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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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aber ihrem Beispiel bisher noch nicht folgen mögen und hält an demi fünf-
prozentigen Zinsfuße fest, obwohl mittlerweile die steuerfreie Notenreseroe wieder
auf 332 Millionen angewachsen ist. Maßgebend für ihre Diskontpolitik ist in
erster Linie die Bewegung der Devisenkurse. Diese nehmen trotz der großen
Spannung zwischen englischem und deutschem Bankdiskont noch immer einen
ungewöhnlich hohen Stand ein. Eine ausreichende Erklärung für diese dauernde
Nachfrage nach englischen Wechseln ist nicht leicht zu geben. Die Reichsbank
hat durch umfangreiche Abgaben aus ihrem Portefeuille einer übermäßigen
Steigung des englischen Wechselkurses entgegengewirkt; zweifelsohne wirkt nnn
das Bestreben, den stark geschmälerten Devisenbestand wieder auszufüllen, einem
raschen Rückgang des Kurses entgegen. Aber auch abgesehen vom Devisenkurs
liegen die Dinge am inländischen Geldmarkte nicht so, daß sie die Neichsbank zu einer
Diskontermäßigung ermutigen könnten. Die Rückwirkung der Einzahlungen
auf die neuen deutschen Anleihen war so beträchtlich, daß der Satz für täg¬
liches Geld sowohl als der Privatdiskont erheblich angezogen hat. Dabei fällt in das
Gewicht, daß der Markt sich in der Erwartung getäuscht sah, die Seehandlung
werde die eingezahlten Beträge ihm vorerst wieder zur Verfügung stellen. Daß
dies nicht in dem erwarteten Umfang geschah, erregte Befremden. Und mit
Recht; denn der nun teuer bleibende Zinsfuß für tägliches Geld führte zu
beträchtlichen Ankäufen in den neuen Anleihen. Die Jnterventionstätigkeit des
Konsortiums konnte nicht verhindern, daß der Kurs bis unter den Emissions¬
preis zurückging. Der Mißerfolg dieser neuen Anleihensaufnahme des Reichs
und Preußens wird dadurch ganz klar vor Augen geführt. Man kann sich nicht
genug über das mangelnde finanzielle Geschick wundern, welches unsere ma߬
gebenden Stellen in der Behandlung des Anleihemarktes an den Tag legen.
Der Zeitpunkt, mit einer großen Anleihe von 500 Millionen an den Markt zu
treten, war denkbar schlecht gewählt. Welche Gründe zwangen die Regierung,
die Anleihe in einer solchen Höhe und zu einer Zeit vorzunehmen, in der der
Geldmarkt übermäßig angespannt und die Börse politisch beunruhigt war?
Rücksichten auf die Finanzlage gewiß nicht; denn es handelt sich nicht um
unmittelbaren Bedarf. Maßgebend war wohl nur die Befürchtung, bei längerem
Zuwarten noch schlechter anzukommen und möglicherweise anderem Kapitalbedarf
die Vorhand lassen zu müssen. Ist es aber nicht schon bezeichnend, wenn die
Regierung mitten in dem Gange der Emissionsarbeiten eine Beschwichtigungs¬
note veröffentlichen muß, um politischen Bedenken entgegenzutreten, die sich an
die Anlehnsaufnahme knüpften? In früheren Fällen nahm: man sorgfältig darauf
Bedacht, den Geldmarkt für eine so große Operation zu präparieren und für
billiges Geld zu sorgen. Nichts ist selbstverständlicher als das. Denn man
bedarf doch zur endgültigen Unterbringung der Banken und der Börse. Man
muß also dafür Sorge tragen, daß die kreditweise Übernahme der Anleihe durch
die Spekulation und die Bankiers nicht durch die Höhe des Zinsfußes unmöglich
gemacht wird und ebensowohl dafür, daß nicht eine rückgängige Kursbewegung


