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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Das Glück des Hauses Rottland

jungen Frau ins Gewissen zu reden und sie zur Rückkehr nach Haus Rottland
zu bewegen.

Der Pater war froh, seinem Gönner wieder einmal einen Dienst erweisen
zu können, denn bei der Geburt des Sohnes hatte der Freiherr dem Kollegium
zu Münstereifel ein ansehnliches Stück Waldes zur immerwährenden Nutznießung
überwiesen. Außerdem hatte es für den geistlichen Herrn einen eigenen Reiz, in
die Höhle des calvinistischen Löwen zu dringen und ihm seine Beute gleichsam
aus den Krallen zu reißen. Gelang es ihm, Merge zu sprechen, so durfte er, wie
er meinte, des Erfolges sicher sein, denn er wußte, welche Macht seine eindringliche
Beredsamkeit auf weibliche Gemüter ausübte.

Es kam jedoch anders. Die junge Sünderin weigerte sich auf das Entschiedenste,
ihn zu sehen, und ließ ihm durch Herrn Mathias sagen, es sei ihr herzlich leid,
ihren guten Eheherrn, der ihr nie ein böses Wort gesagt, durch ihr Entweichen
gekränkt zu haben. Solange jedoch die Schwägerinnen im Hause seien, könne sie
nicht daran denken, zu ihm zurückzukommen. Daß es für das Kind nicht gut sei.
wenn es ohne Mutter aufwachse, wisse sie selbst am besten, und sie bäte deshalb,
es ihr, je eher desto lieber, wohlverwahrt mit der Kutsche zu schicken.

"Sie sehen selbst, man pere," schloß Herr v. Pallandt, "daß macksms ma
laute ihre rösvlution gefaßt hat. Ich habe kein Recht, mich in die akkairs zu
mengen, und kann Ihnen nur die assurance geben, daß der kleine Ferdinand in
meinem Hause keine schlechtere Aufnahme finden würde als seine Mutter."

Er zuckte unter verbindlichem Lächeln die Achseln und geleitete den enttäuschten
Pater bis an das Hoftor.

Die Antwort, die der geistliche Vermittler heimbrachte, ließ an Deutlichkeit
nichts zu wünschen übrig. Herr Salentin wurde sich jetzt der ganzen Schwere
seines Unglückes bewußt, war jedoch entschlossen, sich um keinen Preis von dem
Kinde zu trennen. Die Zumutung, er solle den Knaben herausgeben, schien ihm
beinahe mehr Schmerz zu bereiten als alles übrige.

Nach den Gerüchten, die in der Gegend umgingen, und die natürlich auch bis
nach Haus Rottland drangen, durfte man leider nicht mehr daran zweifeln, daß
die Beziehungen, in denen die beiden jungen Menschen in Wachendorf zueinander
standen, doch wesentlich anderer Natur waren als das Verhältnis eines Schirm¬
herrn zu seiner Schutzbefohlenen."

"Nun muß ich mich doch wohl davon persuadieren, daß ich sie verloren habe.
bemerkte der Freiherr, als wieder einmal das Gespräch auf Merge kam, wehmütig
SU den Schwestern. "Ich will aber Gott dafür danken, daß er mir wenigstens
meinen Sohn gelassen hat," setzte er hinzu, indem er an die Wiege trat und mit
feuchten Angen das friedlich schlafende Kind betrachtete.

"Bist du sicher, daß es dein Sohn ist?" fragte die Gubernatorin mit
bedeutsamem Lächeln.

Der alte Herr zuckte zusammen. Dann sagte er bitter:

"Weiß Gott, nella. du bist schuld daran, wenn ich in Versuchung komme.
SU hoffen, er möchte doch taubstumm sein!" (Schluß folgt)




Das Glück des Hauses Rottland

jungen Frau ins Gewissen zu reden und sie zur Rückkehr nach Haus Rottland
zu bewegen.

Der Pater war froh, seinem Gönner wieder einmal einen Dienst erweisen
zu können, denn bei der Geburt des Sohnes hatte der Freiherr dem Kollegium
zu Münstereifel ein ansehnliches Stück Waldes zur immerwährenden Nutznießung
überwiesen. Außerdem hatte es für den geistlichen Herrn einen eigenen Reiz, in
die Höhle des calvinistischen Löwen zu dringen und ihm seine Beute gleichsam
aus den Krallen zu reißen. Gelang es ihm, Merge zu sprechen, so durfte er, wie
er meinte, des Erfolges sicher sein, denn er wußte, welche Macht seine eindringliche
Beredsamkeit auf weibliche Gemüter ausübte.

Es kam jedoch anders. Die junge Sünderin weigerte sich auf das Entschiedenste,
ihn zu sehen, und ließ ihm durch Herrn Mathias sagen, es sei ihr herzlich leid,
ihren guten Eheherrn, der ihr nie ein böses Wort gesagt, durch ihr Entweichen
gekränkt zu haben. Solange jedoch die Schwägerinnen im Hause seien, könne sie
nicht daran denken, zu ihm zurückzukommen. Daß es für das Kind nicht gut sei.
wenn es ohne Mutter aufwachse, wisse sie selbst am besten, und sie bäte deshalb,
es ihr, je eher desto lieber, wohlverwahrt mit der Kutsche zu schicken.

„Sie sehen selbst, man pere," schloß Herr v. Pallandt, „daß macksms ma
laute ihre rösvlution gefaßt hat. Ich habe kein Recht, mich in die akkairs zu
mengen, und kann Ihnen nur die assurance geben, daß der kleine Ferdinand in
meinem Hause keine schlechtere Aufnahme finden würde als seine Mutter."

Er zuckte unter verbindlichem Lächeln die Achseln und geleitete den enttäuschten
Pater bis an das Hoftor.

Die Antwort, die der geistliche Vermittler heimbrachte, ließ an Deutlichkeit
nichts zu wünschen übrig. Herr Salentin wurde sich jetzt der ganzen Schwere
seines Unglückes bewußt, war jedoch entschlossen, sich um keinen Preis von dem
Kinde zu trennen. Die Zumutung, er solle den Knaben herausgeben, schien ihm
beinahe mehr Schmerz zu bereiten als alles übrige.

Nach den Gerüchten, die in der Gegend umgingen, und die natürlich auch bis
nach Haus Rottland drangen, durfte man leider nicht mehr daran zweifeln, daß
die Beziehungen, in denen die beiden jungen Menschen in Wachendorf zueinander
standen, doch wesentlich anderer Natur waren als das Verhältnis eines Schirm¬
herrn zu seiner Schutzbefohlenen."

„Nun muß ich mich doch wohl davon persuadieren, daß ich sie verloren habe.
bemerkte der Freiherr, als wieder einmal das Gespräch auf Merge kam, wehmütig
SU den Schwestern. „Ich will aber Gott dafür danken, daß er mir wenigstens
meinen Sohn gelassen hat," setzte er hinzu, indem er an die Wiege trat und mit
feuchten Angen das friedlich schlafende Kind betrachtete.

„Bist du sicher, daß es dein Sohn ist?" fragte die Gubernatorin mit
bedeutsamem Lächeln.

Der alte Herr zuckte zusammen. Dann sagte er bitter:

»Weiß Gott, nella. du bist schuld daran, wenn ich in Versuchung komme.
SU hoffen, er möchte doch taubstumm sein!" (Schluß folgt)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/411>, abgerufen am 27.05.2024.