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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Flugwesen

Flugproblem vor sieben Jahren einer praktisch brauchbaren Lösung nähergeführt
zu haben. Ihre bedeutungsvollen Konstruktionen und die mit ihren Flugzeugen
möglichen Leistungen wurden aber erst dadurch an das Licht der Öffentlichkeit
gezogen, daß die Franzosen mit ihren von Amerika unabhängigen Versuchen
Ende 1907 ein derartiges Stadium erreicht hatten, daß die Gebrüder Wright
befürchten mußten, mit der Priorität ihrer Erfindung ins Hintertreffen zu
kommen, wenn sie nicht aus ihrer Reserve hervortraten.

Die Grundlage zu den heutigen Erfolgen in Frankreich schufen vornehmlich
die auf Lilienthalscher Basis für die Flugtechnik unermüdlich tätigen Leute wie
der verstorbene Kapitän Ferber und die jetzigen Flugzeugfabrikanten Voisin,
Farman und Bleriot.

Mit Riesenschritten ist Frankreich seit dem Jahre 1908 in der Entwicklung
des Flugzeugwesens vorwärtsgegangen. Aufbauend auf der wohldurchdachten
Arbeit der Praxis war diese Entwicklung nur möglich durch die Opferwilligkeit
des französischen Volkes, nur möglich durch einen Wagemut, der selbst vor dem
Verluste des Lebens nicht zurückschreckte. Die heute als bescheiden anzusehenden
ersten Flugleistungen eines Farman, eines Voisin, eines Bleriot, eines Latham
wurden seinerzeit voll und ganz gewürdigt. Man ging nicht achtlos an ihnen
vorüber, sondern hatte schon damals das Gefühl, welch unendlicher Wert in der
Förderung des Flugwesens stecke.

Mit großer Wärme nahm sich die gesamte französische Presse der Flug¬
technik an. Diese Macht verstand es, reiche Leute derart zu begeistern, daß sie
nicht allein ihr Geld, sondern auch sich selbst in den Dienst der guten Sache stellten.

Weitschauend unterstützte die französische Regierung speziell durch die Heeres¬
verwaltung die flugtechnischen Bestrebungen. So kam es, daß bald in Frank-
reich zum ersten Male in der Welt gewissermaßen Fliegerrennen in Gestalt von
Flugwochen sich abspielten. Charakteristisch ist hierbei, daß das Interesse für
diese Flugwochen nicht nur in den Kreisen der Fachleute, der Techniker und
der Offiziere blieb, sondern, daß Groß und Klein, Arm und Reich diesen Ver¬
anstaltungen beiwohnen mußte. Ich erinnere an die große Flugwoche in Reims,
zu der ganz Paris strömte, wo sich die elegante Welt ein Stelldichein
gegeben hatte.

Die Flugleistungen in Frankreich wurden von Tag zu Tag bedeutender.
Der Lik-Luid as l'IÄt des Jahres 1910, der Flug Paris-Madrid mit dem Sieger
Vedrines und der Flug Paris-Rom mit dem Sieger Conneau im vergangenen
Jahre sind uns noch in frischem Gedächtnis.

Für alle diese Wettbewerbe, von denen ich kleinere unerwähnt gelassen
habe, sind Millionen freiwillig gegeben und freudigen Herzens gewonnen worden.
Auf diese Weise war die französische Flugzeugindustrie in die Lage versetzt, an
der Entwicklung der Flugzeuge nutzbringend zu arbeiten. Mit dem unsicheren
Tasten auf flugtechnischem Gebiete war es bald vorbei, und serienweise wurden
schon Flugzeuge nach bestimmten Typen hergestellt. Dadurch verbilligte sich


Flugwesen

Flugproblem vor sieben Jahren einer praktisch brauchbaren Lösung nähergeführt
zu haben. Ihre bedeutungsvollen Konstruktionen und die mit ihren Flugzeugen
möglichen Leistungen wurden aber erst dadurch an das Licht der Öffentlichkeit
gezogen, daß die Franzosen mit ihren von Amerika unabhängigen Versuchen
Ende 1907 ein derartiges Stadium erreicht hatten, daß die Gebrüder Wright
befürchten mußten, mit der Priorität ihrer Erfindung ins Hintertreffen zu
kommen, wenn sie nicht aus ihrer Reserve hervortraten.

Die Grundlage zu den heutigen Erfolgen in Frankreich schufen vornehmlich
die auf Lilienthalscher Basis für die Flugtechnik unermüdlich tätigen Leute wie
der verstorbene Kapitän Ferber und die jetzigen Flugzeugfabrikanten Voisin,
Farman und Bleriot.

Mit Riesenschritten ist Frankreich seit dem Jahre 1908 in der Entwicklung
des Flugzeugwesens vorwärtsgegangen. Aufbauend auf der wohldurchdachten
Arbeit der Praxis war diese Entwicklung nur möglich durch die Opferwilligkeit
des französischen Volkes, nur möglich durch einen Wagemut, der selbst vor dem
Verluste des Lebens nicht zurückschreckte. Die heute als bescheiden anzusehenden
ersten Flugleistungen eines Farman, eines Voisin, eines Bleriot, eines Latham
wurden seinerzeit voll und ganz gewürdigt. Man ging nicht achtlos an ihnen
vorüber, sondern hatte schon damals das Gefühl, welch unendlicher Wert in der
Förderung des Flugwesens stecke.

