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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Zur belgischen Landcsverteidignngsfrage

Unter diesen Voraussetzungen sind zu veranschlagen:

1. Die zur Verteidigung der Werke und ihrer Zwischenräume erforder¬
lichen Kriegsstärken jeder Waffe und jedes Dienstzweiges:

a) des verschanzten Lagers (Antwerpen),
b) des I.. Brückenkopfes (Lüttich),
e) des 2. Brückenkopfes (Namur).

2. Die für die mobile Besetzung eines jeden dieser festen Plötze erforder¬
lichen Kriegsstärken,

3. Die zur Bildung eines Feldheeres, das in Verbindung mit den ge¬
nannten festen Plätzen operieren soll, nötigen Kriegsstärken.

4. Die Friedensstärke eines jeden dieser grundlegenden Elemente der
nationalen Verteidigung."

Mit anderen Worten: es wird die Berechnung der durch die vorhandenen
Befestigungen bedingten Heeresstärke in allen Einzelheiten, sowie der Stärke
gefordert, die danach die Friedcnskadres haben müssen. Ob das seit 1909
gültige Wehrgesetz zur Aufbringung einer solchen Stärke genügt, kommt dabei
nicht in Froge, auch nicht, ob die belgische Bevölkerung der sich ergebenden
Anforderung wirtlich gewachsen sein wird. Die Küstenverteidigung (abgesehen
von Antwerpen) findet keine Erwähnung, vielleicht aus zarter Rücksicht auf
England. Dagegen ist auf einer zweiten (hier nicht wiedergegebenen) Skizze
der harmlose deutsche Übungsplatz Elsenborn als "Lsmp" besonders bezeichnet,
wie er ja auch schon in der ausländischen Presse als angeblich gefahrdrohend
gespukt hat. Um den objektiven schulmäßigen Charakter der Fragestellung zu
wahren, wurden die Namen der Orte und Ströme fortgelassen*), obwohl
die letzterwähnte Skizze jeden etwaigen Zweifel beseitigt. Bemerkenswert ist
endlich die eingeschränkte Zahl der Antwerpener Außenforts. Man wird daraus
Schlüsse auf den gegenwärtigen Stand der Befestigungsarbeiten ziehen können.

Die Umfrage stellt sich als völlig private Veranstaltung eines politischen
Blattes dar. Die gewählte Form rein wissenschaftlicher Erörterung läßt die
Absicht vermuten, der eigenen Regierung zu nützen und ihr keine Schwierig¬
keiten zu bereiten. Der leitende Gedanke scheint die Erkenntnis zu sein, daß
Befestigungen ohne die Möglichkeit einer aktiven Verteidigung keinen Wert haben.
Vielleicht erinnerte man sich an Moltkes Ausspruch. Die Beantwortung der
gestellten Fragen erfordert Kenntnis aller einschlägigen Verhältnisse des Landes,
sie kann nicht einfach rechnungsmäßig erfolgen. Die Einzelheiten der Lösung
werden keine internationale Bedeutung gewinnen, wohl aber, falls die Regierung
an diese Anregung anknüpfen sollte, die Entscheidung, ob jener leitende Gedanke in
die Praxis übersetzt werden soll. Teutschland kann mit einer Stärkung der belgischen
Wehrkraft, solange sie keine einseitige Richtung annimmt, nur einverstanden sein.





Von Verfasser in Klammern hinzugefügt.
Zur belgischen Landcsverteidignngsfrage

Unter diesen Voraussetzungen sind zu veranschlagen:

1. Die zur Verteidigung der Werke und ihrer Zwischenräume erforder¬
lichen Kriegsstärken jeder Waffe und jedes Dienstzweiges:

a) des verschanzten Lagers (Antwerpen),
b) des I.. Brückenkopfes (Lüttich),
e) des 2. Brückenkopfes (Namur).

2. Die für die mobile Besetzung eines jeden dieser festen Plötze erforder¬
lichen Kriegsstärken,

3. Die zur Bildung eines Feldheeres, das in Verbindung mit den ge¬
nannten festen Plätzen operieren soll, nötigen Kriegsstärken.

4. Die Friedensstärke eines jeden dieser grundlegenden Elemente der
nationalen Verteidigung."

Mit anderen Worten: es wird die Berechnung der durch die vorhandenen
Befestigungen bedingten Heeresstärke in allen Einzelheiten, sowie der Stärke
gefordert, die danach die Friedcnskadres haben müssen. Ob das seit 1909
gültige Wehrgesetz zur Aufbringung einer solchen Stärke genügt, kommt dabei
nicht in Froge, auch nicht, ob die belgische Bevölkerung der sich ergebenden
Anforderung wirtlich gewachsen sein wird. Die Küstenverteidigung (abgesehen
von Antwerpen) findet keine Erwähnung, vielleicht aus zarter Rücksicht auf
England. Dagegen ist auf einer zweiten (hier nicht wiedergegebenen) Skizze
der harmlose deutsche Übungsplatz Elsenborn als „Lsmp" besonders bezeichnet,
wie er ja auch schon in der ausländischen Presse als angeblich gefahrdrohend
gespukt hat. Um den objektiven schulmäßigen Charakter der Fragestellung zu
wahren, wurden die Namen der Orte und Ströme fortgelassen*), obwohl
die letzterwähnte Skizze jeden etwaigen Zweifel beseitigt. Bemerkenswert ist
endlich die eingeschränkte Zahl der Antwerpener Außenforts. Man wird daraus
Schlüsse auf den gegenwärtigen Stand der Befestigungsarbeiten ziehen können.

