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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Gin Später Derer van Doorn

zärtlich an die silberne Wasserkapsel gelegt hatte, mit der er die frommen Hörer
weihend besprengt. Er fühlte noch immer die goldenen Fäden in der kühlen
Kirchwölbung allseitig ausgespannt, die aus ihrer andächtigen Seele heimlich
hingeflossen wie Sommerfäden zu seiner Seele.

Er begann auch jetzt ein Spiel zu treiben mit den ragenden Blumen, die
im Pfarrgarten an der alten Ziegelmauer blühten. Er mußte lachen, weil er
dachte, daß eine solche steife Schwertlilie, wie sie in Büscheln vor ihm auf¬
ragten, mit ihrem seltsamen, schneidigen Zierat wohl Herrn Kroen gleiche, aber
die volle, reiche, blaßgelbe Rose, die üppig aufbrach und wie ein zaubrischer
Weinkelch Dust hauchte, nur Frau Hartje selber sein könnte, niemand sonst weder
auf Erden noch im Himmel.

Dann war seine Seele ganz entzündet.

Dann nannte er heimlich ihren Namen, als wenn er leibhaftig mit ihr
spräche wie mit einer Geliebten.

Und wenn er sich an den Schreibtisch gesetzt, um an den heiligen Worten
zu sinnen und zu spinnen, mit denen er die Fischersleute im Dorfe für ihr
hartes Lebensgeschäft mahnen und stärken wollte, da entdeckte er sich wohl gar
dabei, daß er Zettel um Zettel beschrieb und zerriß, worauf nichtige Verse
standen, wie sie Jünglinge schreiben, die sich zum ersten Male nach einem
Mädchen sehnen.

Auch Briefe schrieb er an Frau Hartje. Heiße, irdische Briefe, wie sie
wohl ein Ritter van Doorn ehedem an feine auserwählte Geliebte manchmal
mochte geschrieben haben.

"Herrliche! Wie du aufragst! . . . kräftig wie die Mutter junger Fischer ...
mit runden Armen, die von Fleisch glänzen und duften ... mit den güldenen
Armspangen, die Deine Fülle zeigen . . . mit Deinen hellen Blicken, die sehn¬
süchtig von den Geheimnissen reden... mit Deinen rosigen Füßen, mit denen
Du im Sande tändelst vor meinen Augen . . . mit Deinen kleinen, blanken
Zähnen, die die Strandgräser zerbeißen, einen Halm nach dem andern . . .
indes Du in Dich hineinlauschest, weil Du es vielleicht doch erhören möchtest,
daß auch meine Seele tönt ... ja, ich liebe Dich I ... ich liebe Deine eisklaren
Augen. , . Deine goldenen Haare, die wie Weizenähren riechen . . . aber ich
bin ein Priester... ein Geweihter... ein Streiter Gottes . . . und wenn ich
Dich gleich liebte wie die Sonne die Blumen, so will ich doch nur einher gehen
wie ein gepanzerter Turm, in dem die Liebe verschlossen liegt wie ein Schatz . . .
ja, ich liebe Dich, herrliche Hartje! ... ich liebe Dich, Du herrliches, irdisches,
blondes Weib Hartje! ... ich liebe Dich! ..." So schrieb er. Und schrieb
hundert solche Briefe in Tagen und Wochen und zerriß sie wieder.

Und es ging mancher Sommertag über Meer und Dünen hin.

Auch heute hatte Hieronnmus van Doorn, wie er von den blumigen Hügeln
des Strandfriedhofs heinikehrte, Frau Hartje begegnet.


Gin Später Derer van Doorn

zärtlich an die silberne Wasserkapsel gelegt hatte, mit der er die frommen Hörer
weihend besprengt. Er fühlte noch immer die goldenen Fäden in der kühlen
Kirchwölbung allseitig ausgespannt, die aus ihrer andächtigen Seele heimlich
hingeflossen wie Sommerfäden zu seiner Seele.

Er begann auch jetzt ein Spiel zu treiben mit den ragenden Blumen, die
im Pfarrgarten an der alten Ziegelmauer blühten. Er mußte lachen, weil er
dachte, daß eine solche steife Schwertlilie, wie sie in Büscheln vor ihm auf¬
ragten, mit ihrem seltsamen, schneidigen Zierat wohl Herrn Kroen gleiche, aber
die volle, reiche, blaßgelbe Rose, die üppig aufbrach und wie ein zaubrischer
Weinkelch Dust hauchte, nur Frau Hartje selber sein könnte, niemand sonst weder
auf Erden noch im Himmel.

Dann war seine Seele ganz entzündet.

Dann nannte er heimlich ihren Namen, als wenn er leibhaftig mit ihr
spräche wie mit einer Geliebten.

Und wenn er sich an den Schreibtisch gesetzt, um an den heiligen Worten
zu sinnen und zu spinnen, mit denen er die Fischersleute im Dorfe für ihr
hartes Lebensgeschäft mahnen und stärken wollte, da entdeckte er sich wohl gar
dabei, daß er Zettel um Zettel beschrieb und zerriß, worauf nichtige Verse
standen, wie sie Jünglinge schreiben, die sich zum ersten Male nach einem
Mädchen sehnen.