Mit großer Wärme nahm sich die gesamte französische Presse der Flug¬
technik an. Diese Macht verstand es, reiche Leute derart zu begeistern, daß sie
nicht allein ihr Geld, sondern auch sich selbst in den Dienst der guten Sache stellten.

Weitschauend unterstützte die französische Regierung speziell durch die Heeres¬
verwaltung die flugtechnischen Bestrebungen. So kam es, daß bald in Frank-
reich zum ersten Male in der Welt gewissermaßen Fliegerrennen in Gestalt von
Flugwochen sich abspielten. Charakteristisch ist hierbei, daß das Interesse für
diese Flugwochen nicht nur in den Kreisen der Fachleute, der Techniker und
der Offiziere blieb, sondern, daß Groß und Klein, Arm und Reich diesen Ver¬
anstaltungen beiwohnen mußte. Ich erinnere an die große Flugwoche in Reims,
zu der ganz Paris strömte, wo sich die elegante Welt ein Stelldichein
gegeben hatte.

Die Flugleistungen in Frankreich wurden von Tag zu Tag bedeutender.
Der Lik-Luid as l'IÄt des Jahres 1910, der Flug Paris-Madrid mit dem Sieger
Vedrines und der Flug Paris-Rom mit dem Sieger Conneau im vergangenen
Jahre sind uns noch in frischem Gedächtnis.

Für alle diese Wettbewerbe, von denen ich kleinere unerwähnt gelassen
habe, sind Millionen freiwillig gegeben und freudigen Herzens gewonnen worden.
Auf diese Weise war die französische Flugzeugindustrie in die Lage versetzt, an
der Entwicklung der Flugzeuge nutzbringend zu arbeiten. Mit dem unsicheren
Tasten auf flugtechnischem Gebiete war es bald vorbei, und serienweise wurden
schon Flugzeuge nach bestimmten Typen hergestellt. Dadurch verbilligte sich


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[0417] Flugwesen Flugproblem vor sieben Jahren einer praktisch brauchbaren Lösung nähergeführt zu haben. Ihre bedeutungsvollen Konstruktionen und die mit ihren Flugzeugen möglichen Leistungen wurden aber erst dadurch an das Licht der Öffentlichkeit gezogen, daß die Franzosen mit ihren von Amerika unabhängigen Versuchen Ende 1907 ein derartiges Stadium erreicht hatten, daß die Gebrüder Wright befürchten mußten, mit der Priorität ihrer Erfindung ins Hintertreffen zu kommen, wenn sie nicht aus ihrer Reserve hervortraten. Die Grundlage zu den heutigen Erfolgen in Frankreich schufen vornehmlich die auf Lilienthalscher Basis für die Flugtechnik unermüdlich tätigen Leute wie der verstorbene Kapitän Ferber und die jetzigen Flugzeugfabrikanten Voisin, Farman und Bleriot. Mit Riesenschritten ist Frankreich seit dem Jahre 1908 in der Entwicklung des Flugzeugwesens vorwärtsgegangen. Aufbauend auf der wohldurchdachten Arbeit der Praxis war diese Entwicklung nur möglich durch die Opferwilligkeit des französischen Volkes, nur möglich durch einen Wagemut, der selbst vor dem Verluste des Lebens nicht zurückschreckte. Die heute als bescheiden anzusehenden ersten Flugleistungen eines Farman, eines Voisin, eines Bleriot, eines Latham wurden seinerzeit voll und ganz gewürdigt. Man ging nicht achtlos an ihnen vorüber, sondern hatte schon damals das Gefühl, welch unendlicher Wert in der Förderung des Flugwesens stecke. Mit großer Wärme nahm sich die gesamte französische Presse der Flug¬ technik an. Diese Macht verstand es, reiche Leute derart zu begeistern, daß sie nicht allein ihr Geld, sondern auch sich selbst in den Dienst der guten Sache stellten. Weitschauend unterstützte die französische Regierung speziell durch die Heeres¬ verwaltung die flugtechnischen Bestrebungen. So kam es, daß bald in Frank- reich zum ersten Male in der Welt gewissermaßen Fliegerrennen in Gestalt von Flugwochen sich abspielten. Charakteristisch ist hierbei, daß das Interesse für diese Flugwochen nicht nur in den Kreisen der Fachleute, der Techniker und der Offiziere blieb, sondern, daß Groß und Klein, Arm und Reich diesen Ver¬ anstaltungen beiwohnen mußte. Ich erinnere an die große Flugwoche in Reims, zu der ganz Paris strömte, wo sich die elegante Welt ein Stelldichein gegeben hatte. Die Flugleistungen in Frankreich wurden von Tag zu Tag bedeutender. Der Lik-Luid as l'IÄt des Jahres 1910, der Flug Paris-Madrid mit dem Sieger Vedrines und der Flug Paris-Rom mit dem Sieger Conneau im vergangenen Jahre sind uns noch in frischem Gedächtnis. Für alle diese Wettbewerbe, von denen ich kleinere unerwähnt gelassen habe, sind Millionen freiwillig gegeben und freudigen Herzens gewonnen worden. Auf diese Weise war die französische Flugzeugindustrie in die Lage versetzt, an der Entwicklung der Flugzeuge nutzbringend zu arbeiten. Mit dem unsicheren Tasten auf flugtechnischem Gebiete war es bald vorbei, und serienweise wurden schon Flugzeuge nach bestimmten Typen hergestellt. Dadurch verbilligte sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/417>, abgerufen am 15.05.2024.