Die Umfrage stellt sich als völlig private Veranstaltung eines politischen
Blattes dar. Die gewählte Form rein wissenschaftlicher Erörterung läßt die
Absicht vermuten, der eigenen Regierung zu nützen und ihr keine Schwierig¬
keiten zu bereiten. Der leitende Gedanke scheint die Erkenntnis zu sein, daß
Befestigungen ohne die Möglichkeit einer aktiven Verteidigung keinen Wert haben.
Vielleicht erinnerte man sich an Moltkes Ausspruch. Die Beantwortung der
gestellten Fragen erfordert Kenntnis aller einschlägigen Verhältnisse des Landes,
sie kann nicht einfach rechnungsmäßig erfolgen. Die Einzelheiten der Lösung
werden keine internationale Bedeutung gewinnen, wohl aber, falls die Regierung
an diese Anregung anknüpfen sollte, die Entscheidung, ob jener leitende Gedanke in
die Praxis übersetzt werden soll. Teutschland kann mit einer Stärkung der belgischen
Wehrkraft, solange sie keine einseitige Richtung annimmt, nur einverstanden sein.





Von Verfasser in Klammern hinzugefügt.
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[0597] Zur belgischen Landcsverteidignngsfrage Unter diesen Voraussetzungen sind zu veranschlagen: 1. Die zur Verteidigung der Werke und ihrer Zwischenräume erforder¬ lichen Kriegsstärken jeder Waffe und jedes Dienstzweiges: a) des verschanzten Lagers (Antwerpen), b) des I.. Brückenkopfes (Lüttich), e) des 2. Brückenkopfes (Namur). 2. Die für die mobile Besetzung eines jeden dieser festen Plötze erforder¬ lichen Kriegsstärken, 3. Die zur Bildung eines Feldheeres, das in Verbindung mit den ge¬ nannten festen Plätzen operieren soll, nötigen Kriegsstärken. 4. Die Friedensstärke eines jeden dieser grundlegenden Elemente der nationalen Verteidigung." Mit anderen Worten: es wird die Berechnung der durch die vorhandenen Befestigungen bedingten Heeresstärke in allen Einzelheiten, sowie der Stärke gefordert, die danach die Friedcnskadres haben müssen. Ob das seit 1909 gültige Wehrgesetz zur Aufbringung einer solchen Stärke genügt, kommt dabei nicht in Froge, auch nicht, ob die belgische Bevölkerung der sich ergebenden Anforderung wirtlich gewachsen sein wird. Die Küstenverteidigung (abgesehen von Antwerpen) findet keine Erwähnung, vielleicht aus zarter Rücksicht auf England. Dagegen ist auf einer zweiten (hier nicht wiedergegebenen) Skizze der harmlose deutsche Übungsplatz Elsenborn als „Lsmp" besonders bezeichnet, wie er ja auch schon in der ausländischen Presse als angeblich gefahrdrohend gespukt hat. Um den objektiven schulmäßigen Charakter der Fragestellung zu wahren, wurden die Namen der Orte und Ströme fortgelassen*), obwohl die letzterwähnte Skizze jeden etwaigen Zweifel beseitigt. Bemerkenswert ist endlich die eingeschränkte Zahl der Antwerpener Außenforts. Man wird daraus Schlüsse auf den gegenwärtigen Stand der Befestigungsarbeiten ziehen können. Die Umfrage stellt sich als völlig private Veranstaltung eines politischen Blattes dar. Die gewählte Form rein wissenschaftlicher Erörterung läßt die Absicht vermuten, der eigenen Regierung zu nützen und ihr keine Schwierig¬ keiten zu bereiten. Der leitende Gedanke scheint die Erkenntnis zu sein, daß Befestigungen ohne die Möglichkeit einer aktiven Verteidigung keinen Wert haben. Vielleicht erinnerte man sich an Moltkes Ausspruch. Die Beantwortung der gestellten Fragen erfordert Kenntnis aller einschlägigen Verhältnisse des Landes, sie kann nicht einfach rechnungsmäßig erfolgen. Die Einzelheiten der Lösung werden keine internationale Bedeutung gewinnen, wohl aber, falls die Regierung an diese Anregung anknüpfen sollte, die Entscheidung, ob jener leitende Gedanke in die Praxis übersetzt werden soll. Teutschland kann mit einer Stärkung der belgischen Wehrkraft, solange sie keine einseitige Richtung annimmt, nur einverstanden sein. Von Verfasser in Klammern hinzugefügt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/597>, abgerufen am 18.05.2024.