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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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erfüllt sie, indem er immer aufs neue einzelne
Stücke in ihren Grundgedanken und einzelne
Personen als Trüger derselben Idee zusam¬
menrückt und in solcher Gruppierung die
Wiederkehr "ur weniger Probleme zeigt, zu¬
gleich aber auch ihre Weiterbildung und Ver¬
tiefung, ihre Erneuerung in feinsten Spielarten
(Ibsen Stute, Ibsen Julian, Ibsen --^
Solneß. HjördiS---- Rebekka ^ Hilde, Hjördis---
Heddn, Daguy-^THea). -- In literarischen
Vergleichen ist der Verfasser sparsam; auf
Holberg wird hingewiesen, Augiers Vernouillet
neben Stensgaard gestellt, der Einfluß der
Frauenrechtlerin CcimillaCollett erwogen. Mo¬
delle werden kurz gestreift, so das Urbild der
Nora und des Volksfeindes, die Ehe des
Grafen Blank in ihrem Einfluß auf den Gruud-
Plcm von RosmerSholm, die Plimsollsche"
Sorge als die Todessegler in den Stützen
der Gesellschaft, Gerhart Hauptmann als
Nngnar im Solneß. Neben solchen gelegent¬
lichen Ausblicken mußte es dem ausgezeichneten
Gelehrten in der Hauptsache darauf ankommen,
dem Dramatiker und deinProblemntiker gerecht
zu werden, dem Künstler und dem Denker,
dein Manne, der neue Menschen in neuer Form
darstellte. Woerners Analysen beweisen, daß
er den ästhetischen, Psychologischen und sozialen
Problemen auf den Grund gegangen ist, daß
er sie durchgefühlt und durchgedncht, daß er
jahrelang mit den Personen der Stücke zu¬
sammengelebt hat. Ein leuchtendes Beispiel
für alte derartigen Untersuchungen ist nament¬
lich die meisterhafte Analyse vonRosmershvlm.
Wie hier das Allgemeine im Besonderen nach¬
gewiesen wird: Rofners Sphäre -- der Zu¬
stand, des germanischen Christentums in seiner
fortgeschrittensten ethischen Verfeinerung, Re-
bettas Schicksal -- das wichtigste Erlebnis
der germanischen Menschheit, ihre Zähmung
und Bekehrung zum Christentum, das bezeugt
die Höhe des Standpunktes, der hier gewonnen
wurde, und die Schärfe des Blickes, der den
weitesten Umkreis des Horizontes wie das
kleinste Psychologische Detail gleich sicher wahr¬
nimmt.

Die Analyse der Dramen nach Rvsmers-
holm leidet vielleicht für manchen unter einer
gewissen Voreingenommenheit Woerners gegen
Ibsens symbolische Alterskunst, aber auch hier
ist der Standpunkt mit großer Feinheit be¬


[Spaltenumbruch]

gründet "ud besonders der Epilog, jene Ab¬
rechnung des Dichters, der die Poesie nicht
zu leben wagte, mit sich selbst, meisterlich er¬
läutert. -- Otio Arnstein steuerte eine alle
wichtigen Erscheinungen nmfnssende Ibsen-
Bibliographie bei.

^einholt Gensc
Gaunersprache und Volksmund.

