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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

nahmen zur Wahrung vollster Kriegsbereitschaft. Denn diese ist einer ernsten
Gefährdung ausgesetzt, wenn eine überwiegende Mehrzahl von Offizieren ihren
Friedensdienst bei steigenden äußeren Anforderungen unter zunehmendem seelischen
Druck trostloser Zukunftsaussichten tun muß.

Die Heeresvorlage sieht vor: Schaffung von zwei neuen Armeekorps; Er¬
höhung des Etats bei einer großen Anzahl von Jnfanteriebataillonen und Feld¬
artillerieabteilungen; Ausstattung sämtlicher Infanterieregimente mit Maschinen¬
gewehrkompagnien; Aufstellung der fehlenden dritten Bataillone bei vierzehn
Infanterieregimentern und Errichtung eines neuen sächsischen Infanterieregiments;
endlich Verbesserung der Zahl der Offizierstellenbesetzung im Kriege durch weitere
Schaffung von Stellen, die im Frieden den Truppenoffizier von allzu häufiger
Verwendung außerhalb seiner Dienststelle entlasten und im Kriege für Besetzung
der Neuformationen verfügbar sind. Die Neuschaffung von Korpsverbänden
und die Regelung der Befehlsverhältnisse an der Westgrenze erfordern die
Errichtung einer neuen siebenten Armeeinspektion. Die Aufstellung von zwei
Feldartillerieregimentern bei der 37. und 39. Division war schon im Gesetz von
1911 bestimmt, soll aber jetzt statt erst 1914/15 schon zum 1. Oktober 1912
erfolgen. Das gleiche gilt für die Neubildungen der Fußartillerie und die
Errichtung eines Telegraphenbataillons. Die Schaffung einer Fliegertruppe
erklärt sich durch die rasche Entwicklung, die die Flugtechnik nimmt. Die Absicht,
gleichzeitig mit der Heeresvorlage eine Erhöhung der Mannschaftslöhnung vor¬
zuschlagen, ist dankbar zu begrüßen, dürfte auch schwerlich auf Widerspruch
seitens der Volksvertretung stoßen.

Bei der Schaffung der beiden Armeekorps kommt nur die Errichtung von
zwei Generalkommandos und zwei Divisionskommandos in Frage. Denn die
erforderlichen Truppen sind schon fast vollzählig vorhanden, ebenso zwei Divistons¬
kommandos. Es ist ein offenes Geheimnis, daß diese Korps bisher bereits im
Mobilmachungsfalle aufgestellt werden sollten. Wenn sie künftig auch im Frieden
bestehen, bedeutet dies eine Erleichterung der Mobilmachung und eine Erhöhung
der Schlagfertigkeit. Das gleiche gilt für die Ergänzung von 14 Infanterie¬
regimentern auf den Friedensstand von 3 Bataillonen. Angenommen, das neue
sächsische Regiment erhält diesen gleichfalls, so bleiben aber doch noch 18 Regi¬
menter zu 2 Bataillonen bestehen, die ihr drittes Bataillon erst im Mobil¬
machungsfalle aufzustellen haben. Es ist kein Grund zu ersehen, warum diesem
Zustande nicht ebenfalls im gegenwärtigen Augenblick ein Ende bereitet werden
soll. Es ist anzunehmen, daß lediglich finanzielle Rücksichten zu diesem Verzicht
führen. Mit diesen haben sich die gegenwärtigen Betrachtungen nicht zu befassen.
Aber warum wählt man nicht den durchaus nicht kostspieligen Ausweg, alle
Regimenter auf drei Bataillone zu stellen und einen Teil derselben einstweilen
mit drei statt vier Kompagnien zu formieren? Es bedeutet eine wesentliche
Verbesserung für den Übergang in die Kriegsgliedernng, wenn 11 Kompagnien
Abgaben zur Bildung einer zwölften zu leisten haben, als wenn deren 8 auf


Reichsspiegel

nahmen zur Wahrung vollster Kriegsbereitschaft. Denn diese ist einer ernsten
Gefährdung ausgesetzt, wenn eine überwiegende Mehrzahl von Offizieren ihren
Friedensdienst bei steigenden äußeren Anforderungen unter zunehmendem seelischen
Druck trostloser Zukunftsaussichten tun muß.