Auch Briefe schrieb er an Frau Hartje. Heiße, irdische Briefe, wie sie
wohl ein Ritter van Doorn ehedem an feine auserwählte Geliebte manchmal
mochte geschrieben haben.

„Herrliche! Wie du aufragst! . . . kräftig wie die Mutter junger Fischer ...
mit runden Armen, die von Fleisch glänzen und duften ... mit den güldenen
Armspangen, die Deine Fülle zeigen . . . mit Deinen hellen Blicken, die sehn¬
süchtig von den Geheimnissen reden... mit Deinen rosigen Füßen, mit denen
Du im Sande tändelst vor meinen Augen . . . mit Deinen kleinen, blanken
Zähnen, die die Strandgräser zerbeißen, einen Halm nach dem andern . . .
indes Du in Dich hineinlauschest, weil Du es vielleicht doch erhören möchtest,
daß auch meine Seele tönt ... ja, ich liebe Dich I ... ich liebe Deine eisklaren
Augen. , . Deine goldenen Haare, die wie Weizenähren riechen . . . aber ich
bin ein Priester... ein Geweihter... ein Streiter Gottes . . . und wenn ich
Dich gleich liebte wie die Sonne die Blumen, so will ich doch nur einher gehen
wie ein gepanzerter Turm, in dem die Liebe verschlossen liegt wie ein Schatz . . .
ja, ich liebe Dich, herrliche Hartje! ... ich liebe Dich, Du herrliches, irdisches,
blondes Weib Hartje! ... ich liebe Dich! ..." So schrieb er. Und schrieb
hundert solche Briefe in Tagen und Wochen und zerriß sie wieder.

Und es ging mancher Sommertag über Meer und Dünen hin.

Auch heute hatte Hieronnmus van Doorn, wie er von den blumigen Hügeln
des Strandfriedhofs heinikehrte, Frau Hartje begegnet.


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[0248] Gin Später Derer van Doorn zärtlich an die silberne Wasserkapsel gelegt hatte, mit der er die frommen Hörer weihend besprengt. Er fühlte noch immer die goldenen Fäden in der kühlen Kirchwölbung allseitig ausgespannt, die aus ihrer andächtigen Seele heimlich hingeflossen wie Sommerfäden zu seiner Seele. Er begann auch jetzt ein Spiel zu treiben mit den ragenden Blumen, die im Pfarrgarten an der alten Ziegelmauer blühten. Er mußte lachen, weil er dachte, daß eine solche steife Schwertlilie, wie sie in Büscheln vor ihm auf¬ ragten, mit ihrem seltsamen, schneidigen Zierat wohl Herrn Kroen gleiche, aber die volle, reiche, blaßgelbe Rose, die üppig aufbrach und wie ein zaubrischer Weinkelch Dust hauchte, nur Frau Hartje selber sein könnte, niemand sonst weder auf Erden noch im Himmel. Dann war seine Seele ganz entzündet. Dann nannte er heimlich ihren Namen, als wenn er leibhaftig mit ihr spräche wie mit einer Geliebten. Und wenn er sich an den Schreibtisch gesetzt, um an den heiligen Worten zu sinnen und zu spinnen, mit denen er die Fischersleute im Dorfe für ihr hartes Lebensgeschäft mahnen und stärken wollte, da entdeckte er sich wohl gar dabei, daß er Zettel um Zettel beschrieb und zerriß, worauf nichtige Verse standen, wie sie Jünglinge schreiben, die sich zum ersten Male nach einem Mädchen sehnen. Auch Briefe schrieb er an Frau Hartje. Heiße, irdische Briefe, wie sie wohl ein Ritter van Doorn ehedem an feine auserwählte Geliebte manchmal mochte geschrieben haben. „Herrliche! Wie du aufragst! . . . kräftig wie die Mutter junger Fischer ... mit runden Armen, die von Fleisch glänzen und duften ... mit den güldenen Armspangen, die Deine Fülle zeigen . . . mit Deinen hellen Blicken, die sehn¬ süchtig von den Geheimnissen reden... mit Deinen rosigen Füßen, mit denen Du im Sande tändelst vor meinen Augen . . . mit Deinen kleinen, blanken Zähnen, die die Strandgräser zerbeißen, einen Halm nach dem andern . . . indes Du in Dich hineinlauschest, weil Du es vielleicht doch erhören möchtest, daß auch meine Seele tönt ... ja, ich liebe Dich I ... ich liebe Deine eisklaren Augen. , . Deine goldenen Haare, die wie Weizenähren riechen . . . aber ich bin ein Priester... ein Geweihter... ein Streiter Gottes . . . und wenn ich Dich gleich liebte wie die Sonne die Blumen, so will ich doch nur einher gehen wie ein gepanzerter Turm, in dem die Liebe verschlossen liegt wie ein Schatz . . . ja, ich liebe Dich, herrliche Hartje! ... ich liebe Dich, Du herrliches, irdisches, blondes Weib Hartje! ... ich liebe Dich! ..." So schrieb er. Und schrieb hundert solche Briefe in Tagen und Wochen und zerriß sie wieder. Und es ging mancher Sommertag über Meer und Dünen hin. Auch heute hatte Hieronnmus van Doorn, wie er von den blumigen Hügeln des Strandfriedhofs heinikehrte, Frau Hartje begegnet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/248>, abgerufen am 15.05.2024.