Schon
m Jahre 1ö>>6 fand es der englische Friedens¬
richter Harman dienlich, das englische Rvt-
wälsch -- er nennt eS "Peddelarsfrench", hente
st "Slang" dafür üblich -- zum Gegenstand
einer systematischen Studie zu machen. Im
Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts erschien
eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen
über die Gaunersprache, aber erst vor kurzer
Zeit hat Haus Groß in seinen, "Handbuch für
Untersuchungsrichter" (München, G. Schweitzer)
unchgewieseu, daß sie keine ersonnene Geheim-
prnche, sondern eine Berufssprache (Jargon)
st. Wie es dein Jäger unmöglich däucht,
von Hasenohren und Auerhnhnschwänzeu zu
eden, wie der Student unter einem Kamel,
die Schriftsetzer nnter Speck etwas ganz an¬
deres verstehen, als das Lexikon vermuten
äßt, so fühlte sich auch der Verbrecher an¬
etrieben, für seine Begriffe eigene Wortwerte
u ersinnen und diese zu gebrauchen. Hierbei
ntwickelt sich denn freilich der Jargon ganz
ach dem Wesen seiner Schöpfer und Benutzer.
Selbst der Verkommenste mag die schlechte
Tat nicht mit dem Ausdruck bezeichnen, den
er Ehrlichdentendc dafür hat; die bekannten
Folgen aber werden erst recht umschrieben,
wobei Galgenhumor das Abschreckende zu ver¬
hleiern trachtet. Schließlich wurden auch die
ähere" Umstände, die Arten des Borgehens,
ie Beuteobjekie ustv. verrotwölscht, und wie
ie Sportsprache das Englische, der Student
as Latein für seinen Jargon heranzogen, so
ehen an sieben Achtel der Gnnnervokabeln
uf Hebräisch und die Zigenncridiome zurück.
ls entscheidend gilt die kriminalistische Beob¬
chtung, daß kein Gauner gern vor einem
remden seine Sprache anwendet.

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Die Entlehnungen der allgemeinen Ver¬
hrssprache aus dem Wörterbuch des Rot¬
elschen sind an Zahl keineswegs gering.
einahe niemals handelt es sich um Aus-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

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erfüllt sie, indem er immer aufs neue einzelne
Stücke in ihren Grundgedanken und einzelne
Personen als Trüger derselben Idee zusam¬
menrückt und in solcher Gruppierung die
Wiederkehr »ur weniger Probleme zeigt, zu¬
gleich aber auch ihre Weiterbildung und Ver¬
tiefung, ihre Erneuerung in feinsten Spielarten
(Ibsen Stute, Ibsen Julian, Ibsen --^
Solneß. HjördiS---- Rebekka ^ Hilde, Hjördis---
Heddn, Daguy-^THea). — In literarischen
Vergleichen ist der Verfasser sparsam; auf
Holberg wird hingewiesen, Augiers Vernouillet
neben Stensgaard gestellt, der Einfluß der
Frauenrechtlerin CcimillaCollett erwogen. Mo¬
delle werden kurz gestreift, so das Urbild der
Nora und des Volksfeindes, die Ehe des
Grafen Blank in ihrem Einfluß auf den Gruud-
Plcm von RosmerSholm, die Plimsollsche»
Sorge als die Todessegler in den Stützen
der Gesellschaft, Gerhart Hauptmann als
Nngnar im Solneß. Neben solchen gelegent¬
lichen Ausblicken mußte es dem ausgezeichneten
Gelehrten in der Hauptsache darauf ankommen,
dem Dramatiker und deinProblemntiker gerecht
zu werden, dem Künstler und dem Denker,
dein Manne, der neue Menschen in neuer Form
darstellte. Woerners Analysen beweisen, daß
er den ästhetischen, Psychologischen und sozialen
Problemen auf den Grund gegangen ist, daß
er sie durchgefühlt und durchgedncht, daß er
jahrelang mit den Personen der Stücke zu¬
sammengelebt hat. Ein leuchtendes Beispiel
für alte derartigen Untersuchungen ist nament¬
lich die meisterhafte Analyse vonRosmershvlm.
Wie hier das Allgemeine im Besonderen nach¬
gewiesen wird: Rofners Sphäre — der Zu¬
stand, des germanischen Christentums in seiner
fortgeschrittensten ethischen Verfeinerung, Re-
bettas Schicksal — das wichtigste Erlebnis
der germanischen Menschheit, ihre Zähmung
und Bekehrung zum Christentum, das bezeugt
die Höhe des Standpunktes, der hier gewonnen
wurde, und die Schärfe des Blickes, der den
weitesten Umkreis des Horizontes wie das
kleinste Psychologische Detail gleich sicher wahr¬
nimmt.

