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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Flugwesen

Im Feldkriege wird es wertvoll sein, den Anmarsch des Gegners zu erkunden,
große Truppenansammlungen zu beobachten, Flügelausdehnungen des Feindes
festzulegen, Lage der Reserve festzustellen, über den Verbleib eigener Truppen
zu berichten, Befehle zu überbringen usw.

Im Festungskriege wird das Flugzeug dem bisher mit Erfolg verwendeten
Fesselballon sowohl auf feiten des Angreifers als auf feiten des Verteidigers
starke Konkurrenz machen. Das Flugzeug des Verteidigers wird rascher, als
der Fesselballon es konnte, durch Beobachtung die Hauptangriffssront des
Gegners, Truppenansammlungen, Ausladungen, den Anmarsch der feindlichen
Batterien, Anlegung von Munitions- und Geschützparks usw., und im späteren
Stadium Lage der Angriffsbatterien derartig im Gelände feststellen, daß der
Verteidiger sein Feuer darauf konzentrieren kann. Die Flugzeuge des Angreifers
werden ähnliche Beobachtungszwecke verfolgen. Vornehmlich wird es ihre
Aufgabe sein, die artilleristische und infanteristische Besetzung der Forts und deren
Ausbau festzustellen sowie das eigene Feuer durch Beobachtung zu unterstützen.

Ganz besonders aber, und das haben die Ereignisse in Tripolis gelehrt,
dürfte von feiten des Angreifers das Flugzeug als Waffe wirken, indem es, mit
Sprengstoffen ausgerüstet, diese über der Festung fallen läßt. Man hat bis
vor kurzem noch von dem sogenannten Bombenwerfen aus dem Flugzeuge nicht
viel gehalten. Zugegeben ist hierbei allerdings, daß ein Präzisionswurf zurzeit
noch nicht gelungen ist. Ein Abwurf von Sprengstoffen über einem großen
Waffenplatz wird jedoch stets Zerstörung anrichten und besonderen moralischen
Eindruck auf die belagerte Stadt machen, und wenn es den Flugzeugen gelingt,
im Rücken des Feindes Brücken zu sprengen, Bahnanlagen, Bahnhöfe und
Proviantmagazine zu zerstören, dann wird eine feindliche Armee bald von
Munition und Proviantzufuhr abgeschnitten sein.

Was die Beobachtung aus dem Flugzeuge anbelangt, so ist diese eine
ähnliche, wie aus dem Fessel- oder Freiballon und aus dem Luftschiff. Es ist
eine weit verbreitete irrige Ansicht, daß die Beobachtung aus Flugzeugen wegen
ihrer großen Schnelligkeit besonders erschwert sei, wie dieses anfangs allgemein
angenommen wurde. Auch der Ansicht, daß die Beobachtung bestimmter Objekte
durch die Unmöglichkeit des Stehenbleibens des Flugzeuges in der Lust erschwert
sei, muß entgegengetreten werden. Man kann sehr wohl durch Hin- und
Herfahren und Kreisen die angefangenen Beobachtungen fortsetzen. Feindlichen
Schüssen bieten die Flugzeuge, wie bereits die Praxis gelehrt hat, ein kleines
und, besonders wegen der Schnelligkeit ihrer Fortbewegung, schwer zu fassendes
Ziel, sollte aber schließlich im Kriege ein Flugzeug herabgeschossen werden, so
bedeutet dies nichts anderes, als das Abschießen einer Kavalleriepatrouille.

Die Marine aller Staaten hat die Wichtigkeit des Flugzeuges ebenfalls
anerkannt. Die Schwierigkeit der Verwendung beruht hier in der zwingenden
Notwendigkeit, die Flugzeuge schwimmfähig zu machen. Voraussichtlich werden
die Flugzeuge der Marine derartig technisch ausgestaltet werden müssen, sowohl


Flugwesen

Im Feldkriege wird es wertvoll sein, den Anmarsch des Gegners zu erkunden,
große Truppenansammlungen zu beobachten, Flügelausdehnungen des Feindes
festzulegen, Lage der Reserve festzustellen, über den Verbleib eigener Truppen
zu berichten, Befehle zu überbringen usw.

Im Festungskriege wird das Flugzeug dem bisher mit Erfolg verwendeten
Fesselballon sowohl auf feiten des Angreifers als auf feiten des Verteidigers
starke Konkurrenz machen. Das Flugzeug des Verteidigers wird rascher, als
der Fesselballon es konnte, durch Beobachtung die Hauptangriffssront des
Gegners, Truppenansammlungen, Ausladungen, den Anmarsch der feindlichen
Batterien, Anlegung von Munitions- und Geschützparks usw., und im späteren
Stadium Lage der Angriffsbatterien derartig im Gelände feststellen, daß der
Verteidiger sein Feuer darauf konzentrieren kann. Die Flugzeuge des Angreifers
werden ähnliche Beobachtungszwecke verfolgen. Vornehmlich wird es ihre
Aufgabe sein, die artilleristische und infanteristische Besetzung der Forts und deren
Ausbau festzustellen sowie das eigene Feuer durch Beobachtung zu unterstützen.

Ganz besonders aber, und das haben die Ereignisse in Tripolis gelehrt,
dürfte von feiten des Angreifers das Flugzeug als Waffe wirken, indem es, mit
Sprengstoffen ausgerüstet, diese über der Festung fallen läßt. Man hat bis
vor kurzem noch von dem sogenannten Bombenwerfen aus dem Flugzeuge nicht
viel gehalten. Zugegeben ist hierbei allerdings, daß ein Präzisionswurf zurzeit
noch nicht gelungen ist. Ein Abwurf von Sprengstoffen über einem großen
Waffenplatz wird jedoch stets Zerstörung anrichten und besonderen moralischen
Eindruck auf die belagerte Stadt machen, und wenn es den Flugzeugen gelingt,
im Rücken des Feindes Brücken zu sprengen, Bahnanlagen, Bahnhöfe und
Proviantmagazine zu zerstören, dann wird eine feindliche Armee bald von
Munition und Proviantzufuhr abgeschnitten sein.