Die Heeresvorlage sieht vor: Schaffung von zwei neuen Armeekorps; Er¬
höhung des Etats bei einer großen Anzahl von Jnfanteriebataillonen und Feld¬
artillerieabteilungen; Ausstattung sämtlicher Infanterieregimente mit Maschinen¬
gewehrkompagnien; Aufstellung der fehlenden dritten Bataillone bei vierzehn
Infanterieregimentern und Errichtung eines neuen sächsischen Infanterieregiments;
endlich Verbesserung der Zahl der Offizierstellenbesetzung im Kriege durch weitere
Schaffung von Stellen, die im Frieden den Truppenoffizier von allzu häufiger
Verwendung außerhalb seiner Dienststelle entlasten und im Kriege für Besetzung
der Neuformationen verfügbar sind. Die Neuschaffung von Korpsverbänden
und die Regelung der Befehlsverhältnisse an der Westgrenze erfordern die
Errichtung einer neuen siebenten Armeeinspektion. Die Aufstellung von zwei
Feldartillerieregimentern bei der 37. und 39. Division war schon im Gesetz von
1911 bestimmt, soll aber jetzt statt erst 1914/15 schon zum 1. Oktober 1912
erfolgen. Das gleiche gilt für die Neubildungen der Fußartillerie und die
Errichtung eines Telegraphenbataillons. Die Schaffung einer Fliegertruppe
erklärt sich durch die rasche Entwicklung, die die Flugtechnik nimmt. Die Absicht,
gleichzeitig mit der Heeresvorlage eine Erhöhung der Mannschaftslöhnung vor¬
zuschlagen, ist dankbar zu begrüßen, dürfte auch schwerlich auf Widerspruch
seitens der Volksvertretung stoßen.

Bei der Schaffung der beiden Armeekorps kommt nur die Errichtung von
zwei Generalkommandos und zwei Divisionskommandos in Frage. Denn die
erforderlichen Truppen sind schon fast vollzählig vorhanden, ebenso zwei Divistons¬
kommandos. Es ist ein offenes Geheimnis, daß diese Korps bisher bereits im
Mobilmachungsfalle aufgestellt werden sollten. Wenn sie künftig auch im Frieden
bestehen, bedeutet dies eine Erleichterung der Mobilmachung und eine Erhöhung
der Schlagfertigkeit. Das gleiche gilt für die Ergänzung von 14 Infanterie¬
regimentern auf den Friedensstand von 3 Bataillonen. Angenommen, das neue
sächsische Regiment erhält diesen gleichfalls, so bleiben aber doch noch 18 Regi¬
menter zu 2 Bataillonen bestehen, die ihr drittes Bataillon erst im Mobil¬
machungsfalle aufzustellen haben. Es ist kein Grund zu ersehen, warum diesem
Zustande nicht ebenfalls im gegenwärtigen Augenblick ein Ende bereitet werden
soll. Es ist anzunehmen, daß lediglich finanzielle Rücksichten zu diesem Verzicht
führen. Mit diesen haben sich die gegenwärtigen Betrachtungen nicht zu befassen.
Aber warum wählt man nicht den durchaus nicht kostspieligen Ausweg, alle
Regimenter auf drei Bataillone zu stellen und einen Teil derselben einstweilen
mit drei statt vier Kompagnien zu formieren? Es bedeutet eine wesentliche
Verbesserung für den Übergang in die Kriegsgliedernng, wenn 11 Kompagnien
Abgaben zur Bildung einer zwölften zu leisten haben, als wenn deren 8 auf