Die Analyse der Dramen nach Rvsmers-
holm leidet vielleicht für manchen unter einer
gewissen Voreingenommenheit Woerners gegen
Ibsens symbolische Alterskunst, aber auch hier
ist der Standpunkt mit großer Feinheit be¬


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gründet »ud besonders der Epilog, jene Ab¬
rechnung des Dichters, der die Poesie nicht
zu leben wagte, mit sich selbst, meisterlich er¬
läutert. — Otio Arnstein steuerte eine alle
wichtigen Erscheinungen nmfnssende Ibsen-
Bibliographie bei.

^einholt Gensc
Gaunersprache und Volksmund.

Schon
m Jahre 1ö>>6 fand es der englische Friedens¬
richter Harman dienlich, das englische Rvt-
wälsch — er nennt eS „Peddelarsfrench", hente
st „Slang" dafür üblich — zum Gegenstand
einer systematischen Studie zu machen. Im
Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts erschien
eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen
über die Gaunersprache, aber erst vor kurzer
Zeit hat Haus Groß in seinen, „Handbuch für
Untersuchungsrichter" (München, G. Schweitzer)
unchgewieseu, daß sie keine ersonnene Geheim-
prnche, sondern eine Berufssprache (Jargon)
st. Wie es dein Jäger unmöglich däucht,
von Hasenohren und Auerhnhnschwänzeu zu
eden, wie der Student unter einem Kamel,
die Schriftsetzer nnter Speck etwas ganz an¬
deres verstehen, als das Lexikon vermuten
äßt, so fühlte sich auch der Verbrecher an¬
etrieben, für seine Begriffe eigene Wortwerte
u ersinnen und diese zu gebrauchen. Hierbei
ntwickelt sich denn freilich der Jargon ganz
ach dem Wesen seiner Schöpfer und Benutzer.
Selbst der Verkommenste mag die schlechte
Tat nicht mit dem Ausdruck bezeichnen, den
er Ehrlichdentendc dafür hat; die bekannten
Folgen aber werden erst recht umschrieben,
wobei Galgenhumor das Abschreckende zu ver¬
hleiern trachtet. Schließlich wurden auch die
ähere» Umstände, die Arten des Borgehens,
ie Beuteobjekie ustv. verrotwölscht, und wie
ie Sportsprache das Englische, der Student
as Latein für seinen Jargon heranzogen, so
ehen an sieben Achtel der Gnnnervokabeln
uf Hebräisch und die Zigenncridiome zurück.
ls entscheidend gilt die kriminalistische Beob¬
chtung, daß kein Gauner gern vor einem
remden seine Sprache anwendet.

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Die Entlehnungen der allgemeinen Ver¬
hrssprache aus dem Wörterbuch des Rot¬
elschen sind an Zahl keineswegs gering.
einahe niemals handelt es sich um Aus-


