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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Gin deutsches Auswanderungsamt

gehören, wie man annehmen kaun, die deutschen Auswanderer im Durchschnitt
zu den Intelligenteren und persönlich auf ihre eigene Kraft Vertrauenden,
aber doch auch zu denen, die auf deu Zusammenhang mit der Heimat und die
deutsche Staatsangehörigkeit keinen besonderen und jedenfalls keinen größeren
Wert als auf ihr materielles Vorwärtskommen legen. Das mag bedauerlich
sein, sollte aber doch nicht übersehen werden und dahin führen, daß das neue
Staatsangehörigkeitsgesetz irgendwie ergänzt wird, damit, soweit als möglich,
die deutschen Auswanderer, gelegentlich auch unbewußt, zur Erstarrung des
Deutschtums im Auslande und zur Förderung unserer Weltinteressen beitragen.

Dabei wäre in erster Linie wohl an eine Ablenkung geeigneter Elemente
in deutsche Schutzgebiete zu denken durch Gewährung besonderer Vergünstigungen,
ferner an eine Ablenkung der Auswanderung in Teile des Auslandes, in denen
schon zahlreiche Deutsche angesiedelt sind, das heißt mit anderen Worten: Durch
Schaffung eines Auswanderungsamtes muß die deutsche Auswanderung organi¬
siert werden im Sinne unserer nationalen Weltpolitik I Vergessen aber darf
dabei nicht werden, daß die Hauptaufgabe auf kulturellen Gebiet liegt, und
daß die deutsche Sprache das Band ist, welches das Deutschtum in aller Welt
zusammenzuhalten allein befähigt ist.

Die Forderung eines Reichs-Auswanderungsamtes ist übrigens nicht neu.
Sie wurde schon vor Jahren sehr dringend vom Altdeutschen Verband gestellt,
der dein Reichskanzler sogar einen in seinen Grundlagen brauchbaren Gesetz¬
entwurf vorlegte, in dem die großen nationalen Aufgaben eines solchen Amtes
deutlich gezeigt wurden. Seither aber ist diese Forderung infolge der günstigen
Entwicklung unserer Schutzgebiete immer dringender geworden; sie ist im Augen¬
blick geradezu aktuell, da sie möglichst gleichzeitig mit der Beratung des Staats¬
angehörigkeitsgesetzes erörtert werden sollte, zu dessen Ergänzung das Aus-
wauderungsamt notwendig ist.

Als Sitz dieses Auswanderungsamtes käme in erster Linie Hamburg in
Frage, ja vielleicht sogar ausschließlich, da vou hier schon jetzt die meisten
Verbindungen in die deutscheu Schutzgebiete und die deutschen Siedlungen im
Auslande, z. B. in Südamerika, lnufeu. Daß die Aufgaben eines Auswauderungs-
amtes aber nur von einem Reichsamt gelöst werden können, dürfte nach dem
Vorhergesagten wohl klar sein. Es entspricht nicht der Würde des Deutschen
Reiches, daß fortan wie bisher die ganze Auswandererfürsorge und die ziel¬
bewußte Organisation der deutschen Auswanderung, ferner die Förderung
deutscher wirtschaftlicher und kultureller Interessen im Altslande entweder ganz
vernachlässigt oder privaten kolonialen oder konfessionellen Vereinen und Organen
überlassen bleibt. Die bisherigen Verdienste dieser sollen gewiß nicht unterschätzt
werden, aber z. B. schon der mit Einnahmen (aus freiwilligen Gaben) und
Ausgaben von rund 10000 Mark jährlich rechnende Etat des Evangelischen
Hauptvereins für deutsche Auswanderer läßt erkennen, daß auf diesem wichtigen
Gebiet deutscher Weltpolitik und nationaler Weltwirtschaft nur mit ausreichenden


Gin deutsches Auswanderungsamt

gehören, wie man annehmen kaun, die deutschen Auswanderer im Durchschnitt
zu den Intelligenteren und persönlich auf ihre eigene Kraft Vertrauenden,
aber doch auch zu denen, die auf deu Zusammenhang mit der Heimat und die
deutsche Staatsangehörigkeit keinen besonderen und jedenfalls keinen größeren
Wert als auf ihr materielles Vorwärtskommen legen. Das mag bedauerlich
sein, sollte aber doch nicht übersehen werden und dahin führen, daß das neue
Staatsangehörigkeitsgesetz irgendwie ergänzt wird, damit, soweit als möglich,
die deutschen Auswanderer, gelegentlich auch unbewußt, zur Erstarrung des
Deutschtums im Auslande und zur Förderung unserer Weltinteressen beitragen.

Dabei wäre in erster Linie wohl an eine Ablenkung geeigneter Elemente
in deutsche Schutzgebiete zu denken durch Gewährung besonderer Vergünstigungen,
ferner an eine Ablenkung der Auswanderung in Teile des Auslandes, in denen
schon zahlreiche Deutsche angesiedelt sind, das heißt mit anderen Worten: Durch
Schaffung eines Auswanderungsamtes muß die deutsche Auswanderung organi¬
siert werden im Sinne unserer nationalen Weltpolitik I Vergessen aber darf
dabei nicht werden, daß die Hauptaufgabe auf kulturellen Gebiet liegt, und
daß die deutsche Sprache das Band ist, welches das Deutschtum in aller Welt
zusammenzuhalten allein befähigt ist.

Die Forderung eines Reichs-Auswanderungsamtes ist übrigens nicht neu.
Sie wurde schon vor Jahren sehr dringend vom Altdeutschen Verband gestellt,
der dein Reichskanzler sogar einen in seinen Grundlagen brauchbaren Gesetz¬
entwurf vorlegte, in dem die großen nationalen Aufgaben eines solchen Amtes
deutlich gezeigt wurden. Seither aber ist diese Forderung infolge der günstigen
Entwicklung unserer Schutzgebiete immer dringender geworden; sie ist im Augen¬
blick geradezu aktuell, da sie möglichst gleichzeitig mit der Beratung des Staats¬
angehörigkeitsgesetzes erörtert werden sollte, zu dessen Ergänzung das Aus-
wauderungsamt notwendig ist.

Als Sitz dieses Auswanderungsamtes käme in erster Linie Hamburg in
Frage, ja vielleicht sogar ausschließlich, da vou hier schon jetzt die meisten
Verbindungen in die deutscheu Schutzgebiete und die deutschen Siedlungen im
Auslande, z. B. in Südamerika, lnufeu. Daß die Aufgaben eines Auswauderungs-
amtes aber nur von einem Reichsamt gelöst werden können, dürfte nach dem
Vorhergesagten wohl klar sein. Es entspricht nicht der Würde des Deutschen
Reiches, daß fortan wie bisher die ganze Auswandererfürsorge und die ziel¬
bewußte Organisation der deutschen Auswanderung, ferner die Förderung
deutscher wirtschaftlicher und kultureller Interessen im Altslande entweder ganz
vernachlässigt oder privaten kolonialen oder konfessionellen Vereinen und Organen
überlassen bleibt. Die bisherigen Verdienste dieser sollen gewiß nicht unterschätzt
werden, aber z. B. schon der mit Einnahmen (aus freiwilligen Gaben) und
Ausgaben von rund 10000 Mark jährlich rechnende Etat des Evangelischen
Hauptvereins für deutsche Auswanderer läßt erkennen, daß auf diesem wichtigen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/622>, abgerufen am 17.06.2024.