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[0654] Reichsspiegel nahmen zur Wahrung vollster Kriegsbereitschaft. Denn diese ist einer ernsten Gefährdung ausgesetzt, wenn eine überwiegende Mehrzahl von Offizieren ihren Friedensdienst bei steigenden äußeren Anforderungen unter zunehmendem seelischen Druck trostloser Zukunftsaussichten tun muß. Die Heeresvorlage sieht vor: Schaffung von zwei neuen Armeekorps; Er¬ höhung des Etats bei einer großen Anzahl von Jnfanteriebataillonen und Feld¬ artillerieabteilungen; Ausstattung sämtlicher Infanterieregimente mit Maschinen¬ gewehrkompagnien; Aufstellung der fehlenden dritten Bataillone bei vierzehn Infanterieregimentern und Errichtung eines neuen sächsischen Infanterieregiments; endlich Verbesserung der Zahl der Offizierstellenbesetzung im Kriege durch weitere Schaffung von Stellen, die im Frieden den Truppenoffizier von allzu häufiger Verwendung außerhalb seiner Dienststelle entlasten und im Kriege für Besetzung der Neuformationen verfügbar sind. Die Neuschaffung von Korpsverbänden und die Regelung der Befehlsverhältnisse an der Westgrenze erfordern die Errichtung einer neuen siebenten Armeeinspektion. Die Aufstellung von zwei Feldartillerieregimentern bei der 37. und 39. Division war schon im Gesetz von 1911 bestimmt, soll aber jetzt statt erst 1914/15 schon zum 1. Oktober 1912 erfolgen. Das gleiche gilt für die Neubildungen der Fußartillerie und die Errichtung eines Telegraphenbataillons. Die Schaffung einer Fliegertruppe erklärt sich durch die rasche Entwicklung, die die Flugtechnik nimmt. Die Absicht, gleichzeitig mit der Heeresvorlage eine Erhöhung der Mannschaftslöhnung vor¬ zuschlagen, ist dankbar zu begrüßen, dürfte auch schwerlich auf Widerspruch seitens der Volksvertretung stoßen. Bei der Schaffung der beiden Armeekorps kommt nur die Errichtung von zwei Generalkommandos und zwei Divisionskommandos in Frage. Denn die erforderlichen Truppen sind schon fast vollzählig vorhanden, ebenso zwei Divistons¬ kommandos. Es ist ein offenes Geheimnis, daß diese Korps bisher bereits im Mobilmachungsfalle aufgestellt werden sollten. Wenn sie künftig auch im Frieden bestehen, bedeutet dies eine Erleichterung der Mobilmachung und eine Erhöhung der Schlagfertigkeit. Das gleiche gilt für die Ergänzung von 14 Infanterie¬ regimentern auf den Friedensstand von 3 Bataillonen. Angenommen, das neue sächsische Regiment erhält diesen gleichfalls, so bleiben aber doch noch 18 Regi¬ menter zu 2 Bataillonen bestehen, die ihr drittes Bataillon erst im Mobil¬ machungsfalle aufzustellen haben. Es ist kein Grund zu ersehen, warum diesem Zustande nicht ebenfalls im gegenwärtigen Augenblick ein Ende bereitet werden soll. Es ist anzunehmen, daß lediglich finanzielle Rücksichten zu diesem Verzicht führen. Mit diesen haben sich die gegenwärtigen Betrachtungen nicht zu befassen. Aber warum wählt man nicht den durchaus nicht kostspieligen Ausweg, alle Regimenter auf drei Bataillone zu stellen und einen Teil derselben einstweilen mit drei statt vier Kompagnien zu formieren? Es bedeutet eine wesentliche Verbesserung für den Übergang in die Kriegsgliedernng, wenn 11 Kompagnien Abgaben zur Bildung einer zwölften zu leisten haben, als wenn deren 8 auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/654>, abgerufen am 15.05.2024.