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[0565] Maßgebliches und Unmaßgebliches erfüllt sie, indem er immer aufs neue einzelne Stücke in ihren Grundgedanken und einzelne Personen als Trüger derselben Idee zusam¬ menrückt und in solcher Gruppierung die Wiederkehr »ur weniger Probleme zeigt, zu¬ gleich aber auch ihre Weiterbildung und Ver¬ tiefung, ihre Erneuerung in feinsten Spielarten (Ibsen Stute, Ibsen Julian, Ibsen --^ Solneß. HjördiS---- Rebekka ^ Hilde, Hjördis--- Heddn, Daguy-^THea). — In literarischen Vergleichen ist der Verfasser sparsam; auf Holberg wird hingewiesen, Augiers Vernouillet neben Stensgaard gestellt, der Einfluß der Frauenrechtlerin CcimillaCollett erwogen. Mo¬ delle werden kurz gestreift, so das Urbild der Nora und des Volksfeindes, die Ehe des Grafen Blank in ihrem Einfluß auf den Gruud- Plcm von RosmerSholm, die Plimsollsche» Sorge als die Todessegler in den Stützen der Gesellschaft, Gerhart Hauptmann als Nngnar im Solneß. Neben solchen gelegent¬ lichen Ausblicken mußte es dem ausgezeichneten Gelehrten in der Hauptsache darauf ankommen, dem Dramatiker und deinProblemntiker gerecht zu werden, dem Künstler und dem Denker, dein Manne, der neue Menschen in neuer Form darstellte. Woerners Analysen beweisen, daß er den ästhetischen, Psychologischen und sozialen Problemen auf den Grund gegangen ist, daß er sie durchgefühlt und durchgedncht, daß er jahrelang mit den Personen der Stücke zu¬ sammengelebt hat. Ein leuchtendes Beispiel für alte derartigen Untersuchungen ist nament¬ lich die meisterhafte Analyse vonRosmershvlm. Wie hier das Allgemeine im Besonderen nach¬ gewiesen wird: Rofners Sphäre — der Zu¬ stand, des germanischen Christentums in seiner fortgeschrittensten ethischen Verfeinerung, Re- bettas Schicksal — das wichtigste Erlebnis der germanischen Menschheit, ihre Zähmung und Bekehrung zum Christentum, das bezeugt die Höhe des Standpunktes, der hier gewonnen wurde, und die Schärfe des Blickes, der den weitesten Umkreis des Horizontes wie das kleinste Psychologische Detail gleich sicher wahr¬ nimmt. Die Analyse der Dramen nach Rvsmers- holm leidet vielleicht für manchen unter einer gewissen Voreingenommenheit Woerners gegen Ibsens symbolische Alterskunst, aber auch hier ist der Standpunkt mit großer Feinheit be¬ gründet »ud besonders der Epilog, jene Ab¬ rechnung des Dichters, der die Poesie nicht zu leben wagte, mit sich selbst, meisterlich er¬ läutert. — Otio Arnstein steuerte eine alle wichtigen Erscheinungen nmfnssende Ibsen- Bibliographie bei. ^einholt Gensc Gaunersprache und Volksmund. Schon m Jahre 1ö>>6 fand es der englische Friedens¬ richter Harman dienlich, das englische Rvt- wälsch — er nennt eS „Peddelarsfrench", hente st „Slang" dafür üblich — zum Gegenstand einer systematischen Studie zu machen. Im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts erschien eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen über die Gaunersprache, aber erst vor kurzer Zeit hat Haus Groß in seinen, „Handbuch für Untersuchungsrichter" (München, G. Schweitzer) unchgewieseu, daß sie keine ersonnene Geheim- prnche, sondern eine Berufssprache (Jargon) st. Wie es dein Jäger unmöglich däucht, von Hasenohren und Auerhnhnschwänzeu zu eden, wie der Student unter einem Kamel, die Schriftsetzer nnter Speck etwas ganz an¬ deres verstehen, als das Lexikon vermuten äßt, so fühlte sich auch der Verbrecher an¬ etrieben, für seine Begriffe eigene Wortwerte u ersinnen und diese zu gebrauchen. Hierbei ntwickelt sich denn freilich der Jargon ganz ach dem Wesen seiner Schöpfer und Benutzer. Selbst der Verkommenste mag die schlechte Tat nicht mit dem Ausdruck bezeichnen, den er Ehrlichdentendc dafür hat; die bekannten Folgen aber werden erst recht umschrieben, wobei Galgenhumor das Abschreckende zu ver¬ hleiern trachtet. Schließlich wurden auch die ähere» Umstände, die Arten des Borgehens, ie Beuteobjekie ustv. verrotwölscht, und wie ie Sportsprache das Englische, der Student as Latein für seinen Jargon heranzogen, so ehen an sieben Achtel der Gnnnervokabeln uf Hebräisch und die Zigenncridiome zurück. ls entscheidend gilt die kriminalistische Beob¬ chtung, daß kein Gauner gern vor einem remden seine Sprache anwendet. Die Entlehnungen der allgemeinen Ver¬ hrssprache aus dem Wörterbuch des Rot¬ elschen sind an Zahl keineswegs gering. einahe niemals handelt es sich um Aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/565>, abgerufen am 18.05.2024.