Reichsspiegel

aber ihrem Beispiel bisher noch nicht folgen mögen und hält an demi fünf-
prozentigen Zinsfuße fest, obwohl mittlerweile die steuerfreie Notenreseroe wieder
auf 332 Millionen angewachsen ist. Maßgebend für ihre Diskontpolitik ist in
erster Linie die Bewegung der Devisenkurse. Diese nehmen trotz der großen
Spannung zwischen englischem und deutschem Bankdiskont noch immer einen
ungewöhnlich hohen Stand ein. Eine ausreichende Erklärung für diese dauernde
Nachfrage nach englischen Wechseln ist nicht leicht zu geben. Die Reichsbank
hat durch umfangreiche Abgaben aus ihrem Portefeuille einer übermäßigen
Steigung des englischen Wechselkurses entgegengewirkt; zweifelsohne wirkt nnn
das Bestreben, den stark geschmälerten Devisenbestand wieder auszufüllen, einem
raschen Rückgang des Kurses entgegen. Aber auch abgesehen vom Devisenkurs
liegen die Dinge am inländischen Geldmarkte nicht so, daß sie die Neichsbank zu einer
Diskontermäßigung ermutigen könnten. Die Rückwirkung der Einzahlungen
auf die neuen deutschen Anleihen war so beträchtlich, daß der Satz für täg¬
liches Geld sowohl als der Privatdiskont erheblich angezogen hat. Dabei fällt in das
Gewicht, daß der Markt sich in der Erwartung getäuscht sah, die Seehandlung
werde die eingezahlten Beträge ihm vorerst wieder zur Verfügung stellen. Daß
dies nicht in dem erwarteten Umfang geschah, erregte Befremden. Und mit
Recht; denn der nun teuer bleibende Zinsfuß für tägliches Geld führte zu
beträchtlichen Ankäufen in den neuen Anleihen. Die Jnterventionstätigkeit des
Konsortiums konnte nicht verhindern, daß der Kurs bis unter den Emissions¬
preis zurückging. Der Mißerfolg dieser neuen Anleihensaufnahme des Reichs
und Preußens wird dadurch ganz klar vor Augen geführt. Man kann sich nicht
genug über das mangelnde finanzielle Geschick wundern, welches unsere ma߬
gebenden Stellen in der Behandlung des Anleihemarktes an den Tag legen.
Der Zeitpunkt, mit einer großen Anleihe von 500 Millionen an den Markt zu
treten, war denkbar schlecht gewählt. Welche Gründe zwangen die Regierung,
die Anleihe in einer solchen Höhe und zu einer Zeit vorzunehmen, in der der
Geldmarkt übermäßig angespannt und die Börse politisch beunruhigt war?
Rücksichten auf die Finanzlage gewiß nicht; denn es handelt sich nicht um
unmittelbaren Bedarf. Maßgebend war wohl nur die Befürchtung, bei längerem
Zuwarten noch schlechter anzukommen und möglicherweise anderem Kapitalbedarf
die Vorhand lassen zu müssen. Ist es aber nicht schon bezeichnend, wenn die
Regierung mitten in dem Gange der Emissionsarbeiten eine Beschwichtigungs¬
note veröffentlichen muß, um politischen Bedenken entgegenzutreten, die sich an
die Anlehnsaufnahme knüpften? In früheren Fällen nahm: man sorgfältig darauf
Bedacht, den Geldmarkt für eine so große Operation zu präparieren und für
billiges Geld zu sorgen. Nichts ist selbstverständlicher als das. Denn man
bedarf doch zur endgültigen Unterbringung der Banken und der Börse. Man
muß also dafür Sorge tragen, daß die kreditweise Übernahme der Anleihe durch
die Spekulation und die Bankiers nicht durch die Höhe des Zinsfußes unmöglich
gemacht wird und ebensowohl dafür, daß nicht eine rückgängige Kursbewegung


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[0409] Reichsspiegel aber ihrem Beispiel bisher noch nicht folgen mögen und hält an demi fünf- prozentigen Zinsfuße fest, obwohl mittlerweile die steuerfreie Notenreseroe wieder auf 332 Millionen angewachsen ist. Maßgebend für ihre Diskontpolitik ist in erster Linie die Bewegung der Devisenkurse. Diese nehmen trotz der großen Spannung zwischen englischem und deutschem Bankdiskont noch immer einen ungewöhnlich hohen Stand ein. Eine ausreichende Erklärung für diese dauernde Nachfrage nach englischen Wechseln ist nicht leicht zu geben. Die Reichsbank hat durch umfangreiche Abgaben aus ihrem Portefeuille einer übermäßigen Steigung des englischen Wechselkurses entgegengewirkt; zweifelsohne wirkt nnn das Bestreben, den stark geschmälerten Devisenbestand wieder auszufüllen, einem raschen Rückgang des Kurses entgegen. Aber auch abgesehen vom Devisenkurs liegen die Dinge am inländischen Geldmarkte nicht so, daß sie die Neichsbank zu einer Diskontermäßigung ermutigen könnten. Die Rückwirkung der Einzahlungen auf die neuen deutschen Anleihen war so beträchtlich, daß der Satz für täg¬ liches Geld sowohl als der Privatdiskont erheblich angezogen hat. Dabei fällt in das Gewicht, daß der Markt sich in der Erwartung getäuscht sah, die Seehandlung werde die eingezahlten Beträge ihm vorerst wieder zur Verfügung stellen. Daß dies nicht in dem erwarteten Umfang geschah, erregte Befremden. Und mit Recht; denn der nun teuer bleibende Zinsfuß für tägliches Geld führte zu beträchtlichen Ankäufen in den neuen Anleihen. Die Jnterventionstätigkeit des Konsortiums konnte nicht verhindern, daß der Kurs bis unter den Emissions¬ preis zurückging. Der Mißerfolg dieser neuen Anleihensaufnahme des Reichs und Preußens wird dadurch ganz klar vor Augen geführt. Man kann sich nicht genug über das mangelnde finanzielle Geschick wundern, welches unsere ma߬ gebenden Stellen in der Behandlung des Anleihemarktes an den Tag legen. Der Zeitpunkt, mit einer großen Anleihe von 500 Millionen an den Markt zu treten, war denkbar schlecht gewählt. Welche Gründe zwangen die Regierung, die Anleihe in einer solchen Höhe und zu einer Zeit vorzunehmen, in der der Geldmarkt übermäßig angespannt und die Börse politisch beunruhigt war? Rücksichten auf die Finanzlage gewiß nicht; denn es handelt sich nicht um unmittelbaren Bedarf. Maßgebend war wohl nur die Befürchtung, bei längerem Zuwarten noch schlechter anzukommen und möglicherweise anderem Kapitalbedarf die Vorhand lassen zu müssen. Ist es aber nicht schon bezeichnend, wenn die Regierung mitten in dem Gange der Emissionsarbeiten eine Beschwichtigungs¬ note veröffentlichen muß, um politischen Bedenken entgegenzutreten, die sich an die Anlehnsaufnahme knüpften? In früheren Fällen nahm: man sorgfältig darauf Bedacht, den Geldmarkt für eine so große Operation zu präparieren und für billiges Geld zu sorgen. Nichts ist selbstverständlicher als das. Denn man bedarf doch zur endgültigen Unterbringung der Banken und der Börse. Man muß also dafür Sorge tragen, daß die kreditweise Übernahme der Anleihe durch die Spekulation und die Bankiers nicht durch die Höhe des Zinsfußes unmöglich gemacht wird und ebensowohl dafür, daß nicht eine rückgängige Kursbewegung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/409>, abgerufen am 15.05.2024.