umstand beweisen, daß in den Homerischen Gesängen, also etwa
1000 Jahre v. Chr.. das zur Bronzedarstellung nötige Zinn mit einem dem
Sanskritworte Kastira verwandten Namen, Kassiteros, belegt wird. Auch das
Wort Elephas für Elfenbein, das in die altgrichische Sprache bereits sehr früh
aufgenommen erscheint, könnte man in gleichem Sinne deuten; denn es dürfte
sich aus dem arabischen eleph herleiten, nämlich ans el und dem Sanskritworte
idem, welches den domestizierten Elefanten bezeichnet.

Auch ein Haustier will ich hier nennen, das aus einer wilden Form
hervorgegangen ist, die nur das kontinentale Indien und die malaiischen Inseln
bewohnt haben und schon sehr frühzeitig nach Europa übergebracht sein muß. Es
ist dieses unser von dem (Zallus bankiwg, abstammendes Haushuhn. Den alten
Syriern galt der Haushahn als Symbol des Sonnengottes und in den Gesängen
des Pindar (518 bis 446 v. Chr.) werden schon Hahnenkämpfe als Volks¬
belustigung erwähnt. Zu Cäsars Zeit wurde der Haushahn, freilich mehr als
Schaustück und Kuriosum in Käfigen, bereits in Britannien und Germanien
gehalten, und als Vogel des Tor ist er auch schon gewiß sehr lange in Deutsch¬
land bekannt.

Für verschiedene Handelsprodukte ist sichtlich das alte Ägypten der Ver¬
mittler zwischen Indien und Europa gewesen, doch ist es zuweilen sehr schwer,
wenn nicht überhaupt unmöglich, zu sagen, ob dieses oder jenes uralte Kultur¬
erzeugnis, wie z. B. die Cerealie des Reis (Or^a sativa), aus Indien nach


Grenzboten II 1911 50
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[0405] Alte Beziehungen zwischen dem Indien des Ostens und Europa machten sich schlaue Holländer im Archipel breit, Gott Mammon allein huldigend und mehr durch das stets befolgte „clivicts et impera", als durch Gewaltakte die Herrschaft über jenen an köstlichen und goldenen Naturgaben so reichen Winkel der Welt an sich bringend. Die eine wie die andere von diesen Nationen hat nun mehr oder weniger tiefe Spuren in den: Völkerleben der Malaienländer hinterlassen, umgekehrt aber hat auch nicht eine von ihnen, bei der namentlich in früherer Zeit sehr tiefstehenden Kulturstufe der letzteren, malaiische Sitten, Gewohnheiten, Einrichtungen oder Kulturerrungenschaften dabei übernommen. Abgesehen von wahrem oder auch erheuchelten religiösen Bekehrungseifer erschienen den Jndiafahrern von einst bis jetzt die Eingeborenen auf jenen fernen Eilanden eigentlich nur mehr als Kuriosa und nebenbei auch zweibeinige Arbeitsmaschinen zum Gewinnen und Einsammeln von wertvollen Naturerzeugnissen, wie das ein holländischer Schriftsteller treffend gerade von seinen kolonisierenden Landsleuten dort im Oriente sagt. Nur die alten Hindus, die einzigen wirklichen Koloni¬ satoren im Archipel, machten hiervon eine glänzende Ausnahme. Aber auch sie haben ganz ohne Frage aus dem Vollen von all den wunderbaren Naturgaben geschöpft, von welchen der indische Archipel solange eine wahre Schatzkammer gewesen ist, von der Goldinsel Suwarna dvipa oder Sumatra im Westen an bis zu den Spezerei- oder Gewürzinseln, den Molukken, im Osten. Wie früh einzelne Handelswaren ihren Weg direkt oder indirekt aus dem kontinentalen Indien nach unserem Erdteil gefunden haben, dürfte unter anderem schon der Umstand beweisen, daß in den Homerischen Gesängen, also etwa 1000 Jahre v. Chr.. das zur Bronzedarstellung nötige Zinn mit einem dem Sanskritworte Kastira verwandten Namen, Kassiteros, belegt wird. Auch das Wort Elephas für Elfenbein, das in die altgrichische Sprache bereits sehr früh aufgenommen erscheint, könnte man in gleichem Sinne deuten; denn es dürfte sich aus dem arabischen eleph herleiten, nämlich ans el und dem Sanskritworte idem, welches den domestizierten Elefanten bezeichnet. Auch ein Haustier will ich hier nennen, das aus einer wilden Form hervorgegangen ist, die nur das kontinentale Indien und die malaiischen Inseln bewohnt haben und schon sehr frühzeitig nach Europa übergebracht sein muß. Es ist dieses unser von dem (Zallus bankiwg, abstammendes Haushuhn. Den alten Syriern galt der Haushahn als Symbol des Sonnengottes und in den Gesängen des Pindar (518 bis 446 v. Chr.) werden schon Hahnenkämpfe als Volks¬ belustigung erwähnt. Zu Cäsars Zeit wurde der Haushahn, freilich mehr als Schaustück und Kuriosum in Käfigen, bereits in Britannien und Germanien gehalten, und als Vogel des Tor ist er auch schon gewiß sehr lange in Deutsch¬ land bekannt. Für verschiedene Handelsprodukte ist sichtlich das alte Ägypten der Ver¬ mittler zwischen Indien und Europa gewesen, doch ist es zuweilen sehr schwer, wenn nicht überhaupt unmöglich, zu sagen, ob dieses oder jenes uralte Kultur¬ erzeugnis, wie z. B. die Cerealie des Reis (Or^a sativa), aus Indien nach Grenzboten II 1911 50

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/405>, abgerufen am 17.06.2024.