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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Probleme des Industriebezirks

politische Bedeutung. Diese liegt aber nicht etwa in der Feststellung einer
Niederlage des Prinzips des kommunalen Betriebes. In dieser Hinsicht nutz
vor allen Dingen daraus hingewiesen werden, daß jener schaffende, kräftige und
in gewissem Sinne eifersüchtige Bürgergeist, der in den Städten öffentliche
Beleuchtungs- und Verkehrs anlagen und die Herrschaft der städtischen Verwaltung
über sie fordert, auch in den Industriestädten keineswegs im Schwinden begriffen
ist. Er hat nur einem mächtigeren Konkurrenten teilweise das Feld geräumt,
aber auch, sobald die Quellen von dessen wirtschaftlicher Überlegenheit erkannt
waren, über Schwierigkeiten hinweg sich ebenfalls den Weg zu ihnen gebahnt
und sie mit Erfolg für sich nutzbar gemacht.

Daß aber auch bei den Leitern des Rh. W. E. ein Bewußtsein von diesem not¬
wendigen Zusammenhang vorhanden ist, läßt die verständnisvolle Behandlung der
Kommunen erkennen und dieBetonung des Umstandes, daß es die heimischeJndustrie
sei, die mit vorteilhaften Anerbietungen an sie herantrete. Als die vereinheit¬
lichte Lieferung von Elektrizität und Gas über große Gebiete hin eine wirt¬
schaftliche Notwendigkeit wurde, lag nach der bisherigen Entwicklungstendenz
eine kommunale Aufgabe vor, nur fehlte es an einem geeigneten kommunalen
Körper zur Durchführung derselben. Es ist zu einem Teile entstanden durch
Vereinigung unter Führung der staatlichen Behörde. Beim Rh. W. E. aber
übernahm privater Unternehmungssinn die Funktion, trennende Gemeindegrenzen
niederzureißen und zerstreute Interessen zu verbinden. Er hat damit das stolze
Vorrecht der Initiative bewährt, das ihm vor allen Unternehmungen des öffent¬
lichen Dienstes zukommt. Die überragende Wichtigkeit der kommunalen Inter¬
essen ist dabei berücksichtigt, zugleich aber die Nützlichkeit ihrer festen Verbindung
mit dem parallel laufenden Interesse des Bergbaues. Indem der geniale
Kaufmann an der Spitze des Unternehmens auch diese Erwägungen für seine
Geschäftspolitik leitend werden ließ, hat er einen neuen wichtigen Faktor in die
fortschreitende Entwicklung des so eigenartigen Jndustriebezirks eingeführt: das
Zusammenwirken von Gemeinden und Industrie. Es soll noch an anderer
Stelle ausgeführt werden, daß nicht eine zufällige Erscheinung vorliegt, sondern
eine innere Notwendigkeit zutage tritt. Für die Zukunft des Rh. W. E. und
des Jndustriebezirks aber ist es wichtig, daß das bei der Entstehung des Unter¬
nehmens wirksame Gesetz auch weiter maßgebend bleibt. Wenn die gründende
und werbende Aufgabe des privaten Unternehmersinns erst ganz erfüllt ist, werden
die kommunalen Interessen ohne Zweifel mehr in den Vordergrund treten. Sie
bedürfen dann aber einer Organisation zur Vertretung ihrer gemeinsamen Interessen
sowie Her Mehrheit im Aktienbesitz, während der andere Teil dieses Besitzes
der bodenständigen und mitinteressierten Industrie verbleiben müßte, sein Über¬
gang in spekulative Hände zu verhüten wäre. Eine gewisse geographische
Beschränkung der Anlagen des Unternehmens wird ebenfalls zu fordern fein.
Unter diesen Umständen wären die Schrecken des "Privatmonopols" beseitigt
und eine gesunde friedliche Entwicklung gewährleistet.




Probleme des Industriebezirks

politische Bedeutung. Diese liegt aber nicht etwa in der Feststellung einer
Niederlage des Prinzips des kommunalen Betriebes. In dieser Hinsicht nutz
vor allen Dingen daraus hingewiesen werden, daß jener schaffende, kräftige und
in gewissem Sinne eifersüchtige Bürgergeist, der in den Städten öffentliche
Beleuchtungs- und Verkehrs anlagen und die Herrschaft der städtischen Verwaltung
über sie fordert, auch in den Industriestädten keineswegs im Schwinden begriffen
ist. Er hat nur einem mächtigeren Konkurrenten teilweise das Feld geräumt,
aber auch, sobald die Quellen von dessen wirtschaftlicher Überlegenheit erkannt
waren, über Schwierigkeiten hinweg sich ebenfalls den Weg zu ihnen gebahnt
und sie mit Erfolg für sich nutzbar gemacht.

Daß aber auch bei den Leitern des Rh. W. E. ein Bewußtsein von diesem not¬
wendigen Zusammenhang vorhanden ist, läßt die verständnisvolle Behandlung der
Kommunen erkennen und dieBetonung des Umstandes, daß es die heimischeJndustrie
sei, die mit vorteilhaften Anerbietungen an sie herantrete. Als die vereinheit¬
lichte Lieferung von Elektrizität und Gas über große Gebiete hin eine wirt¬
schaftliche Notwendigkeit wurde, lag nach der bisherigen Entwicklungstendenz
eine kommunale Aufgabe vor, nur fehlte es an einem geeigneten kommunalen
Körper zur Durchführung derselben. Es ist zu einem Teile entstanden durch
Vereinigung unter Führung der staatlichen Behörde. Beim Rh. W. E. aber
übernahm privater Unternehmungssinn die Funktion, trennende Gemeindegrenzen
niederzureißen und zerstreute Interessen zu verbinden. Er hat damit das stolze
Vorrecht der Initiative bewährt, das ihm vor allen Unternehmungen des öffent¬
lichen Dienstes zukommt. Die überragende Wichtigkeit der kommunalen Inter¬
essen ist dabei berücksichtigt, zugleich aber die Nützlichkeit ihrer festen Verbindung
mit dem parallel laufenden Interesse des Bergbaues. Indem der geniale
Kaufmann an der Spitze des Unternehmens auch diese Erwägungen für seine
Geschäftspolitik leitend werden ließ, hat er einen neuen wichtigen Faktor in die
fortschreitende Entwicklung des so eigenartigen Jndustriebezirks eingeführt: das
Zusammenwirken von Gemeinden und Industrie. Es soll noch an anderer
Stelle ausgeführt werden, daß nicht eine zufällige Erscheinung vorliegt, sondern
eine innere Notwendigkeit zutage tritt. Für die Zukunft des Rh. W. E. und
des Jndustriebezirks aber ist es wichtig, daß das bei der Entstehung des Unter¬
nehmens wirksame Gesetz auch weiter maßgebend bleibt. Wenn die gründende
und werbende Aufgabe des privaten Unternehmersinns erst ganz erfüllt ist, werden
die kommunalen Interessen ohne Zweifel mehr in den Vordergrund treten. Sie
bedürfen dann aber einer Organisation zur Vertretung ihrer gemeinsamen Interessen
sowie Her Mehrheit im Aktienbesitz, während der andere Teil dieses Besitzes
der bodenständigen und mitinteressierten Industrie verbleiben müßte, sein Über¬
gang in spekulative Hände zu verhüten wäre. Eine gewisse geographische
Beschränkung der Anlagen des Unternehmens wird ebenfalls zu fordern fein.
Unter diesen Umständen wären die Schrecken des „Privatmonopols" beseitigt
und eine gesunde friedliche Entwicklung gewährleistet.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/242>, abgerufen am 16.05.2024.