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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Alte Beziehungen zwischen dem Indien des Gödens und Europa

Bengalen, wie es scheint, einheimisch^). Seit ältester Zeit ist dieser Teil von
Indien auch schon als (Zur, d. i. ,das "Zuckerkand", bekannt, mit seiner alten
Hauptstadt Gur im Süden von Nadjamahal, deren Ruinen uns durch Buchanan
Hamilton bekannt geworden sind. Auch sagt Marco Polo, daß (um
das Jahr 1300 n. Chr.) Rohrzucker schon ein Hauptprodukt des Landes von
Bengalen war.

Als ein zweites, sehr altes Zentrum der Rohrzuckerindustrie, dessen Ent¬
stehung sich gar wohl durch den lebhaften Handelsverkehr zwischen Bengalen
und dem Persischen Meerbusen erklären läßt, ist nun merkwürdigerweise ein
Landstrich westlich des Indus anzusehen, nämlich Curistan. Hier lag am Kurcm-
flusse Ahwaz, die zweite blühende und reiche Zuckerstadt, das alte Susiana.
Von dort aus begann, wenn nicht schon im achten, dann doch zu Ende des
neunten Jahrhunderts, die Ausfuhr von Rohrzucker namentlich nach dem Norden
und Nordwesten, von dort kam er als Sakkara, als Saccharum in den Handel.
Meiner Ansicht nach liegt nun ein gewisser Hinweis auf die lebhaften Handels¬
beziehungen zwischen dem persischen Golf bezw. Vorderindien und der schon
früh unter der Hinduherrschaft auf hoher Kulturstufe stehenden Insel Java (die
wohl damals einen großen Teil des Handels von und nach den Molukken, den
Gewürzinseln, an sich gezogen hatte) darin, daß sich in der javanischen Sprache
das Wort Kara (zweifellos entstanden aus 8aKKara) eingebürgert und erhalten
hat, wo doch sonst Aula das allgemeine malaiische Wort für Zucker ist.

KHn-t8Luc heißt (nach dem Knäng-pu-ki-Manuskripte) das Zuckerrohr in
Fokian und in Südchina. Diese Benennung, wahrscheinlich übernommen direkt
aus der Heimat der Zuckerrohrkultur (charakterisiert durch die vielen gänzlich
verschiedenen Namen für die dort eben heimische Kulturpflanze), ist nun, wie das
sanskritische SaKKara auf den Westen, auf den Nordosten durch ganz China und
Japan übertragen, wie H. Ritter sagt.

Darin dürfte dieser treffliche, gründliche Forscher aber doch wohl irren,
wenn er es für Zufall hält, daß die vornehme, höfische Sprache der Javanen
das Wort Kandis oder Gandis, Gendis für Rohrzucker hat. Ich möchte glauben,
daß dieses Wort entweder von dem nach Bopp und Wilson ebenfalls echten
SansKitworte für Rohrzucker Klikmäa herrührt, oder daß es chinesischen Ursprungs
ist. Ist das erstere der Fall, dann ist das Wort unter vielen anderen mit
bezeichnend für den weitgehenden Einfluß, welchen Sanskrit sprechende Brahmanen
dereinst auf die Kultur von Java ausgeübt haben; ist die letzte Annahme aber
die richtige, dann würde dadurch bestätigt, was bereits Numphius, der "indische
Plinius", sagt, daß schon zu seiner Zeit "chinesische Zuckcrsieder und zwar seit
langen: ihr Gewerbe auf Java betrieben".



*) Ma" geht vielleicht nicht fehl, wenn man Saceliarum spontaneum, welches sich in
seiner Verbreitung mit der des S, okkicinarum, wenigstens nach Osten hin, deckt und welches,
wie ich hörte, auf Jcwa mit letztgenannter Art Hybriden geliefert hat, als die Stammform
des Zuckerrohrs ansieht.
Alte Beziehungen zwischen dem Indien des Gödens und Europa

Bengalen, wie es scheint, einheimisch^). Seit ältester Zeit ist dieser Teil von
Indien auch schon als (Zur, d. i. ,das „Zuckerkand", bekannt, mit seiner alten
Hauptstadt Gur im Süden von Nadjamahal, deren Ruinen uns durch Buchanan
Hamilton bekannt geworden sind. Auch sagt Marco Polo, daß (um
das Jahr 1300 n. Chr.) Rohrzucker schon ein Hauptprodukt des Landes von
Bengalen war.

Als ein zweites, sehr altes Zentrum der Rohrzuckerindustrie, dessen Ent¬
stehung sich gar wohl durch den lebhaften Handelsverkehr zwischen Bengalen
und dem Persischen Meerbusen erklären läßt, ist nun merkwürdigerweise ein
Landstrich westlich des Indus anzusehen, nämlich Curistan. Hier lag am Kurcm-
flusse Ahwaz, die zweite blühende und reiche Zuckerstadt, das alte Susiana.
Von dort aus begann, wenn nicht schon im achten, dann doch zu Ende des
neunten Jahrhunderts, die Ausfuhr von Rohrzucker namentlich nach dem Norden
und Nordwesten, von dort kam er als Sakkara, als Saccharum in den Handel.
Meiner Ansicht nach liegt nun ein gewisser Hinweis auf die lebhaften Handels¬
beziehungen zwischen dem persischen Golf bezw. Vorderindien und der schon
früh unter der Hinduherrschaft auf hoher Kulturstufe stehenden Insel Java (die
wohl damals einen großen Teil des Handels von und nach den Molukken, den
Gewürzinseln, an sich gezogen hatte) darin, daß sich in der javanischen Sprache
das Wort Kara (zweifellos entstanden aus 8aKKara) eingebürgert und erhalten
hat, wo doch sonst Aula das allgemeine malaiische Wort für Zucker ist.

KHn-t8Luc heißt (nach dem Knäng-pu-ki-Manuskripte) das Zuckerrohr in
Fokian und in Südchina. Diese Benennung, wahrscheinlich übernommen direkt
aus der Heimat der Zuckerrohrkultur (charakterisiert durch die vielen gänzlich
verschiedenen Namen für die dort eben heimische Kulturpflanze), ist nun, wie das
sanskritische SaKKara auf den Westen, auf den Nordosten durch ganz China und
Japan übertragen, wie H. Ritter sagt.

Darin dürfte dieser treffliche, gründliche Forscher aber doch wohl irren,
wenn er es für Zufall hält, daß die vornehme, höfische Sprache der Javanen
das Wort Kandis oder Gandis, Gendis für Rohrzucker hat. Ich möchte glauben,
daß dieses Wort entweder von dem nach Bopp und Wilson ebenfalls echten
SansKitworte für Rohrzucker Klikmäa herrührt, oder daß es chinesischen Ursprungs
ist. Ist das erstere der Fall, dann ist das Wort unter vielen anderen mit
bezeichnend für den weitgehenden Einfluß, welchen Sanskrit sprechende Brahmanen
dereinst auf die Kultur von Java ausgeübt haben; ist die letzte Annahme aber
die richtige, dann würde dadurch bestätigt, was bereits Numphius, der „indische
Plinius", sagt, daß schon zu seiner Zeit „chinesische Zuckcrsieder und zwar seit
langen: ihr Gewerbe auf Java betrieben".



*) Ma» geht vielleicht nicht fehl, wenn man Saceliarum spontaneum, welches sich in
seiner Verbreitung mit der des S, okkicinarum, wenigstens nach Osten hin, deckt und welches,
wie ich hörte, auf Jcwa mit letztgenannter Art Hybriden geliefert hat, als die Stammform
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/414>, abgerufen am 09.06.2024.