Was die Beobachtung aus dem Flugzeuge anbelangt, so ist diese eine
ähnliche, wie aus dem Fessel- oder Freiballon und aus dem Luftschiff. Es ist
eine weit verbreitete irrige Ansicht, daß die Beobachtung aus Flugzeugen wegen
ihrer großen Schnelligkeit besonders erschwert sei, wie dieses anfangs allgemein
angenommen wurde. Auch der Ansicht, daß die Beobachtung bestimmter Objekte
durch die Unmöglichkeit des Stehenbleibens des Flugzeuges in der Lust erschwert
sei, muß entgegengetreten werden. Man kann sehr wohl durch Hin- und
Herfahren und Kreisen die angefangenen Beobachtungen fortsetzen. Feindlichen
Schüssen bieten die Flugzeuge, wie bereits die Praxis gelehrt hat, ein kleines
und, besonders wegen der Schnelligkeit ihrer Fortbewegung, schwer zu fassendes
Ziel, sollte aber schließlich im Kriege ein Flugzeug herabgeschossen werden, so
bedeutet dies nichts anderes, als das Abschießen einer Kavalleriepatrouille.

Die Marine aller Staaten hat die Wichtigkeit des Flugzeuges ebenfalls
anerkannt. Die Schwierigkeit der Verwendung beruht hier in der zwingenden
Notwendigkeit, die Flugzeuge schwimmfähig zu machen. Voraussichtlich werden
die Flugzeuge der Marine derartig technisch ausgestaltet werden müssen, sowohl


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[0415] Flugwesen Im Feldkriege wird es wertvoll sein, den Anmarsch des Gegners zu erkunden, große Truppenansammlungen zu beobachten, Flügelausdehnungen des Feindes festzulegen, Lage der Reserve festzustellen, über den Verbleib eigener Truppen zu berichten, Befehle zu überbringen usw. Im Festungskriege wird das Flugzeug dem bisher mit Erfolg verwendeten Fesselballon sowohl auf feiten des Angreifers als auf feiten des Verteidigers starke Konkurrenz machen. Das Flugzeug des Verteidigers wird rascher, als der Fesselballon es konnte, durch Beobachtung die Hauptangriffssront des Gegners, Truppenansammlungen, Ausladungen, den Anmarsch der feindlichen Batterien, Anlegung von Munitions- und Geschützparks usw., und im späteren Stadium Lage der Angriffsbatterien derartig im Gelände feststellen, daß der Verteidiger sein Feuer darauf konzentrieren kann. Die Flugzeuge des Angreifers werden ähnliche Beobachtungszwecke verfolgen. Vornehmlich wird es ihre Aufgabe sein, die artilleristische und infanteristische Besetzung der Forts und deren Ausbau festzustellen sowie das eigene Feuer durch Beobachtung zu unterstützen. Ganz besonders aber, und das haben die Ereignisse in Tripolis gelehrt, dürfte von feiten des Angreifers das Flugzeug als Waffe wirken, indem es, mit Sprengstoffen ausgerüstet, diese über der Festung fallen läßt. Man hat bis vor kurzem noch von dem sogenannten Bombenwerfen aus dem Flugzeuge nicht viel gehalten. Zugegeben ist hierbei allerdings, daß ein Präzisionswurf zurzeit noch nicht gelungen ist. Ein Abwurf von Sprengstoffen über einem großen Waffenplatz wird jedoch stets Zerstörung anrichten und besonderen moralischen Eindruck auf die belagerte Stadt machen, und wenn es den Flugzeugen gelingt, im Rücken des Feindes Brücken zu sprengen, Bahnanlagen, Bahnhöfe und Proviantmagazine zu zerstören, dann wird eine feindliche Armee bald von Munition und Proviantzufuhr abgeschnitten sein. Was die Beobachtung aus dem Flugzeuge anbelangt, so ist diese eine ähnliche, wie aus dem Fessel- oder Freiballon und aus dem Luftschiff. Es ist eine weit verbreitete irrige Ansicht, daß die Beobachtung aus Flugzeugen wegen ihrer großen Schnelligkeit besonders erschwert sei, wie dieses anfangs allgemein angenommen wurde. Auch der Ansicht, daß die Beobachtung bestimmter Objekte durch die Unmöglichkeit des Stehenbleibens des Flugzeuges in der Lust erschwert sei, muß entgegengetreten werden. Man kann sehr wohl durch Hin- und Herfahren und Kreisen die angefangenen Beobachtungen fortsetzen. Feindlichen Schüssen bieten die Flugzeuge, wie bereits die Praxis gelehrt hat, ein kleines und, besonders wegen der Schnelligkeit ihrer Fortbewegung, schwer zu fassendes Ziel, sollte aber schließlich im Kriege ein Flugzeug herabgeschossen werden, so bedeutet dies nichts anderes, als das Abschießen einer Kavalleriepatrouille. Die Marine aller Staaten hat die Wichtigkeit des Flugzeuges ebenfalls anerkannt. Die Schwierigkeit der Verwendung beruht hier in der zwingenden Notwendigkeit, die Flugzeuge schwimmfähig zu machen. Voraussichtlich werden die Flugzeuge der Marine derartig technisch ausgestaltet werden müssen, sowohl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/415>, abgerufen am 15.05.2024.